Bedeutungen zu benutzen. Dabei wird dann Management gern als ein verwalterisches Führen verstanden, im Gegensatz zu Leadership als visionärem/begeisternden Führen18. Meist sollen Führungskräfte beides könnenVIII. Das überzeugt nicht, da es dem allgemeinen Sprachgebrauch der Führungswissenschaft und - praxis widerspricht, wo beide Termini ständig synonym oder jedenfalls mit großen Schnittmengen benutzt werden. Das Ganze entspricht dem Versuch eines Marmeladenfreundes, Orangen als unansehnliche Saftgeber und Apfelsinen als knackige Fruchtstückchen darzustellen. Mein Rat: Vergessen Sie es und betrachten Sie Führung, Management und Leadership als Synonyme.
Leadership vs. Management ist eine unsinnige Differenzierung.
Apropos Begriffshuberei: Der prototypische Führungsautor und - trainer scheint nicht ohne Akronyme, Wortspiele und Metaphern auszukommen. Auch pseudo-wissenschaftliche Vierfelder-Schemata dürfen nicht fehlen, wobei diese bei näherem Hinsehen fast immer reinen Unsinn enthalten (die meisten Sachverhalte haben sehr viele Dimensionen und lassen sich im Zweiachsendiagramm schlicht nicht darstellen). Abbildung 3 zeugt davon, wie plausibel reiner Stuss klingen kann, wenn er uns in ansprechender Form dargeboten wird. Ignorieren Sie solchen Budenzauber einfach und konzentrieren Sie sich darauf, ob irgendwelche umsetzungsrelevanten Erkenntnisse mitgeliefert werden. Und wo man Sie davon überzeugen will, auf evidenzbasierte Konzepte zu setzen, werden Sie erst recht misstrauisch. Trotz vieler Jahrzehnte weltweiter universitärer Forschung liegen leider sehr, sehr wenige praktisch brauchbare Resultate vorIX.
Schauen sie sich einfach kritisch an, welche Evidenz genau herangezogen wird, und Sie werden fast immer enttäuscht sein. Vorsicht auch mit Studien von Beratungshäusern, die zu Marketingzwecken in Presse und sozialen Medien lanciert werden. Sie täuschen oft wissenschaftliche Erkenntnisse vor, sind methodisch aber i. d. R. ungenügend und bestehen meist zur Hälfte aus Worthülsen. Überhaupt wird viel geschwurbelt in der Führungsszene. Visionen und Inspiration verbreiten, Wandel anstoßen, Vertrauen aufbauen, Resultate erzielen, Loben, mitreden lassen, Vorbild sein – so wird uns Führung allenthalben vermittelt. Ein echtes Berufsverständnis entsteht aus solchen Versatzstücken aber nicht. Jede dieser Phrasen ist gleichzeitig richtig und falsch, wir knöpfen sie uns in diesem Buch noch einzeln vor. Auch käme niemand auf die Idee, den Beruf des Bäckers auf ein paar Schlagworte, pathetische Apelle und Binsenweisheiten zu reduzieren. Das Gute ist: All dies erschließt sich kritischem Denken; man muss die vermeintlichen Einsichten nur hinterfragen und mit eigenen beruflichen Erfahrungen abgleichen.
Wortspiele und simple Schemata erklären keinen Beruf.
Bevor es konstruktiver wird, muss an dieser Stelle noch kurz auf einen Parade-Irrweg eingegangen werden, und zwar die Verwechslung von organisationaler Personalführung und politischer Führung i. S. v. Anführertum. Insbesondere die US-amerikanische Leadership-LiteraturX hängt einem Führungsverständnis an, das der politischen Sphäre und anderen unstrukturierten Kontexten entlehnt ist. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Richtungsentscheidungen, der Erringung eines Führungsmandats und dem Erreichen von Zustimmung. Visionen und Ziele dienen hier als Mittel zum Aufbau personeller Gefolgschaft, und personelle Gefolgschaft dient als Mittel zur Bindung an die Ziele. Mit organisationaler Führung hat das alles nur am Rande zu tun. Dort liegt der Schwerpunkt auf Erzeugung von Arbeitsleistungen mit begrenzten Ressourcen im Kontext spezieller Aufbau- und Prozessstrukturen und rechtlicher Vorgaben. Die Geführten sind vertraglich gebunden und eine maximale Bindung an Führungspersonen ist aus Organisationssicht überhaupt nicht wünschenswert (z. B. wg. möglicher Abwanderung und kollektiver Verfehlungen). Aus ebendiesem Grunde sollten Sie sich als Führungskraft nicht übermäßig an Abraham Lincoln, Nelson Mandela oder Ernest Shackleton orientieren, deren historisches Wirken mit Ihrem eigenen Führungsjob herzlich wenig zu tun hat.
Personalführung ist kein Anführertum.
„One HR“: Die Einheit von Mitarbeiterführung und Personalmanagement
Zwischen Mitarbeiterführung und Personalmanagement wird traditionellerweise strikt unterschieden. Erstere, so wird angenommen, sei Aufgabe der Führungskraft, letztere hingegen Aufgabe der Personalabteilungen. Dieses Verständnis ist fatal. Zum einen ist es schlicht unmöglich, Personalmanagement in Gänze oder auch nur überwiegend zentral zu betreiben. Personalspezialisten wirken zumeist mittelbar, nämlich über die Führungskräfte als dezentrale Verteiler. Es gibt zwar auch direkte Interventionen und Selbstbedienungssysteme (engl. „employee self-services“). Im Regelfall aber sind Maßnahmen und Instrumente der Personalabteilungen an Führungskräfte adressiert, die diese dann in Richtung der Mitarbeiter umschlagen. „Jede Führungskraft ist ein Personalmanager.“19. Umgekehrt verhält es sich genauso: Führungskräfte betreiben Mitarbeiterführung in der Regel nicht allein, sondern werden durch Personalspezialisten orientiert, unterstützt und kontrolliert. Natürlich gibt es Organisationen, die gar keine Personalabteilung unterhalten; in Kleinstunternehmen ist dies sogar die Regel. Fast immer aber wird hier auf externe Hilfe zurückgegriffen, um z. B. Gehaltsabrechnungen oder Arbeitszeugnisse zu bewerkstelligen.
All dies verdeutlicht: Mitarbeiterführung und Personalmanagement bilden keine getrennten Sphären, sondern sind ein und dasselbe. Führungskräfte und HR-Abteilungen arbeiten nicht unabhängig voneinander, sondern erfüllen ein gemeinsames Mandat, das in der zielgerichteten Beeinflussung der Mitarbeiter besteht. Natürlich gehen sie dabei arbeitsteilig vor und spezialisieren sich auf bestimmte Aspekte. Diese Aufteilung ist aber umfeldabhängig. So sind in manchen Unternehmen Führungskräfte für Bewerbungs- und Kündigungsgespräche zuständig, in anderen die Personalspezialisten, in wieder anderen beide gemeinsam. In jedem Falle ist es ein und dasselbe Geschehen, an dem sie als Akteure mitwirken – sei es koordiniert oder planlos, harmonisch oder konfliktär. Das Schlagwort „One HR“ wird oft genutzt, um die Einheit zergliederter Personalabteilungen zu beschwören. Eigentlich aber müsste es für die Einheit von Führung und Personalmanagement stehen. Der ebenso schöne wie gebräuchliche Begriff der Personalführung beinhaltet beides und bringt den wichtigen Grundsatz damit gut zum AusdruckXI.
Als Führungskraft betreiben Sie Personalmanagement.
VII Zur Gleichsetzung von Menschen und Ressourcen siehe Kapitel 3 („Ethische und rechtliche Aspekte des Führens“).
VIII Eine besonders schräge Variante halten Bennis/Nanus bereit (1985, S. 28 f.): Leadership sei gleich Effektivität, Management gleich Effizienz. Da jedwede Tätigkeit natürlich beide Aspekte aufweist, sagt die anhaltende Popularität dieser These viel über das Reflexionsniveau unserer Führungsdebatten aus.
IX Meiner Meinung nach liegt dies an der unzureichenden theoretischen Fundierung, extremen Mikrofokussierung und ausgeprägten Praxisferne der empirischen Führungsforschung und ist natürlich ein Armutszeugnis für uns Wissenschaftler.
X Zur US-amerikanischen Führungsliteratur ist anzumerken, dass sie weltweit stilprägend wirkt. Europäische Personalmanagement- und Führungskonzepte gibt es praktisch nicht, Trends aus den USA werden in der Regel 1: 1 übernommen.
XI Der Begriff findet sich z. B. auch im Namen der Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP), einer der Fachorganisationen für Personalmanagement im deutschsprachige Raum.
2 Das Theoriemodell der Komplementären Führung
Führen als Dienstleistung mit zwei Funktionen
Personalführung ist eine Dienstleistung – diese These scheint mittlerweile fast konsensfähig zu sein. Dahinter steckt eine eigentlich selbstverständliche, im Ergebnis aber spektakuläre Grunderkenntnis, die Robert Greenleaf mit seinem Ansatz des „Servant Leadership“20 herausgearbeitet hat: Die Mitarbeiter sind nicht für die Führenden da, sondern umgekehrt. So weit wie Greenleaf mit seinem stark christlich orientierten Dienst am Mitmenschen muss man dabei gar nicht gehen, und man kann es im Arbeitskontext auch gar nicht verlangen. Die säkularisierte Variante des Führens als Dienstleistung reicht völlig aus21. Die meisten Autoren, die vom Führen als Dienen sprechen, meinen damit wohl ohnehin eher konkrete Arbeitsverpflichtungen22. In diesem Sinne lässt sich auch eine berühmte Aussage des alten Fritz interpretieren: „Der Herrscher ist der erste Diener des Staates. Er