Boris Kaehler

Führen als Beruf


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und obere Führungskräfte sind ein zusätzliches Korrektiv.

      Bislang haben wir uns auf das Kernmodell der Komplementären Führung mit seinen drei Elementen konzentriert: Die komplementären Führungsakteure erfüllen gemeinsam die komplementären Führungsaufgaben, in denen sich die beiden komplementären Führungsfunktionen der Ordnung und Unterstützung konkretisieren. Das alles dürfte plausibel sein. Sie hätten aber Schwierigkeiten, es in der Praxis mit Leben zu füllen, denn das Ganze ist doch reichlich abstrakt. Es bedarf weiterer Modellelemente, um einen Beruf zu konstituieren, der sich tatsächlich praktizieren lässt: Die Umsetzungselemente. Erst durch sie wird Führung so konkret, dass Sie als Führungskraft darin Ihren Beruf wiedererkennen.XIII.

      Das erste dieser in Abbildung 7 dargestellten Umsetzungselemente bilden die Führungsroutinen, die nichts anderes sind als Aktivitäten. Man kommt sicher nicht ohne weiteres darauf, aber wenn ich Ihnen verrate, dass unsere 24 Führungsaufgaben eigentlich Aufgabenstellungen sind, werden Sie das leicht nachvollziehen können. Motivieren, qualifizieren, gesund erhalten etc. sind keine Aktivitäten, sie hören sich nur so an. In Wirklichkeit handelt es sich um angestrebte Ergebnisse, und wir brauchen zusätzlich einen Katalog von Führungsaktivitäten – z. B. regelmäßige Gespräche und Sitzungen – mittels derer wir sie verwirklichen. Außerdem brauchen wir einen Katalog von Führungsinstrumenten, unter denen ich formalisierte Hilfsmittel wie Formulare, Programme oder Systeme verstehe. Ferner müssen wir uns noch Gedanken über die erforderlichen Führungsressourcen Zeit, Information, Kompetenz und Feedback machen und schließlich den Führungsaufbau im Sinne der Gestaltung der beteiligten Organisationseinheiten berücksichtigen. Systematisch lässt sich der Zusammenhang der sieben Elemente dann folgendermaßen beschreiben: Führende verwirklichen die Dienstleistungsfunktionen (Ordnung und Unterstützung), indem sie Aufgaben (z. B. Leistungsfeedback) mittels Routinen (z. B. Gesprächen) erfüllen, wenden dabei Instrumente an (z. B. Arbeitszeitregelungen), benötigen dafür Ressourcen (z. B. Geschäftsinformationen) und tun dies alles auf Basis des Aufbaus (z. B. des Zuschnitts ihrer Stelle). All dies sei hier nur zur Vollständigkeit in Überblicksform skizziert. Wir gehen im Verlauf des Buches noch genauer auf die einzelnen Umsetzungselemente ein. Sie werden vielleicht eine Weile brauchen, bis Sie den Überblick haben. Diese reale Komplexität kann ich Ihnen aber nicht ersparen. Jeder andere Beruf – denken Sie z.B. einmal an Maurer, Richter oder Polizisten - ist de facto ähnlich vielschichtig.

      Vier Umsetzungselemente machen das Modell praktikabel.

      Führungsleistung ist das, was ein implizites oder explizites Führungsmodell als Führungsleistung definiert. Wenn Ihre Organisation es als Leistung ansieht, lange im Büro zu sitzen, dann ist dies eben der Maßstab. Wenn Bernd Stromberg aus der gleichnamigen Fernsehserie den Chef als „eine Art Büroanimateur“ definiert, so ist auch dies ein Maßstab. Hat eine Organisation oder eine Führungskraft gar keine konkrete Vorstellung vom Führen, so lässt sich natürlich auch die Führungsleistung nicht exakt bestimmen. Der Leistungsbegriff der Komplementären Führung ist hingegen glasklar. Allerdings werden Sie sich ein wenig eindenken müssen, denn er zieht ja sozusagen die Klammer um den Beruf des Führens und es wäre sehr unplausibel, wenn etwas Eindimensionales dabei herauskäme. Auch muss auf das Thema Leistungsbeurteilung vorgegriffen werden, denn Führen ist ja schließlich eine ganz normale berufliche Arbeit, für die die normalen Grundsätze gelten müssen. Zu beachten ist, dass Arbeitnehmer arbeitsrechtlich nicht das Arbeitsergebnis (das Werk), sondern nur den Arbeitseinsatz (das Wirken) schuldenXIV. Die meisten Führungskräfte sind ja Arbeitnehmer, und dieser Grundsatz ist außerdem so sinnvoll, dass man ihn auch auf Nicht-Arbeitnehmer übertragen kann. Der Arbeitnehmer ist zwar dafür verantwortlich, Arbeitsergebnisse anzustreben, der Arbeitgeber hat die Arbeit aber so zu organisieren und zu lenken, dass die Ergebnisse auch tatsächlich erzielt werden. Wenn die Führungskraft also keinen Führungserfolg erzielt, ist dies ein mögliches Anzeichen für mangelnden Einsatz und dysfunktionales Verhalten. Ebenso gut kann es aber auch ein Indiz für mangelhafte Führungsstrukturen sein, und tatsächlich ist dies vielerorts der Fall. Leistung mit Resultaten gleichzusetzen ist ohnehin eine große Dummheit, denn der Arbeitseinsatz und das Arbeitsverhalten sind die Bedingungen dafür und nicht weniger wichtig. Die Resultate sind am Ende das Entscheidende, aber ohne Berücksichtigung von Einsatz und Verhalten blendet man den Weg dorthin aus und kann letztlich überhaupt nicht beurteilen, ob die Resultate dem unter den jeweiligen Umständen Möglichen entsprechen. Als Arbeitgeber schleicht man sich so aus der Verantwortung für den Leistungsprozess – das ist unanständig und das Gegenteil managerialer Steuerung.

      Schlechte Führungsleistung ist nicht immer Schuld der Führungskraft.

      Woran wollen und müssen Sie sich nun also als Führungskraft – nach den Standards der Komplementären Führung – messen lassen? Ganz grundsätzlich sollte erst einmal zwischen den Personalführungsleistungen und den sachbezogenen Führungsleistungen unterschieden werden. Letztere stellen wir hier einmal zurück, in Kapitel 13 („Personalführung und Sachgeschäftsführung“) kommen wir darauf zurück. Hier soll es also erst einmal nur um die Personalführungsleistung gehen. Der erste Leistungsaspekt, der Führungseinsatz, lässt sich als Wahrnehmung der Führungsroutinen (Kapitel 5) und Bewerkstelligung der Führungsaufgaben (Kapitel 2) verstehen. Die Frage ist hier einerseits, ob die Führungskraft die festgelegten Routinen wirklich in den vorgesehenen Abständen durchführt (z. B. wöchentliche Aufgabengespräche). Andererseits geht es darum, ob sie im Rahmen dieser Aktivitäten tatsächlich für klare Arbeitsaufträge, wirksame Anreize, notwendige Qualifizierung etc. sorgt, also dafür, dass alle Führungsaufgaben in Bezug auf jeden Mitarbeiter tatsächlich umgesetzt werden. Dies entspricht – um ein Vergleichsbeispiel zu bringen – dem Verkäufer, der Kundentermine vereinbart und ihnen Produkte vorstellt. Wenn Sie sich einen Eindruck davon verschaffen, ob Ihre Mitarbeitenden umfassendes Selbstmanagement betreiben (d. h. ob sie alle definierten Führungsaufgaben selbst übernehmen, sich z. B. die richtige Arbeit suchen und ihren Leistungsstand kennen) und bei Bedarf kompensatorisch eingreifen, ist das voller Einsatz. Wissen Ihre Mitarbeiter hingegen nicht, was sie zu tun oder wie sie ihre bisherigen Leistungen einzuschätzen haben, haben Sie diese Personalführungsaufgaben – und mit ihnen einen wichtigen Teil Ihrer Führungstätigkeit – vernachlässigt. Der zweite Leistungsaspekt, das Führungsverhalten, betrifft das Arbeits- und Sozialverhalten der Führungskraft. Dies beinhaltet vor allem ihren Umgang mit den übrigen Führungsakteuren sowie den Umgang mit den formalisierten Personalinstrumenten (Kapitel 4) im Sinne der Einhaltung der instrumentenbezogenen Vorgaben. Es geht hier also um die Erfüllung der organisationsspezifischen Verhaltensstandards. Wer sein Team zerstört, indem er die besten Mitarbeiter in die Eigenkündigung treibt, sollte nicht für sonstige Leistungen gefeiert werden. Der dritte Aspekt betrifft dann in der Tat die Führungsresultate. Hier geht es darum, ob die erzeugten Arbeitsleistungen und Personalkosten quantitativ und qualitativ die angestrebten Vorgaben erfüllen und die sonstigen Ziele erreicht werden (Kapitel 14). Ist dies der Fall, so bedeutet dies Führungserfolg. Sinnvoll ist es, bei diesen sonstigen Zielen gleich auch die prognostizierten Auswirkungen auf die dauerhaftstrukturelle Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen und die rein periodenbezogenen Ergebnisse damit zu relativieren. Wer ein bestimmtes Ergebnisziel erreicht, indem er übermäßigen Druck auf die Belegschaft ausübt, das Arbeitszeitgesetz bricht und wahllos irgendwelche Leute einstellt, dessen Personalführung mag kurzfristig erfolgreich sein. Sie schwächt aber dauerhaft die Personalstruktur und vernachlässigt Stakeholder sowie Rechtsnormen. Nach diesem Maßstab wäre dann die Personalführung insgesamt eben nicht erfolgreich. Auch dies entspricht genau dem Vertriebsbeispiel, wo es nicht nur ums Verkaufen geht, sondern auch darum, die Kundenbasis, Kaufbereitschaft und Weiterempfehlungsbereitschaft dauerhaft zu erhalten. Die ersten beiden Aspekte – Einsatz und Verhalten – lassen sich recht gut bei den beteiligten Führungsakteuren abfragen und damit messbar machen. Für den dritten Aspekt, die Ergebnisse, liegen in den meisten Unternehmen geeignete Kennzahlen vor oder lassen sich sonst recht problemlos generieren.

      Führungsleistung umfasst Einsatz, Verhalten und Resultate.

      XII In seinen Hochzeiten sollen die Harzer Akademie pro