Jan Gardemann

Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019


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sinnlose Worte kamen über McRorys Lippen und die Anwesenden, die das Ganze für eine Alberei hielten, versuchten, diese archaisch klingenden Silben nachzusprechen ... Ich schluckte.

      Denn manche dieser Silben erkannte ich wieder.

      Sie waren Bestandteil verschiedener magischer Rituale, die in einem Buch mit dem Titel 'Absonderliche Kulte' beschrieben wurden, das um die Jahrhundertwende von einem gewissen Hermann von Schlichten verfasst worden war. Tante Lizzy besaß eines der wenigen, raren Exemplare ... Und ich wusste aus eigener Erfahrung nur zu gut, das nicht alles, was dort zu finden war, nur als reiner Hokuspokus bezeichnet werden konnte ...

      Mit offenem Mund sah ich dieser Szene zu, sah wie sich die fröhliche Partygesellschaft in eine eigenartige spiritistische Sitzung verwandelte ...

      Immer wieder wurden dieselben geheimnisvollen Silben wiederholt, sodass sich beinahe eine hypnotische Wirkung einstellte.

      Die Gäste hatten einen Riesenspaß.

      In meinen Augen nahm das Ganze jetzt mehr und mehr Züge eines Alptraums an.

      Es wird etwas geschehen!

      Der Gedanke ließ mich nicht los. Ich fühlte, wie sich mein Puls beschleunigte.

      McRory hob die Hände und die Gäste im Saal folgten seinem Beispiel. Der Singsang wurde schriller und krächzender.

      Stimmen überschlugen sich und es entstand ein geradezu ohrenbetäubender Lärm.

      Und dann entstand mitten im Raum, etwa einen Meter über den Köpfen der Anwesenden ein grelles Leuchten, das für einen Moment alle blendete.

      Der Singsang verstummte, und ein Raunen ging durch die Schar der Gäste. Sie standen mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Gesichtern da und staunten. Aber manche von ihnen hielten auch das noch für einen Gag. Irgendeine Art von Zaubertrick, der effektvoll in Szene gesetzt worden war.

      Ich hörte verschiedentlich Gelächter.

      Kaltes Grausen überkam mich und ich fühlte, wie eine Gänsehaut meine Unterarme überzog, die das lindgrüne Kleid freiließ.

      Nein, dies war kein Trick.

      Das spürte ich sofort.

      Einen Augenblick lang glaubte ich sogar, die mentale Energie spüren zu können, die von dieser Erscheinung ausging.

      "Was ist das, Patti?", wisperte Jim neben mir.

      "Wenn ich das wüsste!", murmelte ich. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich das Entsetzen, dass in Ted McRorys totenbleichem Gesicht geschrieben stand. Ganz offensichtlich hatte er selbst keineswegs mit dem gerechnet, was hier vor seinen Augen geschah ...

      Es sollte nur ein Witz sein ...

      Ein Gag ...

      Das Leuchten pulsierte und wurde dann schwächer.

      Vor unseren Augen bildete sich dann die durchsichtige Gestalt einer Frau. Sie schwebte dort, wo zuvor die Lichterscheinung gewesen war, und veränderte auch nicht ihren Standort. Ihr Haar war strohblond, das Gesicht fein geschnitten und ihre hohen Wangenknochen gaben ihr einen vornehmen Ausdruck.

      Aber ihre Augen ...

      Ich musste unwillkürlich schlucken, als ich den abgrundtiefen Hass sah, der aus diesen Augen hervorzuspringen schien ...

      Suchend schweifte ihr Blick über die schweigende Party-Schar.

      Keiner lachte jetzt noch.

      Und niemand kicherte, nicht einmal McRory, der bis zur Wand zurückgewichen war.

      Der grausame Blick dieser jungen Frau glitt forschend von einem zum anderen. Alle, die sich an diesem Abend auf Gilford Castle befanden, schien sie einer eingehenden Musterung zu unterziehen. Und dann hatte sie Robert Clayton gefunden ...

      Sie schwebte auf ihn zu.

      Robert runzelte die Stirn.

      Sein Gesicht drückte eher Unverständnis und Verwunderung als Furcht aus.

      Die Frau streckte den Arm aus und deutete auf den Ex-Musiker. Ihr Gesicht verzog sich zu einer hasserfüllten Grimasse.

      Und dann erscholl die Stimme.

      Anders konnte man es nicht bezeichnen.

      Die Frau bewegte nicht die Lippen. Ihr Gesicht blieb eine Maske. Und doch sprach sie in gewisser Weise. Ihre Worte waren in unseren Köpfen zu hören. Es war eine Gedankenstimme und überall drehten sich Gäste zueinander, sahen sich fragend an und stellten fest, dass sie alle diese fremden Gedanken hören konnten.

      Spätestens jetzt musste jedem klar sein, dass dies mit einem Trick nicht mehr das Geringste zu tun haben konnte. Dies war eine Botschaft aus dem Reich des Übersinnlichen ...

      8

      "Erinnert Ihr Euch nicht an mich, Sir Henry of Gilford?", rief die Stimme auf eine Weise, die alle Anwesenden zutiefst erschauern ließ.

      Vor allem natürlich Robert.

      Ich sah, wie er schluckte und etwas hilflos dreinblickte.

      Die Gedankenstimme fuhr indessen fort.

      "Oder habt ihr mich vergessen? Mich – Joanne, deren Leben Ihr zerstört habt, die Euch verfluchte und die Ihr dafür als Hexe angeklagt und auf den Scheiterhaufen gebracht habt!"

      Robert zuckte die Schultern.

      Er drehte sich um, so als könnte jemand anderes gemeint sein. Aber diese geheimnisvolle Erscheinung, die sich Joanne nannte, hatte es zweifellos auf ihn abgesehen. Ein schauderhaftes Lachen ertönte oder besser gesagt: Es hallte in unseren Köpfen wider. Von unseren Ohren war es nicht wahrnehmbar.

      Hass, Verzweiflung und ein Dutzend anderer düsterer Empfindungen schwangen in diesem schauderhaften Lachen mit und je länger es andauerte, desto schriller wurde es. Am Schluss klang es beinahe wie das Geräusch eines wilden Tieres ...

      Joannes Blick, mit dem sie Robert jetzt fixierte, war eisig.

      "Ich habe Euch verflucht, Sir Henry! Euch und Eure Seele über die Abgründe des Todes und der Jahrhunderte hinweg ... Ihr könnt mir nicht entkommen ... Meiner Rache entgeht Ihr nicht ... Ihr nicht, Sir Henry of Gilford, und auch all jene nicht, die dieses verfluchte Schloss betreten!"

      Ein Schwall unausprechlicher Verwünschungen kam über das Gesicht der hübschen Frau, deren Erscheinung immer blasser und blasser wurde, ehe sie schließlich völlig verschwand und sich buchstäblich in nichts auflöste.

      Schweigen herrschte dann einige Augenblicke lang.

      Man hätte in diesem Moment eine Stecknadel im Saal fallen hören können. Niemand wagte es, den Mund aufzumachen oder auch nur heftig zu atmen.

      Die Blicke waren auf Robert gerichtet.

      Es war ihm anzusehen, dass er sich in seiner Haut nicht wohlfühlte und gleichzeitig nicht so recht zu wissen schien, wie er das so eben gesehene einzuordnen hatte.

      Er schien unsicher zu sein.

      Er griff zum Glas und meinte: "Eine gelungene Überraschung meines alten Band-Kollegen Ted McRory!"

      Aber