Strukturen, aber auch die Prägung einer gemeinsamen Kultur und eines Verhaltenskodex. Auf dem Feld des strategischen Managements gilt es, Festlegungen für die nächste Geschäftsperiode zu treffen. Dabei sind insbesondere die eigenen Beiträge zu bestimmen und Bedarfsszenarien durchzuplanen. Das alles mag hier in der Zusammenfassung dröge klingen und entspricht auch überhaupt nicht dem Zeitgeist. Ich verspreche Ihnen aber: Eben hierin liegt das Geheimnis, und dieser Buchteil ist der wichtigste. In Wahrheit lässt sich nämlich nichts in der Personalführung per sofort, also im Wege der Intervention erreichen. Man muss sich rechtzeitig Gedanken machen und vorausschauende Festlegungen treffen. Hat man dies getan, ist der Lösungsraum soweit vorstrukturiert, dass einen so leicht nichts mehr aus der Bahn wirft.
Nichts von dem, was Sie hier lesen, erhebt übrigens den Anspruch, ewige Wahrheit zu sein. Ich habe das Komplementäre Führungsmodell nicht als Steintafel auf einem Berg empfangen, sondern aus zehn Jahren Berufspraxis, unzähligen Literaturquellen und eigenen konzeptionellen Ideen entwickelt. Mein Beitrag besteht sozusagen darin, die mühsame Vorarbeit auf mich genommen zu haben und Ihnen nun ein erprobtes Konzept vorzulegen – auf Tauglichkeit für Ihre Zwecke müssen Sie es schon selbst prüfen. Ich erinnere mich gern an eine Szene aus meiner Studienzeit, in der unser Professor, der über Kommunikationsmangel sprach, den Widerspruch eines Teilnehmers erntete: „Aber WatzlawickVI sagt doch, man kann nicht nicht kommunizieren!“. Die trockene Replik: „Man muss wohl nicht alles glauben, was Watzlawick sagt.“ Nun, man muss sicher auch nicht alles glauben, was Kaehler sagt. Dieses Buch dürfte einige tausend Empfehlungen enthalten, und die meisten davon habe ich im Laufe der Zeit selbst schon mehrfach revidiert und verbessert. Am besten halten Sie es also mit Kant: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“. Wenn eine meiner Thesen Sie dazu bringt, durch Nachdenken zur gegenteiligen Auffassung zu gelangen, haben Sie viel gelernt. So funktioniert Wissenschaft, und natürlich sollte auch der Erwerb von praktischem Führungswissen so funktionieren. Gute Führungskräfte beten nichts nach, sondern erwerben ihr Knowhow durch aktive Auseinandersetzung mit eigenen Erfahrungen und fremder Expertise. So verstanden, bietet Ihnen dieses Buch eine optimale Grundlage dafür, als Führungskraft erfolgreich zu wirken und Ihre Organisationseinheit nachhaltig erfolgreich zu machen.
Viel Spaß bei der kritischen Rezeption.
III Die These vom Management als Arbeit bzw. Beruf haben u. a. schon Peter F. Drucker (1954; 1973; 1998) und Fredmund Malik (2000) überzeugend vertreten. Letzterem kommt das Verdienst zu, das Drucker’sche Denken mit seinem praxisorientierten Standardwerk „Führen, Leisten, Leben“ im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht zu haben.
IV Wie viele Bereiche unseres Lebens wird diese Grundregel allerdings derzeit durch den Siegeszug der künstlichen Intelligenz in Frage gestellt. Ein Roboter, der die Stimmung eines Mitarbeiters erfasst und in sinnvoller Weise nicht-standardisiert beantwortet, mag menschliche Führungskräften in der Zukunft in dieser Hinsicht zumindest ebenbürtig werden.
V Über das Bedürfnis nach Simplifizierung macht sich auch Managementautor und Querdenker Henry Mintzberg (1996) lustig. Er entwirft „Fünf einfache Schritte zur Zerstörung echten Nutzens“, und der fünfte Schritt besteht in der Empfehlung, unbedingt alles in fünf einfachen Schritten zu tun.
VI Paul Watzlawick, ein sehr renommierter US-Kommunikationswissenschaftler (1921-2007).
Teil I:
Führungsverständnis
„Führen ist, intellektuell gesehen, nicht ganz so schwer, wie es aussieht, doch auch nicht ganz so einfach, wie man in Handbüchern über Führung liest.“
(Hans L. Merkle, Topmanager8)
Vorbemerkung Teil I: Führungsverständnis
Sie haben sich also auf den Weg gemacht – das verdient Respekt. Wenn Sie das Führungshandwerk gerade erst erlernen, stellen Sie sich einem Lernprozess. Es gilt, sich Wissen anzueignen, Klischees zu hinterfragen und neue Gewohnheiten aufzubauen. Das bringt Erkenntnisse, ist aber auch anstrengend. Für diejenigen, die schon lange Führungskraft sind, gehört sogar noch mehr dazu, nämlich die Bereitschaft, sich selbst und die eigenen Vorstellungen zu hinterfragen. Das sollten wir natürlich alle regelmäßig tun. Die Wahrheit aber ist: Die allermeisten tun es nicht, es erfordert zu viel Kraft. Ich kann Ihnen allerdings versprechen: Es lohnt sich.
Glückwunsch, Sie sind auf gutem Wege.
Im Folgenden stelle ich Ihnen mein Theoriemodell der Komplementären Führung vor. Zuvor aber werden die Konstrukte Management (i. S. v. Unternehmensführung) und Personalführung präzise definiert und gegeneinander abgegrenzt. Es wird geklärt, worin Führungsleistung besteht und welche Kompetenzen und Ressourcen man dafür braucht. Auch Unschärfen und persönlichpolitische Dimensionen des Berufs werden thematisiert, denn gute inhaltliche Arbeit allein ist noch keine hinreichende Bedingung für Erfolg. Um Ihnen ein bisschen Kontext und Orientierung mitzuliefern, gebe ich einen kurzen Überblick über solche Führungskonzepte, die ich für unbrauchbar halte. Sehr spannend ist auch die Frage, warum eigentlich die meisten formalisierten Personalinstrumente gute Führung eher behindern als befördern – was Führungskräfte hier erleben, ist teils haarsträubend. Eine Entschuldigung für Führungsabstinenz ist das freilich nicht, denn es lässt sich konstruktiv damit umgehen. Am Ende des ersten Buchteils verstehen Sie Ihr Führungshandwerk ganz sicher besser als je zuvor. Ohne diese Grundlagen können Sie die folgenden Inhalte auch nicht wirklich gut nachvollziehen.
1 Personalführung im Kontext der Unternehmensführung
Das Konstrukt Management: Geführt wird nicht allein
Wer den Beruf der Führungskraft verstehen will, muss zunächst das Konstrukt Führung verstehen. Bücher über Führung füllen halbe Bibliotheken, und eine Internetrecherche mit diesem Suchbegriff ergibt unzählige Quellen. Bei der Lektüre wird freilich deutlich, wie unterschiedlich und unpräzise Führung allgemein beschrieben wird. Auch überrascht, wie viele Autoren und Experten es gar nicht erst für nötig erachten, den Gegenstand ihrer Ausführungen konkret zu definieren. Entsprechend viel Unsinn wird über Führung geschrieben – ohne klares Verständnis eines Konstrukts lassen sich eben auch keine überzeugenden Entwürfe dazu liefern.
Um die Sache aufzuklären, sollten wir uns zunächst mit dem Begriff „Management“ i. S. v. Unternehmensführung auseinandersetzen. Die etablierte Literatur erweist sich dabei leider als wenig hilfreich. In Lehrbüchern hat die Definition von Management nämlich fast immer zwei Komponenten: Die Erreichung von Organisationszielen mit Hilfe von Ressourcen und den darauf bezogenen Steuerungszyklus aus Planen, Organisieren, Beauftragen und Kontrollieren. Beides hilft nicht weiter. Die fünf Aufgabenkategorien, die übrigens 100 Jahre alt sind und auf Fayol (1916) zurückgehen, sind viel zu breit und generisch, um das Konzept Unternehmensführung zu beschreiben. Sie treffen auf das Kochen eines Eintopfes ebenso zu wie auf das Lernen von Schulstoff. Die Nutzung von Ressourcen wiederum ist nur ein Teil des tatsächlichen Geschäftsbetriebs. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Management eine steuernde Querschnittsfunktion darstellt (Abbildung 2). Zwei Punkte müssen unbedingt ergänzt werden, kommen aber in der Mainstream-Literatur nicht vor. Der erste Punkt ist, dass der Bezugspunkt dieses Management-Einflusses die Organisationseinheit sein muss (und nicht etwa die Führenden oder Geführten sind). Der zweite Punkt ist, dass Management von multiplen organisationalen Akteuren ausgeübt wird. Beides ist für die Führungspraxis sehr bedeutsam und wird in den folgenden Abschnitten noch genauer ausgeführt. Zusammenfassend ergibt sich die folgende, hinten in Teil IV noch einmal um ein wichtiges Element zu ergänzende Definition9: Führung i. S. v. Management (als Kurzform von engl. „corporate management“ = Unternehmensführung) ist ein von multiplen organisationalen Akteuren ausgeübter, an Personal- oder Sachaspekten ansetzender Steuerungseinfluss auf den markt-, produktions- und ressourcenbezogenen Geschäftsbetrieb in einer Organisation und ihren Einheiten zum Zweck der Erreichung der Ziele der Einheit. Führung und Leitung sind Synonyme.
Managen bedeutet, eine Organisationseinheit zu steuern.
Führung ist also niemals das Werk eines einzelnen Managers, sondern immer ein kollektiver Einfluss multipler Akteure10. Dies ergibt sich schon aus Tatsache,