und sind bestimmt ein Vermögen wert.“
„Da kannst du mal sehen, wie groß das Vertrauen des Chinesen zu dir gewesen sein muss nach allem, was du ihm angetan hast. Seinem ärgsten Gegner nicht nur sein Erspartes, sondern auch noch die heiratsfähige Tochter auszuhändigen ist ein Zeichen außerordentlicher Wertschätzung.“
„Ich weiß ja nicht einmal, ob das Mädchen unsere Sprache spricht“, gab Bount zu bedenken.
June winkte ab. „Würde Shao Ch’eng sie sonst bei uns studieren lassen? In Thailand gilt Englisch als Handelssprache. Ich finde, leichter hast du noch nie dein Honorar verdient. Du fliegst nach Bangkok und nimmst das China-Girl und die Rüsseltiere in Empfang. Bis ihr wieder zurückkommt, habe ich ein Apartment für die Dame besorgt. Die Sammlung wird bei einer Bank deponiert. Einmal wöchentlich rufst du bei Myang an und erkundigst dich, ob es ihr gut geht. Das ist schon alles.“
„Hört sich ganz simpel an“, gab Bount zu. „Für meinen Geschmack zu simpel. An den Gedanken an Shao Ch’eng als Wohltäter muss ich mich erst noch gewöhnen. Wer sagt mir, dass er die Porzellanbiester nicht gestohlen hat?“
„Das lässt sich bestimmt in Erfahrung bringen. Außerdem hätte er sie dann nicht ausgerechnet dir anvertraut. Es ergibt auch keinen Sinn, dass er seiner Tochter den Erlös der Beute bis zum Jahresende vorenthält. Zu diesem Zeitpunkt enden übrigens auch deine Verpflichtungen Myang gegenüber. Meiner Meinung nach kannst du froh und stolz sein, Bount. Träumst du nicht immer davon, die Gangster nicht nur zur Strecke zu bringen, sondern sie vor allem auch von ihrem Unrecht zu überzeugen? Shao Ch’eng schien begriffen zu haben, dass er für dieses Geschäft zu alt wurde. Ich kann mir vorstellen, dass seine Tochter keine Ahnung hat, dass er bei uns eine fragwürdige Rolle spielte.“
„Darüber schreibt Phra Kwan Ho leider nichts. Ich muss diesen Punkt noch unbedingt klären. Immerhin wurde Shao Ch’eng erschossen.“
„Das muss in Bangkok genauso wenig wie hier bei uns bedeuten, dass das Opfer selbst ein Gangster war. Soll ich ein Gespräch mit dem Notar anmelden? Ich nehme an, du wirst vor deinem Abflug noch mit ihm sprechen wollen.“
„Das habe ich allerdings vor“, bestätigte Bount. „Aber vergiss nicht den Zeitunterschied. Ich möchte Phra Kwan Ho nicht ohne zwingenden Grund aus dem Bett holen. Ich werde es heute Abend versuchen.“
Im Laufe der nächsten Stunden versuchte Bount, noch möglichst viel aufzuarbeiten. Er fürchtete, in den folgenden Tagen nicht dazu zu kommen.
3
Der Notar holte Bount am Flughafen Don Muang ab. Der Jurist erwies sich als dürres Männchen mit dünnem Bart und nervösem Gesichtszucken.
„Den Göttern sei Dank, dass Sie endlich da sind, Mr. Reiniger!“, sprudelte er hervor und sah fortwährend auf seine Armbanduhr.
In diesem Moment begann Bount zu ahnen, dass die Erbschaft wohl doch noch ein paar Probleme aufwerfen würde.
„Gibt es Schwierigkeiten?“, erkundigte er sich.
Phra Kwan Ho rang die Hände.
„Schwierigkeiten?“, wiederholte er mit hoher, singender Stimme. „Am liebsten wäre es mir, wenn Sie mit der nächsten Maschine sofort wieder zurückfliegen würden.“
Bount runzelte die Stirn. „Moment mal! Sollte ich Sie am Telefon und Ihren Brief völlig missverstanden haben? Sie haben doch gedrängt, dass ich möglichst umgehend herkomme.“
„Natürlich, Mr. Reiniger. Meine Unruhe gilt ja auch nicht Ihnen, sondern Miss Myang. Auf sie wurde heute Vormittag ein Mordanschlag verübt. Sie äußerte den Wunsch, mich zum Bahnhof zu begleiten. Als sie das Taxi besteigen wollte, wurden mehrere Schüsse auf sie abgegeben. Es gelang ihr zum Glück, sich ins Haus zurückzuretten. Der Schütze entkam unerkannt. Es dürfte aber feststehen, dass die gleichen Schufte dahinterstecken, die schon ihren Vater auf dem Gewissen haben. Mr. Shao Ch’eng wurde auf ganz ähnliche Weise ermordet.“
„Wurde die junge Frau verletzt?“, wollte Bount wissen.
Der Notar verneinte. „Sie kam mit dem Schrecken davon. Nachdem sie mich über den Vorfall telefonisch informiert hatte, habe ich ihr geraten, ohne Ihren Schutz das Haus nicht mehr zu verlassen.“
„Hoffentlich hält sie sich daran. Was könnte der Grund für diesen Anschlag sein?“
Der Jurist führte Bount zu seinem im Parkhaus abgestellten Wagen. Der Mann wirkte verstört und hilflos. „Würden wir den Grund kennen, wüssten wir wohl auch, warum Myangs Vater sterben musste. Es bieten sich zwei Motive an. Es könnte sich um einen Racheakt handeln. Mr. Shao Ch’eng hat sich in früheren Jahren viele Feinde geschaffen. Einigen hat es nicht gepasst, dass er sich plötzlich für die Rolle des braven Bürgers entschied. Sie werden mir entgegenhalten, dass schließlich seine Tochter nichts mit seiner Vergangenheit zu tun hat. Doch wir Chinesen sehen das anders. Und auch die Thai haben eine ähnliche Auffassung. Wenn für die Untat eines Einzelnen heute auch nur noch in den seltensten Fällen der ganze Clan zur Verantwortung gezogen wird, so macht die Rache zumindest vor den engsten Familienangehörigen nicht automatisch halt.“
„Und was sagt die Polizei? Hegt man einen bestimmten Verdacht?“ Phra Kwan Ho lachte gequält auf. „Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Menschen in Bangkok jede Woche das Opfer von Gewaltverbrechen werden? Ein erschreckend geringer Prozentsatz wird aufgeklärt. Unsere Polizei ist hoffnungslos überfordert. Sie setzt zwei Schwerpunkte: das Opium und die Prostitution. In diesen Bereichen können schließlich noch Menschenleben geschützt werden. Ein Mord ist unabänderlich. Ich will damit sagen, dass unsere Behörden den Fall Shao Ch’eng in drei Monaten als unerledigt in die Registratur geben werden. Von dort haben wir keine Aufklärung zu erwarten.“
Das waren ja reizende Aussichten. Überlastete Polizisten kannte Bount zur Genüge von New York. Doch dort bemühte man sich wenigstens, jeden Mord aufzuklären.
Aber die Mörder Shao Ch’engs zur Strecke zu bringen war zum Glück nicht sein Auftrag. Er hatte lediglich dafür zu sorgen, dass Myang unbehelligt in das Flugzeug stieg. Sobald die Triebwerke arbeiteten, konnte er die Killer von Bangkok vergessen.
„Sie erwähnten ein zweites mögliches Motiv“, erinnerte Bount den Notar.
„Das sind natürlich die Elefanten. Sie besitzen einen Katalogwert von ungefähr einer halben Million US Dollar. Es gibt bestimmt Halunken in dieser Stadt, die sich die acht Porzellanfiguren liebend gerne unter den Nagel reißen würden. Als Shao Ch’eng starb, kam er gerade von der Thai Farmers Bank, bei der er die Sammlung deponiert hatte. Vielleicht glaubten die Gangster, er habe die Stücke abgeholt, um sie zu verkaufen. Deswegen wollten sie ihm die Figuren rauben. Da sie die erhoffte Beute bei ihm nicht fanden, halten sie sich nun an Myang, von der sie möglicherweise schon wissen, dass sie das Land zu verlassen beabsichtigt.“ Beide Möglichkeiten klangen für Bount durchaus logisch. Er tendierte vorläufig eher zur zweiten. Eine halbe Million war ein einleuchtenderes Motiv als bloße Rache.
„Wo befinden sich die Elefanten im Augenblick?“, wollte er wissen.
„Immer noch bei der Bank in der Ratchadamnoen Avenue.“
„Ich schlage vor, wir fahren dorthin, damit Sie mich legitimieren können. Wenn ich später die Sammlung abhole, sollte es keine Verzögerungen geben.“