Jan Gardemann

Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019


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lief Robert mir dann über den Weg.

      Er lachte mich an und meinte anschließend: "Ich hoffe, Sie finden genug, worüber Sie anschließend schreiben können ..."

      "Ich hoffe, Ihnen gefällt auch, was am Ende in der Zeitung steht."

      "Oh, da mache ich mir bei Ihnen keine Sorgen, Patricia."

      "Ach!"

      "Ich kenne Hunderte von Journalisten. Die meisten sind wie die Geier. Nur auf die schnelle Story aus, alles andere ist ihnen egal. Wo diese Bande herumtrampelt, wächst kein Gras mehr. Aber Sie sind anders ..."

      "Das wussten Sie aber nicht im Voraus."

      "Nein", gab er zu.

      "Sie haben jahrelang mit niemandem mehr von der Presse gesprochen. Warum jetzt mit den Express News?"

      Er lächelte und dann holte er mir ein Sektglas, das eine der Bedienungen auf einem Tablett herumtrug.

      Er reichte es mir und hob dabei sein eigenes.

      "Worauf trinken wir?"

      "Ich weiß nicht. Auf Ihr Comeback, Robert?"

      "Wollen Sie mir die Laune verderben, Patricia?"

      "Kein Gedanke!"

      Wir sahen uns an und unsere Blicke verschmolzen miteinander. Dieser Mann faszinierte mich – und das hatte nichts mit dem zu tun, was ich früher für den Popstar gleichen Namens empfunden hatte. Der schien ein anderer Mensch aus einer anderen Welt zu sein. Einer Welt, die die Zeit hinter sich gelassen hatte.

      Unsere Gläser berührten sich mit einem klirrenden Geräusch.

      Ich nippte an dem meinen und fühlte den prickelnden Sekt die Kehle hinunterlaufen.

      In meinem Bauch schien er sich in eine Schar wild gewordener Schmetterlinge zu verwandeln ...

      Ein Chaos von unterschiedlichen Gefühlen tobte in mir und ich wusste noch nicht so recht, welches davon am Ende die Oberhand gewinnen würde.

      Ich blickte auf.

      "Sie haben mir auf meine Frage noch nicht geantwortet", stellte ich fest.

      "Welche Frage?"

      "Im Ablenken sind Sie gut! Sie machen das so charmant, dass man schon beinahe selbst nicht mehr weiß, was man gefragt hat!"

      "Wundert Sie das?", erwiderte er. "Schließlich steht doch alles was ich sage, demnächst in den London Express News – oder zumindest jener Teil, den Sie und Ihre Leser für interessant halten."

      Er lachte kurz auf. Der Klang seiner Stimme war warm und sympathisch und ich fühlte den eigenartigen Zauber, der von diesem Timbre ausging.

      "Also Klartext", sagte er dann. "Sehen Sie, in den vergangen Jahren habe ich mich sozusagen in den Schmollwinkel zurückgezogen, aber es wurde trotzdem über mich geschrieben. Lügen natürlich. Erfundene Geschichten. Ich dachte, ich muss in der Sache mal in die Offensive gehen ..." Sein Lächeln war offen. "Außerdem ...", murmelte er und brach dann ab.

      "Außerdem was?", hakte ich nach.

      "Außerdem hätte ich Sie sonst niemals kennengelernt, Patricia. Und das wäre schade ..."

      7

      Als das Fest schon ziemlich vorangeschritten war, meldete sich auf einmal Ted McRory laut zu Wort. Sein Gang war etwas unsicher geworden, und er leerte sein Sektglas in einem Zug.

      "Ein wunderbares Schloss ist das, in dem du lebst, Robert ... Ein richtiges Geisterschloss ..." Er kicherte sich hinein.

      "Hört alle her!", rief er und tatsächlich verstummten jetzt auch die letzten Anwesenden.

      Jim stand ganz in meiner Nähe. Er trat an mich heran und raunte mir zu: "Was hat der Kerl vor?"

      "Keine Ahnung, Jim!"

      "Ich hoffe, er kriegt sich wieder ein. Er hätte nicht so viel trinken sollen ..."

      Aber McRory dachte noch lange nicht daran aufzuhören. Er hatte gerade erst begonnen.

      "In all den Jahrhunderten haben Generationen von Menschen hier gelebt – und sind gestorben. Manche elendig an der Pest, andere durch Mord und Giftintrige ..." Wieder kicherte er auf eine Weise, die ihn irre erscheinen ließ. Seine Augen flackerten unruhig.

      Er machte eine theatralische Geste.

      "Es müssen Geister hier sein. Überall ... Die düsteren Mauern von Gilford Castle müssen geradezu wimmeln von den Seelen der Verschiedenen ... Und es gibt Methoden jahrhundertealte Methoden! – diese Seelen zum Sprechen zu bringen ..."

      Eine bedeutungsschwangere Pause folgte.

      Vielleicht konnte er inzwischen nicht mehr richtig Schlagzeug spielen, aber seinen Sinn für bühnenreife Auftritte schien er nicht verloren zu haben.

      Der dunkel gekleidete Mann mit dem bleichen Gesicht atmete tief durch.

      Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

      "Eine Geisterbeschwörung! Was haltet ihr davon, Freunde! Zu Ehren unseres werten Freundes, Gastgebers und Schlossherrn!"

      Zustimmendes Gemurmel entstand. Hier und da kam etwas Applaus auf.

      "Toller Gag!", meinte einer und kippte dabei sein halbes Sektglas auf den Boden.

      Robert war zunächst wenig begeistert.

      Aber seine Gäste redeten so lange auf ihn ein, bis er sich schließlich bereit erklärte mitzumachen.

      "Irgendwie haben wir den Zeitpunkt verpasst, an dem wir uns vornehm hätten zurückziehen sollen!", knurrt Jim.

      Eine seltsame Unruhe erfasste mich.

      Eine Ahnung machte sich in mir breit ...

      Irgendetwas wird geschehen!, ging es mir durch den Kopf.

      Etwas Entscheidendes ...

      Ich merkte, das ich zitterte und sah zu, dass ich mein Glas irgendwo abstellte. Von meiner verstorbenen Mutter hatte ich eine leichte übersinnliche Begabung geerbt, die sich in seherischen Träumen, Visionen und Ahnungen manifestierte.

      Ich schluckte.

      Ich hatte auf einmal das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen. Aber ich wusste nicht, was.

      Eine Gefahr!, dachte ich. Unsichtbar schien sie über all dem zu schweben, was hier in den hohen Räumen dieses uralten Schlosses geschah, diesen finsteren Mauern, die den Atem des Verfalls auströmten ... Für einen Moment glaubte ich, ihn förmlich spüren zu können.

      "Patti, was ist los?"

      Wie aus weiter Ferne hörte ich Jims Stimme.

      Ich versuchte ein Lächeln.

      "Nichts", sage ich. "Alles in Ordnung."

      "Du siehst fast so bleich aus wie dieser Ex-Schlagzeuger, der wahrscheinlich so benebelt ist, dass er seine Trommel nicht mehr treffen würde! Selbst die große Bass-Drum!"

      "Ich brauche die geistige Energie von euch allen!", rief McRory. "Konzentriert euch und denkt an die Toten ... Ruft sie mit euren Gedanken!