Jan Gardemann

Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019


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...", stammelte sie.

      Henry of Gilford atmete tief durch. Der Kampf hatte auch ihn mitgenommen. Er stützte sich auf sein Schwert und es dauerte einige Augenblicke, bis er wieder zu Atem gekommen war. Dann nahm er den Helm vom Kopf herunter.

      Joanne näherte sich indessen mit tränenblinden Augen ihrem toten Geliebten.

      Mich hatte er als seine zukünftige Frau erwählt!, ging es ihr bitter durch den Kopf. Mich ... Und nun ... Eine Welt war in ihr zusammengebrochen. Wie ein Wirbelsturm aus heiterem Himmel war diese finstere Horde über ihr Glück hereingebrochen und hatte alles zerstört. Ein Kloß schien ihr im Hals zu stecken. Sie hatte das Gefühl, innerlich tot zu sein.

      Langsam und fast wie in Trance sank sie zu Boden und strich dem toten Sir Wilfried über die Stirn. Tränen rannen ihr dabei über die Wangen. Tiefe Verzweiflung hatte dem Grauen Platz gemacht. Jetzt war ihr alles gleichgültig. Man hatte ihr alles genommen, was ihr wichtig gewesen war. Den Menschen, den sie über alles liebte, ihre Zukunft, ihr ganzes Leben ...

      Wie durch Watte drang die schneidende Stimme Sir Henrys in ihr Bewusstsein.

      "Vergesst diesen Hund!", meinte er. "Er ist es nicht wert, dass Ihr um ihn weint, Lady Joanne!"

      Joannes zarte weiße Haut rötete sich jetzt und verfärbte sich zunehmend dunkel. Tränen des Zorns mischten sich langsam in jene der Trauer. Ein hasserfülltes Funkeln blitzte in ihren feuchten Augen, die jetzt zu schmalen Schlitzen wurden.

      Auf Sir Henrys Gesicht hingegen erschien ein breites Grinsen.

      "Ihr gehört jetzt mir, Lady Joanne! So war es wohl von Anfang an bestimmt, auch wenn Ihr das nicht erkannt habt!"

      Er trat auf sie zu, wollte nach ihrer Hand fassen, um sie zu sich hinaufzuziehen, doch sie sprang auf und wich entsetzt vor ihm zurück.

      "Niemals!", rief sie.

      "Ihr werdet schon merken, was das Beste ist, Lady Joanne!"

      "Wie konntet Ihr das nur tun!", stieß Joanne hervor und ihre Hand deutete dabei zunächst auf den toten Wilfried of Mornsley und dann auf die brennenden Gebäude.

      Sir Henry sah sie etwas verständnislos an.

      "Um Euretwillen! Ich konnte es nicht ertragen, Euch in den Armen dieses Mornsley zu wissen ... Aber damit ist es nun vorbei. Rechtzeitig, bevor Ihr ihm vor Gott Euer Versprechen geben konntet! Ein unheiliger Bund wäre das geworden!"

      "Ach!"

      "Nun kommt!"

      "Niemals!"

      "So ergreift sie!"

      Joanne war keine zwei Schritte weit gelaufen, da wurde sie von grob zupackenden Händen gefasst. Sir Henrys Schergen waren es, die sie in ihre Mitte nahmen. Ihre Griffe waren so fest wie Schraubstöcke und so sehr Joanne auch versuchte, sich zu befreien – sie hatte nicht den Hauch einer Chance. Ihr Atem ging schnell, der Puls raste.

      Und der Hass stieg in ihr auf.

      Unsäglicher Hass auf jenen Mann, der ihr das angetan hatte.

      "Ich verfluche Euch, Sir Henry! Ich verfluche Euch, auf dass Ihr niemals Ruhe finden werdet und der Schatten Eurer Tat Euch über den Abgrund des Todes hinweg verfolgen möge! Selbst das Gericht der Hölle wäre zu milde für Euch!"

      Ihre Augen waren dabei weit hervorgetreten und die beinahe unheimliche Inbrunst, mit der sie gesprochen hatte, hatte ihre Wirkung nicht verfehlt.

      Es herrschte Schweigen.

      Nur das Knistern der Flammen und der schauerlich heulende Wind waren zu hören.

      Und Sir Henrys Gesicht war bleich wie der Tod.

      Der dünnlippige Mund verzog sich zu einer nach unten gebogenen Linie, bevor er dann hervorzischte: "Schafft sie weg, die Hexe!"

      2

      650 Jahre später ...

      "Du weißt nicht mehr, wer Robert Clayton ist?", stieß ich erstaunt hervor und sah Tante Lizzy dabei mit großen Augen an.

      Sie zuckte die Achseln.

      "Ich kann mich nicht erinnern."

      "Nicht an die Poster, die ich mit fünfzehn im Zimmer hängen hatte?"

      Sie sah mich an und dann schien es ihr zu dämmern. "Oh mein Gott!", stieß sie hervor. "Dieser langhaarige Rocksänger!"

      "Na ja, die Mode hat sich inzwischen geändert. Seine Haare sind kürzer geworden!"

      Tante Lizzy atmete tief durch. "So, und über den sollst du eine Home Story für die Express News machen?"

      "Ja. In den letzten Jahren hat Clayton keine neuen Platten mehr aufgenommen und ist auch nicht mehr aufgetreten. Er lebt zurückgezogen auf einem Schloss in der Grafschaft Kent, das er sich von seinen Plattenmillionen erworben hat. Gilford Castle heißt es." Ich seufzte und ein versonnenes Lächeln spielte um meine Lippen. "Weißt du, die Aussicht, einem Idol meiner Jugend in Kürze zu begegnen, ist schon etwas merkwürdig!"

      "Du redest wie eine alte Frau, Patti!"

      Ich zuckte die Achseln. "Fünfzehn oder sechsundzwanzig – das ist doch schon ein kleiner Unterschied, oder?"

      "Sicher ..."

      "Hättest du mir damals gestattet, auf Claytons Konzert zu gehen, wäre ich sicher auch kreischend in Ohnmacht gefallen!"

      "Ich fand, dass du damals zu jung dafür warst!"

      Ich machte eine wegwerfende Handbewegung und erwiderte: "Die Mädchen, die heute in Konzerten von Caught in the Act vor lauter Hyperventilation beim Kreischen in Ohnmacht fallen, sind nicht mal dreizehn ..."

      "... und ihre armen Eltern müssen sie wahrscheinlich begleiten und sich das Gedudel auch anhören. Vorausgesetzt, von dem Gesang ist vor lauter kreischenden Fans überhaupt noch etwas zu hören."

      Wir lachten beide.

      Meine Eltern waren früh verstorben und meine Großtante Elizabeth Vanhelsing – Tante Lizzy, wie ich sie nannte – hatte mich bei sich aufgenommen wie eine eigene Tochter. Ich lebte auch jetzt noch in ihrer verwinkelten viktorianischen Villa, in der ich das Obergeschoss für mich hatte. Der untere (und größere) Teil der Villa gehörte Tante Lizzy und sie hatte daraus im Laufe der Jahre eine Art Privatarchiv für Okkultismus und übersinnliche Phänomene gemacht, in dem sie alle möglichen Schriften, Presseartikel und Gegenstände aus diesem Bereich gesammelt hatte. Zusammen mit der Sammlung archäologischer Fundstücke, die ihr verschollener Mann Frederik ihr hinterlassen hatte, der von einer Forschungsreise nach Südamerika nicht zurückgekehrt war, ergab das ein ganz besonderes Panoptikum.

      Aber wir teilten nicht nur diese Villa und eine Reihe ganz entscheidender Jahre meines Lebens miteinander, sondern auch das Interesse am Übersinnlichen. Oft genug hatte ich als Reporterin der London Express News über Ereignisse berichtet, die mit solchen Phänomenen in Zusammenhang standen.

      Und häufig hatte Tante Lizzy mir dann bei Recherchen beigestanden. In ihrem Archiv schlummerte so manches Geheimnis.

      Mein Name ist Patricia Vanhelsing und – ja, ich bin tatsächlich mit dem berühmten Vampirjäger gleichen Namens verwandt. Weshalb unser Zweig