Monika Loerchner

Hexenherz. Goldener Tod


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… sind ja nun meist eher kritisch. Und wenn es dann schon alle wissen … «

      »Es war Marzenas Entscheidung. Es passiert, was passiert. Aber ich denke, wir alle können dieser Tage ein bisschen Hoffnung gebrauchen.«

      Ich hoffe für die beiden, dass die nicht enttäuscht werden wird.

      »Aber zurück zu dir, meine Liebe!« Mist. »Warum gehst du mir aus dem Weg?«

      »Das sagte ich doch schon.« Ich krabbele in das Zelt, um von innen die mittlere Stange zu befestigen. Als ich wieder herausgekrochen bin, steht Adrian noch immer da, die Arme verschränkt, und grinst mich an. Mir entgeht allerdings nicht, dass in seinen Augen weniger ein Lachen, als Sorge steht. Er macht sich ernsthafte Gedanken.

      »Ich gehe dir nicht aus dem Weg. Nicht direkt wenigstens.« Ich breite die Arme aus. »Das alles hier hebt nicht gerade meine Laune. Ist einfach so. Ich habe keine Magie mehr, ich bin unnütz. Halt« – ich hebe die Hand, um ihm zu bedeuten, dass er mich ja nicht unterbrechen soll – »Ich bin für meine Verhältnisse einfach verdammt untätig. Das nervt mich. Das Schlimmste ist, dass ich nicht weiß, wie ich das ändern soll.«

      »Du bist also mit deinem Leben unzufrieden?«

      Ich zucke mit den Schultern. »Scheint so.«

      »Und wenn du wieder unterrichten würdest? Es gibt hier genug Leute, die sich gern von dir im körperlichen Kampf helfen lassen würden.«

      »Ja klar«, spotte ich, »und mit Gero fange ich an. Wer weiß, vielleicht können wir danach ja noch eine Runde kuscheln.«

      Adrian bleckt die Zähne. »Deinen Biss hast du nicht verloren, so viel steht fest. Komm schon, raus mit der Sprache, was spricht dagegen? Dass du damit indirekt helfen würdest, deine ehemaligen Gardeschwestern zu bekämpfen?«

      Es nervt, wie gut er mich kennt.

      »Mmh.«

      »Na schön. Aber Kolja unterrichtest du doch!«

      »Ja, wenn du ihn nicht gerade mit irgendeiner Aufgabe von mir fern hältst!«

      Der Anführer lacht schallend. »Ach Helena! Als ob irgendetwas auf der Göttin Erdboden deinen Sohn von dir fernhalten könnte! Aber dein Selbstmitleid ist köstlich, zugegeben, das ist bei dir mal echt was Neues!«

      Wenn der wüsste …

      »Wenn du mit der Situation unzufrieden bist, dann ändere was.«

      »Ach ja, und was?«

      Er schüttelt den Kopf. »Das musst du schon selbst wissen. Es ist ja nicht so, als würde dich eine zwingen, hier zu sein. Du wolltest zu uns zurückkommen.«

      »Ja. Weil ich ehrlich gesagt gedacht hatte, dass es ein bisschen aufregender wäre.«

      »Aufregender?«

      »Du weißt, was ich meine. Kolja hat bewiesen, dass auch ein Mann Magie mit Hilfe von Speichersteinen anwenden kann. Aber ihr macht nichts draus!«

      Er schaut mir ernst in die Augen. Noch immer halte ich in ihnen nach den Funken Ausschau, die einst darin tanzten. Ich sollte das nicht mehr tun.

      »Wir sind dabei, Helena. Vertrau mir. Aber du kennst mich: Ich werde kein Blutvergießen beginnen, wenn ich es verhindern kann!«

      Ja, das weiß ich und ja, ich vertraue dir. Doch reicht das, um den Rest meines Lebens hinter dir her zu marschieren?

      Ich spreche den Gedanken nicht aus. Doch vergessen kann ich ihn auch nicht.

      Kapitel 3

      Die nächsten Tage verlaufen eintönig und auch wieder nicht. Wir marschieren am Tag und schlafen in der Nacht. Ich hasse es, dieses Herumgereise ohne festes Ziel. Zu viel Zeit, nachzudenken. Zu viel Zeit, zu grübeln. Ich weiß, dass im Hintergrund zig Dinge ablaufen. Da wäre zunächst einmal Kolja, der gemeinsam mit Désirée anderen Nicht-Frauen beibringt, wie sie Magie aus den Speichersteinen ziehen und anwenden können. Dafür ist natürlich notwendig, dass uns ein stetiger Strom an Speichersteinen erreicht. Woher Adrian sie bekommt und von wem sie abgebaut werden, weiß ich nicht, es spielt auch keine Rolle. Die Steine, die bei uns ankommen, werden dann von einigen Rebellinnen mit Magie in vorgefertigte Schmuckstücke eingesetzt. Auch diese Schmuckstücke – Ringe, Ketten mit Anhängern, Armbänder, Ohrringe – kommen von irgendwoher. Und all das will bezahlt werden: Adrian schickt Leute aus, damit sie Geld oder Sachspenden einsammeln. Hier treibt er seine Leute unentwegt an, zu jagen, wann immer es sich ergibt, nachts Fallen aufzustellen und nach anderen, verkaufsfähigen Dingen wie besonders schmackhaften Kräutern Ausschau zu halten. Der Geruch frisch gegerbter Felle durchströmt unser Lager, kaum dass wir es aufgeschlagen haben. Unentwegt wird irgendwo geschnitzt, gesammelt, angefertigt. Je mehr Tiere wir unterwegs erlegen, desto größere Vorsicht müssen wir walten lassen: Es ist nur Anwohnerinnen erlaubt, in den Wäldern zu jagen. Umherziehende, wie wir es sind, sind unerwünscht und jeder unachtsam verstaute Tierkadaver kann eine Garde auf unsere Spur bringen. Ich muss es wissen, ich bin selbst früher so vorgegangen.

      Hier rächt sich nun, dass so wenige der Rebellinnen über Magie verfügen. Immerhin ist die ein oder andere Erweckungsverweigerin mittlerweile unter der Last der Arbeiten eingeknickt. Nichts täte ich lieber, als mich ebenfalls auf handwerkliche Weise nützlich zu machen. Doch ich habe nie wirklich gelernt, dies ohne Magie zu tun.

      Wurde eine ausreichende Menge Magiespeichersteine in Schmuckstücken getarnt, müssen die wiederum zu anderen Rebellinnen oder Adrian wohlgesonnenen Frauen gebracht werden, die ihre Magie dann einspeisen. All dies führt zu einem ständigen Strom an Menschen, die kommen, Dinge und Nachrichten bringen, andere Dinge wieder mitnehmen und das Lager wieder verlassen. Dabei sind wir ständig unterwegs. Adrian benutzt nur die nötigsten Wegmarkierungen; er traut den regimetreuen Hexen nicht, befürchtet, einer seiner Leute könnte ihnen in die Hände fallen und sie könnten durch Magie die Bedeutung der Zeichen aus ihr herauspressen. Auch diese Furcht ist begründet, auch das habe ich selbst schon während meiner Zeit bei der Ostgarde getan, beziehungsweise angeordnet. Also müssen wieder Menschen ausziehen, die an Treffpunkten ausharren, und Ankömmlinge dann zum nächsten Treffpunkt schicken. Wie Perlen auf einer Schnur hat Adrian seine Leute über ein riesiges Gebiet verteilt. Und ein jede kennt nur die jeweils nächste Stelle. Das minimiert das Risiko, das dennoch bleibt.

      Die Südgarde kommt uns ein paar Mal gefährlich nahe. Deren Obere scheint eine neue Taktik zu haben, um unliebsame Personen aufzuspüren: Sie setzt vermehrt auf schlagkräftige Zweiergruppen, die sie auch über mehrere Tage hinweg allein die Wälder durchstreifen lässt. Lästig sind sie, diese Patrouillen, da auf diese Weise zahlreiche Trupps unterwegs sind. Keiner von ihnen darf auffallen, dass wir uns in ihrem Gebiet aufhalten. Sonst schlagen sie Alarm und ziehen ihr tödliches Netz um uns zusammen. Wir hätten nicht den Hauch einer Chance.

      Überhaupt finde ich es fast schon bewundernswert, worauf sich Adrian alles einlässt. Über die Hälfte seiner Anhängerinnenschaft besteht aus Menschen ohne anwendbare Magie, also aus Fräulein, Erweckungsverweigerinnen, auch der ein oder anderen Großmutter, und Männern. Als ich das erste Mal bei Adrians Truppe gelandet war, hatten sich auch die meisten Frauen geweigert, im Alltag Magie zu benutzen. So drückten sie ihre seltsame Ansicht darüber aus, wie gleichgestellt wir alle doch sein sollten. Das hat sich mittlerweile geändert, wie ich nicht ohne Schadenfreude feststelle; die Frauen unter den Rebellinnen wirken ob des Arbeitspensums abgehärmt und müde.

      Während meiner Zeit bei der Ostgarde hatten die Rebellinnen ganz anders agiert: Fallen für die Garden wurden aufgestellt und trickreiche Manöver erdacht, uns um Lebensmittel und andere Dinge zu erleichtern. Wege wurden uns versperrt oder unsere Späherinnen kunstvoll in die Irre geführt. Zu Kämpfen kam es zugegeben nur, wenn wir Rebellinnen gestellt hatten, von sich aus hatten sie uns nie angegriffen.

      Das alles ist jetzt vorbei. Adrians einziges Augenmerk gilt der weiteren Erforschung der Magiespeichersteine. Denn sie sind die einzige Chance, die seine Gruppe langfristig hat, um gegen die