Pete Hackett

Die Stunde der Revolverschwinger: Wichita Western Sammelband 7 Romane


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      Hep Waller hielt sein Pferd an, saß ab und versuchte angestrengt, die Dunkelheit mit seinem Blick zu durchdringen. Die Gebäude der Marek-Ranch lagen in schwarzer Nacht. Mondlicht fiel auf die Dächer und ließ sie fast silberfarben erscheinen. Hep leinte das Pferd an einen Strauch und ging zu Fuß weiter. Hin und wieder verschwand die bleiche Mondsichel hinter Wolken, die wie schwarze Segel dahinjagten.

      Er blieb am Zaun geduckt stehen, sah sich um und lauschte angestrengt, lief dann daran entlang, bis er den Stall erreichte. Dort schwang er sich über den Zaun, blickte sich noch einmal vorsichtig um Und schlich sich in den Stall.

      Er war so geschickt, dass nicht einmal die Pferde aufschreckten, als er in dem dunklen Stall mitten im Gang stehenblieb und die Taschen nach Streichhölzern durchsuchte. Er fluchte leise, weil er sie nicht gleich finden konnte. Dann tastete er sich in die erste Box hinein. Das Pferd bemerkte ihn erst, als er es berührte und ihm über die Kruppe fuhr. Das Tier schrak zusammen und trat zur Seite. Hep glitt in die nächste Box, stieß dabei gegen das Pferd, das erschrocken nach vorn tappte, sich den Kopf über der Raufe anstieß und trampelnd zurückfuhr. Hep sprang schnell zur Seite, um nicht in den Gang geschleudert zu werden.

      „Nicht so aufgeregt, du gelbgezähntes Mistvieh“, murmelte er gemütlich. „Ich bin es doch. Der alte Hep!“

      Er wartete, bis sich das Tier beruhigt hatte, lauschte dabei und sah sich um, ohne in der Dunkelheit etwas zu sehen. Vorn, durch die halboffene Tür, sah er ein Stück des Nachthimmels.

      Auch das Tier war auf der Kruppe nicht gebrannt. Doch bereits in der dritten Box spürte er auf der Hinterhand des Pferdes einen vernarbten Brand. Er wollte sichergehen — schließlich konnte es sich ja um eine Verletzung handeln —, riss ein Streichholz an und — blickte auf ein W im Kreis. So lange, bis er sich die Finger verbrannte. Er ließ das Zündholz fallen und trat es fluchend aus. Er fluchte seine ganze Kanonade herunter. Doch als er sich wiederholen wollte, wurde er unsanft unterbrochen.

      Plötzlich spürte er etwas Hartes auf den Rippen. Er wusste sofort, dass es sich nur um einen Gewehrlauf handeln konnte und drehte den Kopf. Aber er sah nichts. Einmal war er von der Streichholzflamme noch geblendet, zum anderen war es ohnehin zu dunkel, um etwas sehen zu können. Aber seine anderen Sinne waren intakt. Er hörte und spürte den Atem eines Mannes. Zugleich begriff er, dass zu langen Faxen keine Zeit war, sondern dass er schnell sein musste. Sehr schnell! Wer der andere auch sein mochte.

      Aber es war schon zu spät. Die Burschen schienen ihn von Anfang an beobachtet zu haben.

      „He, Pinky!“, rief der Mann. „Ihr könnt ’reinkommen. Ich habe ihn. Genau vor dem Rohr.“

      Draußen flammte Licht auf. Schatten zuckten vorn über die Stallwand. Da kamen sie herein. Der erste trug eine Laterne und hielt sie hoch.

      Hep ließ die Streichholzschachtel fallen und hob langsam die Arme.

      „Keine Ratte, Pinky!“, sagte der Mann neben ihm. „Jedenfalls keine auf vier Beinen. Das wusste ich doch.“

      Der Mann mit der Laterne blieb vor der Box stehen und leuchtete Hep in das Gesicht.

      „Wer bist du?“

      Hep schloss die Augen geblendet zu schmalen Schlitzen. „Ich dachte immer, ich bin hier persönlich bekannt“, sagte er in die gleißende Helligkeit hinein.

      „Das ist Hep Waller, ein Cowboy von der Circle C“, vernahm er da Jack Mareks Stimme aus dem Hintergrund.

      „Richtig! Die schiefe Fresse kenne ich doch“, sagte da der Mann mit der Laterne. Er ließ sie sinken, so dass Hep endlich etwas erkennen konnte. Der Mann, der ihm die Gewehrmündung auf den Bauch hielt, und der andere vor ihm waren die beiden Fremden, denen er am Vormittag Wasser aus dem Brunnen gehievt hatte. Ihm wurde klar, dass es nur die beiden gewesen sein konnten, die den alten Mexikaner erschlagen und den O’Hagans das Geld geraubt hatten. Dabei kam er sich jedoch keinesfalls wie ein Mann vor, der ihnen hinter die Schliche gekommen war. Im Gegenteil! Er begriff, dass es jetzt um sein Leben ging.

      „Was suchst du hier, Hep?“, fragte Jack Marek.

      Hep sah den Pinkys in die Augen, blickte auf die anderen beiden Männer, die er zuvor nie gesehen hatte, und schaute zu Jack. „Du weißt, wen wir alle suchen“, erklärte er rundheraus, weil ihm klar war, dass er sich nicht herausreden konnte. „In Tucson gibt es Leute, die sich an den Wim-Kreis-Brand erinnern, den dieser Braune trägt.“ Ohne sich um das Gewehr des einen Mannes zu kümmern, schlug er dem Pferd auf die Kruppe und trat in den Gang. „Ich denke, ich sage ihnen Bescheid, dass ich das Pferd hier gefunden habe. Sie warten auf mich.“

      Der Mann vor ihm gab Jack Marek die Laterne und packte Hep an der Hemdbrust. „Du bist einer, der sich für einen Siebenmalgescheiten hält, mein Junge.“

      Hep wollte das bejahen. Aber dazu kam er nicht mehr. Einer der Männer schlug ihn von hinten nieder. Wie er zunächst glaubte, kam er sofort wieder zu sich. Doch es waren Stunden, die er ohnmächtig dagelegen hatte. Er erwachte im Ranchhaus der Mareks und sah durch die Scheiben, dass es draußen bereits hell wurde.

      Jack Marek saß am Tisch und erhob sich, als er sich bewegte.

      Hep richtete sich auf die Ellenbogen und rieb sich dann stöhnend das Genick. Dabei fiel sein Blick auf die Ofenbank, auf der John Marek lag. Tot. Das stellte er mit einem Blick fest.

      Jack kam zu ihm. „Ja, John ist tot. Die Hundesöhne haben ihn erschossen. Während John und ich mit euch draußen herumgeritten sind, um sie zu suchen, haben sie sich hier breitgemacht. Wir waren vollkommen überrascht. Die Bastarde haben uns nicht die geringste Chance gelassen und John sofort abgeknallt. Wir waren noch nicht einmal aus den Sätteln.“

      Hep drehte den Kopf und schaute sich suchend um. Dabei verzog er den Mund noch schiefer, als er ihm ohnehin schon gewachsen war. „Wo sind sie jetzt?“, krächzte er mit vor Schmerz entstellter Stimme.

      „Abgehauen!“, sagte Jack resignierend.

      „Wann?“

      „Sie haben dich niedergeschlagen und sind verschwunden“, sagte Jack. „Das ist bald sechs Stunden her.“

      Hep schwang die Beine von der Pritsche. „Warum sitzt du dann hier herum? Du hättest sofort zur Circle C-Ranch oder nach Tucson reiten müssen. Inzwischen haben sie sechs Stunden Vorsprung!“

      „Die werden noch mehr Vorsprung herausschinden“, erwiderte Jack verbittert. „Sie haben Marie mitgenommen, und sie werden das Mädchen umbringen, sobald ihnen einer zu nahe auf den Pelz rückt.“

      „Diese Bastarde!“, schnaufte Hep. „Wo ist dein Vater?“

      „In seiner Kammer. Er schläft jetzt endlich.“

      Hep stand auf. „Well, Junge! Bleib du bei deinem Vater. Dass sie mir eine über die Rübe gezogen haben, werden sie bedauern. Ich bringe die Jagd in Gang, Jack. Hast du beobachtet, in welche Richtung sie geritten sind?“

      „Nach Süden!“

      Hep griff nach seinem Hut und setzte ihn auf. „Na, da weiß ich schon, wo es lang geht. Sonoita! — Es tut mir leid für euch Mareks“, sagte er mitfühlend und gab Jack die Hand. „Aber verlass dich darauf! Wir kriegen sie. Die Brüder werden Rauch aufsteigen sehen. Bald schon.“

      Er verabschiedete sich von Jack und rannte hinaus, sprang hinter dem Haus über den Zaun, schöpfte dort Atem und hielt sich den schmerzenden Schädel. Dann lief er zu seinem Pferd, das an der gleichen Stelle stand, an der er es verlassen hatte.

      „War eine einsame Nacht, Alter, wie?“, begrüßte er das Tier, zog den Bauchgurt nach und stieg in den Sattel. „Dafür liegen jetzt gesellige Tage vor uns.“

      Er brachte das Pferd in Gang und ließ es zunächst Schritt gehen, damit es sich die Steifheit aus den Gliedern laufen konnte. Dann galoppierte er.

      Ol stand auf dem Dach der Circle C-Ranch Wache. Aus dem Küchenschornstein quoll Rauch. Sten, der Ranchkoch,