Aber sie würde es schaffen ...
Sie wusste es.
Ihr hasserfüllter Blick glitt durch das Zimmer.
Dann sah sie das Bett, in dem eine junge Frau schlafend lag. Das Gesicht sah ihm fahlen Mondlicht so bleich wie das einer Toten aus ...
Joanne ging auf das Bett zu.
Ihre Schritte waren federleicht, aber immerhin waren es jetzt Schritte. Sie schwebte nicht mehr. Ihr kalter Blick ruhte auf dem Gesicht der Schlafenden. Das Lächeln um Joannes hübschen, volllippigen Mund war eisig wie der Tod selbst.
"Rache ..."
Sie näherte sich weiter.
Ihre geöffneten Hände legten sich um den Hals der Schlafenden ...
"Verflucht seid Ihr – und dem Tode geweiht ..."
Jetzt riss die Schlafende ihre Augen auf. Die Gedankenstimme hatte sie geweckt und ein Schrei puren Entsetzens entrang sich ihren Lippen.
Ein Todesschrei, der schauerlich durch die uralten Mauern von Gilford Castle hallte und sich mit einem ebenso schauerlichen Lachen mischte.
Dem Lachen einer Frau.
Lady Joannes Lachen ...
13
Ich hatte einen Schrei zu hören geglaubt und war plötzlich erwacht. Draußen graute der Morgen. Blutrot stieg die Sonne langsam am Horizont empor.
Dann klopfte es an der Tür.
"Patti!"
"Was ist?"
"Ich bin's! Jim! Da ist was passiert!"
"Einen Moment!"
Ich streifte das Nachthemd ab und griff nach Jeans und T-Shirt. Ich glaube nicht, dass ich mich jemals schneller angezogen habe. Ich schlüpfte in die Schuhe und öffnete die Tür. Jim hatte sich ebenfalls nur provisorisch angezogen. Immerhin hatte er den Fotoapparat um den Hals hängen. Für alle Fälle ...
Er war eben unverbesserlich.
"Was ...", wollte ich anfangen, aber Jim schnitt mir das Wort ab.
"Komm und frag nicht so viel!" Er nahm mich bei der Hand und zog mich einfach mit sich. Ich fühlte mich beinahe noch wie im Halbschlaf. Vage Erinnerungen an verschiedene Träume mischten sich zu einem eigenartigen Chaos. Ich stolperte also hinter Jim her. Am Ende des Korridors standen einige von Claytons Gästen. Ich erkannte unter anderem den Mann namens Myers, der wohl ein Vertreter der Plattenfirma war.
Der Butler stand auch dort.
Mit einer heftigen Bewegung klopfte er gegen die schwere Holztür.
"Miss Kelvin! So machen Sie doch auf! Was ist geschehen?"
Keine Antwort.
Die Anwesenden begannen, sich etwas zuzuraunen. Sie waren alle beunruhigt.
"Hast du den Schrei gehört?"
"Mein Gott, es wird doch nicht ..."
Alle verstummten, als Robert Clayton auftauchte.
"Miss Kelvin hat von innen abgeschlossen!", entschuldigte sich der Butler.
"Sie haben doch einen Generalschlüssel!"
"Ja, aber der von Miss Kelvin steckt offenbar von innen ..."
"Dann müssen wir die Tür eintreten!"
Robert zögerte nicht lange.
Er gab der Tür einen wuchtigen Tritt. Das Holz splitterte, und die Tür sprang auf. Mit einem Knarren öffnete sie sich.
Vorsichtig trat Robert ein. Der Butler folgte ihm, dann Jim und ich.
Ich sah sofort, dass die Frau auf dem Bett tot war. Es war die schrille Rothaarige, mit der Jim sich am Abend zuvor so ausgiebig unterhalten hatte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und der Schrecken stand ihr im Gesicht geschrieben.
Robert warf einen Blick auf sie und wandte sich dann an den Butler.
"Rufen Sie die Polizei, Charles!"
"Aber, Sir!"
"Miss Kelvin wurde ermordet ... Wenn ich das richtig sehe, sind da Würgemale am Hals!"
Es herrschte betretenes Schweigen. Alle standen wie gelähmt da. Aus irgendeinem Grund sah ich seitwärts aus dem Fenster.
Weit erstreckten sich die Wiesen und Hügel.
Und dann ...
Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen.
In einer Entfernung von vielleicht hundert Metern sah ich eine junge Frau mit strohblondem Haar. Sie blickte in Richtung von Gilford Castle ...
Nein!
Aber es konnte keine Zweifel geben.
Joanne!
Ich wollte etwas sagen, aber ein dicker Kloß saß mir in der Kehle. Und dann war die junge Frau auf einmal verschwunden, so als hätte sie sich buchstäblich in Luft aufgelöst.
Sie war es!
Es war mir plötzlich eine Gewissheit.
Joannes Rache hatte begonnen!
14
Kaum einem mundete an diesem Morgen das opulente Frühstück, das Charles servierte. Unter den Gästen herrschte eine gereizte Nervosität. Allerhand wohl mehr oder minder haltlose Spekulationen machten die Runde.
Ich erfuhr, dass die Tote – Jennifer Kelvin – Vertreterin eines Kabelsenders war und versuchen wollte, Robert Clayton für einen Auftritt in einer Talk Show zu gewinnen.
Die Polizei tauchte mit mehreren Dienstfahrzeugen auf. Bald wimmelte es nur so von uniformierten Beamten und Spurensicherern.
Ein Inspektor Jellings leitete die Aktion.
Nacheinander wurden die Personalien aller Gäste aufgenommen, wozu sie den Vormittag über im Frühstücksalon ausharren mussten. Die anschließenden Befragungen waren ziemlich langwierig und schienen auch nicht sehr ergiebig zu sein. Es war ein rätselhafter Fall. Das Rätsel bestand für die Polizei vor allem darin, wie der Täter in Miss Kelvins Zimmer gelangt sein konnte, wenn dieses von innen verschlossen gewesen war.
Und für Letzteres gab es ja mehrere Zeugen.
Bis zum Nachmittag waren die meisten der