Jan Gardemann

Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019


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oder so etwas!"

      "Jim!", sagte ich tadelnd. "Ich hätte nie gedacht, dass du so gehässig sein kannst!"

      Er machte eine wegwerfende Geste.

      "So ist das Leben", meinte er augenzwinkernd. "Es macht einen hart und verhärmt."

      Ich legte die Handtasche ab, zog die Jacke aus und stemmte dann die Hände in die Hüften. "Ja, und ein erfolgreicher Starfotograf gehört auch wirklich zu den vom Schicksal Gebeutelten!"

      "Na ja ...", meinte er und in seinen blauen Augen blitzte es schelmisch. "Wenn er in der traurigen Gewissheit leben muss, dass seine Lieblingskollegin ihn wohl niemals erhören wird!"

      "Du Ärmster!", erwiderte ich und wir lachten beide.

      Jim war insgeheim immer ein bisschen in mich verliebt gewesen, aber ich hatte das nie erwidert. Wir waren im selben Alter und seine jungenhafte, witzige Art machte ihn zu einem äußerst sympathischen Kollegen und guten Freund. Aber er war einfach nicht die Art Mann, von dem ich träumte. Und er wusste das auch. Trotzdem nahm er immer wieder mal die Gelegenheit wahr, es doch noch einmal zu versuchen.

      "Ich weiß ein todsicheres Rezept gegen solchen Kummer!", erklärte ich.

      "Ach! Und das wäre? Sag jetzt nicht kalt duschen. Das habe ich schon probiert und es funktioniert nicht!"

      "Arbeit!", erklärte ich. "Wir haben mehr als genug davon, also stürzen wir uns hinein. Schließlich können wir nicht so ganz unvorbereitet bei Robert Clayton auftauchen ..."

      4

      Gilford Castle lag in der Nähe der Autobahn, die von London Richtung Dover führte. Sanfte Hügel, saftige Weiden und hin und wieder ein Waldstück umgaben den Herrensitz, der herrschaftlich auf einer Anhöhe lag.

      Die Mauern waren hoch und wuchtig. Beinahe wirkten sie etwas einschüchternd und abweisend. Rankpflanzen hatten sich am Mauerwerk festgesetzt und manche Stücke völlig überwuchert. Anderswo waren die Steinquader so blank und nackt, als ob das Lebendige diese Bereiche zu meiden schien.

      Ich fuhr den roten Mercedes 190 in den großen Burghof, in dem bereits mehrere andere Fahrzeuge unterschiedlichster Qualität abgestellt waren.

      Wir stiegen aus.

      Es war geplant, dass wir ein oder zwei Nächte hierblieben.

      Gilford Castle hatte Räumlichkeiten genug dafür, um jede Menge Gäste zu beherbergen.

      "Lassen wir unser Gepäck erstmal im Wagen!", meinte ich.

      "Nichts dagegen!", erwiderte Jim, der bereits fleißig damit beschäftigt war, Fotos zu schießen. Immer wieder klickte sein Apparat. "Eine fantastische Kulisse", meinte er. Und dann fiel sein Blick auf eine eigenartige Statue.

      Eigenartig war sie deshalb, weil sie einen Römer mit Speer, Helm und Tunika darstellte, der sich vom Stil her so gar nicht in das eher mittelalterliche Gepräge einfügen wollte.

      "Wer hat den denn da hingestellt!", meinte Jim kopfschüttelnd. "Jedenfalls wohl nicht die normannischen Ritter, die hier einst Hof gehalten haben dürften!"

      Ich zuckte die Schultern.

      "Wer weiß, wer hier über all die Jahrhunderte hinweg residiert hat und seinen persönlichen Geschmack mit einzubringen versucht hat ..."

      "Ich zum Beispiel!", rief eine Stimme von dem hohen Treppenportal herab, das zum Eingang des Haupthauses führte.

      Wir drehten uns beide herum und erblickten einen hochgewachsenen, breitschultrigen Mann in dunklem Hemd und dunkler Hose. Sein Gesicht war fein geschnitten, die Wangenknochen hoch und auf seinen Lippen lag ein charmantes, gewinnendes Lächeln.

      Ein Lächeln, das ich von meinen alten Postern her noch gut kannte.

      Robert Clayton!

      Ich dachte daran, wie sehr ich mir als junges Mädchen gewünscht hätte, ihm so nahe zu sein, wie es jetzt der Fall war, ihm sogar die Hand zu geben ...

      Mein Gott!

      Inzwischen stand ich natürlich über den Dingen. Zumindest hatte ich mir das eingeredet.

      Als er zu uns herabgekommen war und uns die Hand gegeben hatte, musste Jim uns vorstellen. Mir saß einfach ein Kloß im Hals und ich war einige Augenblicke lang unfähig,etwas zu sagen.

      Er hatte sich verändert.

      Irgendwie schien er mir reifer geworden zu sein, als er auf den Postern gewirkt hatte. Die Haare waren kürzer und das Gesicht war markanter geworden. Nur die Augen und das Lächeln waren geblieben.

      Wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich ihm hier begegnen würde – vielleicht hätte ich ihn überhaupt nicht erkannt!, ging es mir durch den Kopf.

      "Nennen Sie mich Robert", sagte er freundlich. "Das machen alle hier ..."

      "Alle?", echote ich etwas verständnislos.

      "Ja, es sind immer eine Menge Leute hier auf Gilford Castle."

      Sein Lächeln bekam etwas Schelmisches. "Und was den Römer dort angeht, den habe ich anfertigen lassen ..."

      "Oh ..."

      "Sie halten mich jetzt für einen Banausen, was, Patricia?"

      "Nun ..."

      "Mein Respekt vor diesen alten Mauern hält sich in engen Grenzen. Es ist einfach ein Haus und viele derjenigen, die hier vor mir gelebt haben, haben das ähnlich gesehen ..." Er sah mich an. Der ruhige Blick seiner braunen Augen musterte mich einen Moment. Dann meinte er: "Haben Sie Gepäck?"

      "Im Wagen."

      "Charles, der Butler kann sich darum kümmern. Geben Sie ihm einfach den Schlüssel. Er wird Ihnen auch Ihre Zimmer zeigen ..."

      "Haben Sie vielen Dank!", meinte Jim.

      Und ich sagte: "So, einen Butler haben Sie auch?"

      "Ich habe ihn vom Vorbesitzer übernommen und es nicht fertiggebracht, ihn zu entlassen."

      "Ist schon erstaunlich ... Ein Rocker, der wie ein Landlord lebt ..."

      Robert lachte auf.

      "Ich habe seit fünf Jahren keine Gitarre mehr angefasst, geschweige denn einen Ton gesungen."

      "Warum eigentlich nicht?", fragte ich.

      Seine Stirn umwölkte sich leicht, und ich war mir nicht klar darüber, ob ich nicht vielleicht einen Fehler gemacht hatte, ihn das jetzt so unvermittelt zu fragen. Ich schien einen wunden Punkt berührt zu haben.

      Sein Lächeln wirkte jetzt etwas gezwungen.

      "Eine Frage, die ich mir auch oft gestellt habe!", sagte er dann und seufzte dabei, so als würde er eine schwere, wenngleich unsichtbare Last auf dem Rücken spüren.

      "Haben Sie eine Antwort darauf gefunden?", hakte ich nach.

      Ich musste es einfach wissen. Ich musste wissen, warum das Idol meiner Jugend es plötzlich vorgezogen hatte, ein ganz normaler Mann zu sein.

      Er zuckte die Achseln.

      "Wir waren alle sehr jung damals in der Band. Und der Erfolg war so überwältigend,