in der Organisation sehr maßgeblich durch diese aufbaustrukturellen Faktoren bestimmt. Profis – egal ob auf Mitarbeiter- oder Führungsebene – akzeptieren in der Regel die ihnen zugewiesenen Rollen. Im Alltag trägt das über weite Strecken ganz gut. Nur paranoide und sehr schwache Manager sorgen sich ständig um ihren Stand im sozialen Gefüge. Hilfreich ist es freilich, wenn sowohl die Führungskraft als auch die Mitarbeiter ein klares Verständnis von ihren jeweiligen Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten haben. Man weiß dann, was man voneinander zu erwarten hat und muss dies nicht laufend neu aushandeln.
Positionsmacht ist wichtig…
Auch organisatorisch verankerte Führungspositionen können aber kippen! Wer zu viel Unmut der Mitarbeiter, Chefs oder Kollegen auf sich zieht, wird früher oder später in Frage gestellt. Liegt dies an Mängeln im Bereich der personen- oder sachbezogenen Führung und lassen sich diese klar aufzeigen, handelt es sich eigentlich um einen ganz normalen Fall von Minderleistung. Man erfährt, was im Argen liegt, und hat die Chance, sein Verhalten entsprechend anzupassen. Fühlen sich z. B. Mitarbeiter überhaupt nicht angesprochen und abgeholt, so geht dies in aller Regel auch mit vernachlässigten Führungsaufgaben einher. Da aber vielerorts gar nicht klar definiert ist, was gute Führungsleistung und angemessenes Führungsverhalten genau beinhalten, ist dies eher die Ausnahme. In den allermeisten Fällen, in denen es Führungskräften an den Kragen geht, liegt die Ursache anderswo. Zu denken ist hier z. B. an betriebliche Umstrukturierungen, die mit einer Reduktion der Führungspositionen einhergehen, oft begleitet durch mehr oder weniger überzeugende neue Kompetenzmodelle. In anderen Fällen entwickeln Vorgesetzte einen diffusen Unmut gegen eine Führungskraft, der sich bei irgendeinem Anlass in einen Austauschwunsch steigert. Gefährlich sind auch Intrigen seitens der Mitarbeitenden oder Kollegen, die Mobbingcharakter annehmen und auf einen Führungswechsel abzielen. All dies ist im Vorhinein nur schwer zu abzusehen und wird oft erst erkannt, wenn es zu spät ist. Aus diesem Grunde sind Machtsicherung und Mikropolitik untrennbar mit jeder Führungsposition verbunden.
…, sie trägt aber nicht unbegrenzt.
Mikropolitik und Machtsicherung
Mikropolitik bezeichnet das Arsenal alltäglicher Techniken, mit denen Macht auf gebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen36. Sie erzeugt Reibung und kann die Organisationseinheit vom eigentlichen Unternehmenszweck wegführen. Zugleich erfüllt sie aber eine wichtige dynamisierende und flexibilisierende Funktion, da sie Formalregelungen ergänzen, die weder jedes Detail abdecken noch ewig Bestand haben können37. Mikropolitik ganz aus Organisationen zu verbannen, ist daher nicht nur unrealistisch, sondern auch gar nicht wünschenswert. Tabelle 4 gibt einen Überblick über einschlägige Taktiken.
Für die Führungskraft ist Mikropolitik vor allem eine Aufgabe des Selbstmanagements. Sie muss über politische Kompetenz verfügen, sowohl im Interesse der eigenen Karriereentwicklung als auch im Interesse der zu lösenden Sachfragen. Auch wenn man es sich wünschen mag: Es geht eben nicht nur um gute Führungsarbeit und untadeliges Verhalten, sondern auch um innerbetriebliche Konflikt- und Konkurrenzsituationen. Das beste Führungskonzept nützt Ihnen gar nichts, wenn man Ihnen mit Ihrem Job auch die Möglichkeit nimmt, es umzusetzen. Ohne mikropolitische Strategien hält sich niemand lange in einer Führungsposition. Machtsicherung und Mikropolitik sind also untrennbar mit jeder Führungsposition verbunden und beanspruchen nicht unerheblich viel Zeit und Energie der Führungskräfte. Es ist ein klassischer Fehler von Teilzeitführenden und privat stark belasteten, sich wegen der begrenzten Arbeitszeit nur noch um inhaltliche Dinge zu kümmern. Sie gehören aber zwingend dazu. Fast jede Führungskraft hat daher schon entsprechende Ratgeber gelesen, seien es klassische Werke z. B. von Sun Tzu, Machiavelli und Carnegie oder moderne Managementbücher von Kotter und Greene. Nicht wenige lassen sich diesbezüglich auch systematisch coachen und beraten. Praxistipps für die mikropolitische Arena finden Sie in Tabelle 4. Als Führungskraft müssen Sie die üblichen Spielchen kennen und selbst beherrschen. Vergessen Sie aber nicht: Mikropolitik ist nicht Ihr Hauptjob, sondern nur die Voraussetzung dafür, dass Sie ihn machen können.
Mikropolitisches Geschick ist unabdingbar.
Mikropolitik ist aber auch eine Aufgabe der Mitarbeiterführung. Dies zum einen deshalb, weil das Management der Beziehungen und Konflikte eine Führungsaufgabe ist, bei der die übergeordneten Instanzen in der kompensatorischen Verantwortung stehen (Kapitel 10). Statt eine Laissez-faire-Linie zu verfolgen, müssen Sie für die Bündelung der Energien auf gemeinsame Ziele sorgen und unfaire mikropolitische Spielchen unterbinden. Zum anderen ist machtpolitisches Vorgehen umso erforderlicher, je weniger Gewissheiten, d. h. je weniger organisatorische Regelungen bestehen38. In solchen Fällen vervielfachen sich die mikropolitischen Aktivitäten der Beteiligten. Es ist daher an der Führungskraft, auf klare Aufgabenzuordnungen, wohldefinierte Prozesse und explizite Verhaltensregeln sowie Eskalationswege für Konflikte zu dringen. Ansonsten füllen Machtkämpfe das Vakuum und die Mitarbeiter verbringen früher oder später einen Großteil ihrer Zeit damit, sich gegen Angriffe abzusichern, mögliche Gegner zu neutralisieren und ihrerseits bewusste Übergriffe auf fremde Territorien zu unternehmen. Auch wenn selbst bei optimaler Organisation immer ein Restbedarf an Mikropolitik besteht: Ohne Regeln und Schiedsrichter wird aus jedem Spielfeld ein Kampfplatz.
Stress lass nach
Der Beruf der Führungskraft kann stressig sein, oft über weite Strecken. Dabei verstehe ich unter Stress einen negativen Spannungszustand, der mit Kontrollverlust assoziiert ist39. Zum einen entspricht dies dem normalen Sprachgebrauch, denn wer über positiven Stress redet, sagt dies fast immer dazu. Zum anderen beinhaltet dieses Begriffsverständnis bereits die entscheidende Gegenmaßnahme: Kontrolle zurückgewinnen. Stress kann zum einen aus schierer Überlastung resultieren. Die Übernahme einer chaotischen Abteilung oder einer sehr herausfordernden Belegschaft bedeuten zu Beginn meist sehr viel Arbeit. Eigentlich sollten Organisationen so flexibel sein, solche Phasen mit Zusatzressourcen zu unterstützen. Beispielsweise können externe Berater Teilprojekte übernehmen oder erfahrene Mitarbeiter anderer Bereiche das Team und seine Leitung zeitweilig unterstützen. Da aber die wenigsten Organisationen eine klare Vorstellung davon haben, was die Führungstätigkeit genau beinhaltet und sie daher auch die erforderlichen Zeitressourcen nicht präzise abschätzen können, wird das Problem in aller Regel individualisiert. Mit anderen Worten: Die Führungskraft puffert den Zusatzaufwand durch Arbeitszeitverdichtung und –verlängerung ab. Man rennt den ganzen Tag von einer Baustelle zur nächsten, wird von Anfragen überschüttet und rückt ad hoc aus, um Brände zu löschen. Dies füllt den Tag, und so kommt man erst am Abend oder am Wochenende dazu, die neuen Strukturen zu entwickeln, die solchen Zuständen auf die Dauer vorbeugen. Gutes Zeitmanagement hilft ein wenig, löst das Problem aber nicht wirklich. Ideal ist das nicht, und es besteht die große Gefahr, Netzwerk- und Strategiearbeit darüber zu vernachlässigen. Mitunter aber geht es nicht anders. Am besten lässt sich die Kontrolle zurückgewinnen, indem man sich auf eine Zeit der Mehrbelastung einrichtet und durch Grundlagenarbeit dafür sorgt, dass solche Phasen nicht zur Regel werden. Der Beruf der Führungskraft weist hier zwar eine gewisse Besonderheit auf, das Thema Überlastung und Balance ist indes ein allgemeines, auf das wir in Kapitel 11 im Kontext der Aufgabenkategorie „Fürsorge“ zurückkommen.
Stress gehört dazu, man muss ihn vertragen.
Stress resultiert aber auch aus Reibung. Als Führungskraft steht man in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen und kann es nicht immer allen recht machen. Konflikte gehören zum Geschäft. Solange es dabei halbwegs gesittet zugeht, das eigene Verhalten gerechtfertigt erscheint und die Führungsposition nicht in Frage gestellt wird, ist dies wenig problematisch. Mitunter gerät man aber – ob gewollt oder ungewollt – in Eskalationsspiralen, die sehr belastend sein können. Eine zu scharf formulierte E-Mail oder ein zu hartes Wort im Meeting lassen manchen nächtelang nicht schlafen. Nicht immer hat man solche Konflikte selbst zu verantworten. Es gibt genug Zeitgenossen, die gar nicht an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert sind, sondern im Betrieb schlicht ihre Neurosen und/oder Machtgelüste ausleben. Wer mit solchen Menschen zu tun hat und kein Duckmäuser ist, gerät fast zwangsläufig mit ihnen aneinander. Mit ein wenig Pech oder Ungeschicklichkeit können daraus multiple Konfliktherde entstehen,