Fort Wingate herum hatte sich eine kleine Ansiedlung gebildet. Hier lebten Handwerker, es gab einen Store, einen Saloon, ein Hotel und einen Mietstall. Sogar eine kleine Kirche mit einem Glockenturm hatten die Menschen, die hier lebten, errichtet.
Es war ein sonniger Tag im März. Nach der Schneeschmelze begann der Boden zu trocknen. In der kleinen Ortschaft, die ebenfalls Fort Wingate genannt wurde, herrschte Alltag. Einige Indianer drückten sich herum. Sie hatten sich Decken über die Schultern gehängt und frönten dem Nichtstun. In den Schatten lagen Hunde. Das Tor des Forts stand offen. Eine Gruppe Soldaten marschierte im Gleichschritt über den Exerzierplatz. Befehle erschallten. Bei einem der Magazine wurde ein flacher Wagen mit Kisten beladen. Das Sternenbanner hing am hohen Fahnenmast und bewegte sich träge im lauen Wind. Irgendwo ertönte Hämmern. Ein Kind schrie ...
Die Wilburns und ihr Anhang ritten zum Mietstall, saßen im Wagen- und Abstellhof ab und führten ihre Pferde in den Stall. Der Stallmann verließ den Verschlag, der ihm als Aufenthaltsraum und Stall Office diente. »Guten Tag, Gentlemen. Woher des Wegs? Es kommen selten Fremde nach Fort Wingate. Hier oben liegt der Hund begraben. Werden Sie länger bleiben?«
»Wir suchen einen Mann namens Whitlock«, sagte Scott Wilburn. »Er ist Lieutenant bei unserer glorreichen Armee und in Fort Wingate stationiert.«
»Tyler Whitlock.« Der Stallmann nickte. »Eine ziemlich schillernde Figur. Bekannt wie ein bunter Hund. Hat eine ganze Patrouille verloren und sollte vor das Militärgericht gestellt werden. Aber dann hat man davon abgesehen und ihm sogar das Kommando über die Deportation Victorios und seiner Renegaten nach Tularosa übertragen.«
Scott Wilburns Stirn legte sich in Falten. »Heißt das, dass Whitlock gar nicht in Fort Wingate anzutreffen ist?«
»Das heißt es. Der Zug ist vor vier Tagen aufgebrochen. Eine Eskorte von zwanzig Soldaten begleitet die Apachen.» Der Stallmann hob die Schultern an. »Ist schon verwunderlich, dass Victorio Straffreiheit zugesichert wurde, nach allem, was er verbrochen hat. Er ist ein verdammter Mörder. Jeden Weißen, der soviel Dreck am Stecken hat wie er, würde man kurzerhand aufknüpfen.«
»Das ist eben die Gerechtigkeit in unserem Lande«, stieß Lester Wilburn hervor. »Vor vier Tagen sind sie aufgebrochen, sagst du.«
Der Stallmann nickte. »Mit den Fuhrwerken kommen sie sicher nicht schnell vorwärts. Ich denke, sie sind dreißig bis fünfunddreißig Meilen vom Fort entfernt.«
»Wir könnten sie innerhalb von zwei Tagen einholen«, knurrte Scott Wilburn.
Lester Wilburn schüttelte den Kopf. »Und hätten zwanzig Kavalleristen gegen uns. Viele Hunde sind des Hasen Tod. Nein. Wir kehren in etwa einem Monat wieder hierher zurück. Und dann warten wir auf Whitlock.«
»Und was tun wir einen ganzen Monat lang?«
»Wir gehen nach Gallup.« Lester Wilburn reichte dem Stallmann die Zügel seines Pferdes. »Diese Nacht jedoch bleiben wir in Fort Wingate. Gibt es in diesem Nest ein Gesetz?«
»Nein. Die Bürgerschaft steht unter dem Schutz der Armee. Sie sorgt hier für Ruhe und Ordnung. Warum suchen Sie denn Whitlock? Haben Sie eine Rechnung mit ihm zu begleichen?«
»Sei nicht so neugierig, mein Freund«, knurrte Scott Wilburn.
Der Stallmann zuckte mit den Schultern und schwieg.
Die Kerle zogen ihre Gewehre aus den Scabbards, dann verließen sie den Stall. Mit gemischten Gefühlen blickte der Stallmann hinter ihnen her. Er ahnte, dass ein Rudel zweibeiniger Wölfe nach Fort Wingate gekommen war.
Es ging auf den Abend zu. Immer wieder verschwand die Sonne hinter Wolken und die Schatten lösten sich auf. Hier und dort war durch ein Loch in der Wolkendecke der blaue Himmel zu sehen. Es war warm.
Der Stallmann versorgte die Tiere der Banditen. Wie jeder im Fort und in der Ansiedlung kannte er die Geschichte Tyler Whitlocks. Und er ahnte, wer die Kerle waren, die ins Fort gekommen waren. Der Name Scott Wilburn, der eine gewichtige Rolle in Whitlocks Geschichte gespielt hatte, war hier kein Unbekannter. Und der Stallmann war davon überzeugt, dass es sich bei einem der Kerle um diesen Banditen handelte. Er fühlte sich verpflichtet, dem Kommandanten des Forts in Kenntnis zu setzen.
Und zwanzig Minuten später wusste Colonel McIntosh Bescheid. Er berief sofort seine Kompanieführer zu einer Beratung ein. »Das würde bedeuten«, sagte der Colonel, »dass dieser Wilburn in Fort Bliss aus dem Gefängnis ausgebrochen ist oder befreit wurde. Der Schuft hat eine Reihe von Verbrechen gegen die Armee und die Apachen begangen.«
»Setzen wir die Kerle fest und benachrichtigen wir den U.S. Marshal in Albuquerque«, schlug einer der Offiziere, die sich eingefunden hatten, vor. »Damit wäre das Problem gelöst.«
»Deswegen habe ich Sie zu mir gebeten, Gentlemen. Wer übernimmt es, die Kerle festzunehmen?«
»Ich werde First Sergeant Howard beauftragen«, sagte ein Lieutenant Colonel. »Er ist Führer der zweiten Gruppe des dritten Zuges. Ein Mann aus Eisen. Er kämpfte schon gegen Cochise.«
»Melden Sie mir Vollzug, wenn die Kerle auf Nummer sicher sind, Lieutenant Colonel«, gebot McIntosh. Dann lachte er gallig auf. »Woher nehmen Männer wie dieser Wilburn nur die Stirn, sich mit der Armee anzulegen. Ist es Dummheit, oder Arroganz, oder liegt es ganz einfach im Naturell dieser Spezies, gegen die Strömung zu schwimmen, egal, wie reißend sie ist.«
»Wilburn treibt nach allem, was wir wissen, der Hass«, antwortete der Lieutenant Colonel. »Hass aber macht bekanntlich blind und führt in die Hölle. Wilburn und seine Kumpane werden es zu spüren kriegen.«
*
Es war finster. Im Saloon brannten die Laternen. Einige Soldaten aus dem Fort saßen an den Tischen. Es waren aber auch einige Männer aus der Ansiedlung anwesend. Niemand kümmerte sich um die sechs abgerissenen Kerle, die es sich an zwei der kleinen, runden Tische bequem gemacht hatten.
Zunächst hatten sie Aufmerksamkeit erregt. Jeder, der sie sah, wusste, dass es sich um ein Rudel von Sattelstrolchen oder Banditen handelte. Aber sie verhielten sich ruhig und so verlor man schnell das Interesse an ihnen.
Sie tranken Bier und Whisky und rauchten. Um sie herum war Stimmengewirr, Gelächter, das Scharren von Stuhlbeinen, Geflüster und Geraune.
Der Saloon verfügte über eine Hintertür, durch die man in einen kleinen Hof gelangte, auf dem ein Pferdestall und das Toilettenhäuschen errichtet worden waren. Durch diese Hintertür traten jetzt nacheinander fünf Soldaten. Sie hielten die Gewehre an den Hüften im Anschlag und verteilten sich am Tresen sowie an der Längswand.
»Verdammt!«, zischte Scott Wilburn und seine Hand zuckte wie automatisch zum Gewehr, das am Tisch lehnte.
Da kamen auch durch die Vordertür einige Soldaten herein, ebenfalls die Karabiner im Anschlag, mit verkniffenen Gesichtern und kalter Entschlossenheit in den Augen.
Wilburn sprang auf. »Das gilt uns!«, knirschte er.
Lester Wilburn kam ebenfalls hoch. Er riss das Gewehr an sich, repetierte und begann sofort zu feuern. Es bedurfte keiner Fragen. Die Banditen handelten wie in die Enge gedrängte Raubtiere und bissen rücksichtslos um sich. Aber auch die Soldaten zögerten nicht. Das Krachen der Gewehre verschmolz ineinander und betäubte die Ohren.
John Hooker schien zu wachsen, stand sekundenlang auf den Zehenspitzen, dann brach er zusammen und fiel mit dem Oberkörper auf den Tisch. Glas klirrte. Die Flasche Whisky rollte über den Boden.
Rich Kemble drehte sich halb um seine Achse, sein Kinn sank auf die Brust, er ließ den Revolver, den er gezogen hatte, fallen und verkrampfte beide Hände vor der Brust. Dann brach auch er zusammen.
Die Soldaten mussten Rücksicht auf die unbeteiligten Männer im Saloon nehmen. Die Banditen jedoch gingen rücksichtslos vor. Sie feuerten blindlings in die Runde und rannten zum Ausgang. Das