sich selbst in wachsendem Maße zusammengesetzt aus einzelnen Gruppen, die mehr oder weniger unabwendbar von ihrem ethnischen Charakter geprägt sind. Das multiethnische Dogma beendet die gemeinsamen Zielsetzungen unserer Geschichte, es ersetzt Assimilation durch Fragmentierung und Integration durch Separatismus. Es setzt das Unum herab und glorifiziert dafür das Pluribus.
Auf vielen Gebieten ist die historische Idee einer einheitsstiftenden amerikanischen Identität heute in Gefahr – in unserer Politik, in unseren Freiwilligen-Organisationen, in unseren Kirchen und in unserer Sprache. Doch auf keinem Gebiet ist die Zurückweisung einer alles überwölbenden nationalen Identität entscheidender als in unserem Erziehungssystem.
Unsere Schulen und Gymnasien der Republik bilden die Bürger der Zukunft heran. Insbesondere unsere öffentlichen Schulen sind das vorrangige Instrument der Assimilierung und das wichtigste Mittel zur Heranbildung einer amerikanischen Identität.
„Der große Schmelztiegel Amerikas“, sagte Woodrow Wilson einmal, „der Ort, an dem wir alle zu Amerikanern gemacht werden, ist die öffentliche Schule, wohin Menschen jeglicher ethnischer Herkunft und in jeder Lebensphase ihre Kinder schicken oder hinschicken sollten und wo die Jugendlichen, wenn sie dort zusammengemischt werden, alle vom amerikanischen Geist durchdrungen werden und sich zu amerikanischen Männern und amerikanischen Frauen entwickeln.“
Was Schülern in den Schulen beigebracht wird, beeinflusst die Art und Weise, mit der sie später andere Amerikaner sehen und wie sie mit ihnen umgehen werden – letztlich die Art und Weise, wie sie später die gemeinsamen Ziele unseres Gemeinwesens begreifen. Die Auseinandersetzung über das schulische Curriculum ist eine Debatte darüber, was es bedeutet, ein Amerikaner zu sein.
Die Verfechter der Ethnizität behaupten nun, dass ein Hauptziel der schulischen Erziehung in Schutz, Stärkung, Zelebrierung und in der Perpetuierung ethnischer Wurzeln und Identitäten liege. Separatismus freilich nährt Vorurteile, vergrößert Differenzen und wühlt Antagonismen auf. Die daraus resultierende Zunahme ethnischer und rassischer Konflikte steckt hinter dem Wirbel um Multikulturalismus, um politische Korrektheit, um Ungerechtigkeiten des eurozentrischen Curriculums. Sie liegt auch hinter der Vorstellung, dass Geschichte und Literatur nicht so sehr als intellektuelle Disziplinen gelehrt werden sollten, sondern als Therapien, deren Funktion es sei, das Selbstbewusstsein von Minderheiten zu stärken.
Während wir gerade Zeuge werden, wie ein Land nach dem anderen durch ethnische Konflikte auseinandergerissen wird, kann man nicht gleichgültig auf Vorschläge reagieren, die die Vereinigten Staaten in eigenständige und unveränderliche Gemeinschaften entlang von Ethnie und Hautfarbe auseinanderdividieren wollen, von denen jeder beigebracht wird, das jeweils eigene Anders- und Getrennt-Sein10 von den anderen Gruppen hochzuhalten. Man fragt sich: Wird die Mitte halten – oder wird der Schmelztiegel dem Turm von Babel weichen?
Ich möchte nicht apokalyptisch klingen, wenn ich diese Entwicklungen beschreibe. Erziehung ist immer in Entwicklung begriffen, und das ist auch gut so. Schulen und Gymnasien waren schon immer Kampfstätten für Debatten über Glaubensvorstellungen, Philosophien und Werte. Die Situation in unseren Universitäten – da bin ich zuversichtlich – wird sich bald von selbst berichtigen, sobald die große schweigende Mehrheit der Professoren „Genug!“ ruft und all das anficht, von dem sie weiß, dass es zeitgeistiges Geschwätz ist.
Weitaus beunruhigender sind die Auswirkungen des Drucks bezüglich Ethnie und Hautfarbe, der auf unsere Grundschulen ausgeübt wird. Die Bindekräfte nationalen Zusammenhalts sind längst in Gefahr zu zerbrechen. Die schulische Erziehung sollte sich bemühen, diese Bindekräfte zu stärken, anstatt sie zu schwächen. Wenn sich separatistische Tendenzen weiterhin unkontrolliert entwickeln, dann kann das Resultat nur die Fragmentierung, die Re-Segregation und die Tribalisierung des amerikanischen Lebens sein.
Ich bleibe optimistisch. Mein Eindruck ist, dass die geschichtlichen Kräfte, die in Richtung „one people“ drängen, noch nicht ihre Kraft verloren haben – für die meisten Amerikaner ist es ja genau dies, worum es in unserer Republik eigentlich geht. Im Streit zwischen „Einheit zuerst“ und „Ethnizität zuerst“ widerstehen sie den Extremen. „Die meisten Amerikaner“, so sagte New Yorks Gouverneur Mario Cuomo11 zu Recht,
„können sowohl das Bedürfnis verstehen, eine entwickelte Diversität anzuerkennen und zu fördern, als auch das Bedürfnis, sicherzustellen, dass eine solche, breit angelegte multikulturelle Perspektive zur Einigkeit unter den Amerikanern führt und zu einer umfassenden Besinnung auf das, was es heißt, Amerikaner zu sein, nicht aber zu einer destruktiven Aufspaltung, die uns auseinander reißen würde.“12
Was immer ihre selbsternannten Sprecher behaupten mögen – die meisten in Amerika geborenen Mitglieder von Minderheitengruppen, gleichgültig, ob von weißer oder nichtweißer Hautfarbe, sehen sich, auch wenn sie ihre Herkunft in Ehren halten, primär jeweils als Amerikaner und nicht in erster Linie als Iren oder Ungarn, Juden, Afrikaner oder Asiaten. Ein beredter Indikator ist die wachsende Anzahl von Eheschließungen über die Grenzen ethnischer, religiöser, ja sogar (in wachsendem Maße) über Grenzen der Hautfarbe hinweg. Der Glaube an eine einzige amerikanische Identität ist alles andere als ausgestorben.
Doch die Bürde, das Land zu einigen, fällt nicht exklusiv allein den Minderheiten zu. Assimilation und Integration sind ein wechselseitiger Prozess. Jene, die sich in Amerika integrieren wollen, müssen durch diejenigen, die meinen, dass sie Amerika schon lange besitzen, empfangen und willkommen geheißen werden. Wie ich schon bemerkte, ist der Rassismus die große nationale Tragödie unseres Landes. In der letzten Zeit hat das weiße Amerika endlich begonnen, sich dem Rassismus zu stellen, der sich so tief und schandbar in unsere Geschichte eingenistet hat. Doch der Triumph über den Rassismus ist nicht vollständig.
Wenn konservative Amerikaner Menschen anderer Nationalität und anderer Hautfarbe etwa so behandeln, als seien sie unverdauliche Elemente, die es zu meiden und auszugrenzen gelte, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn die Minoritäten sich verbittert nur noch auf ihresgleichen beziehen und jeden anderen ausschließen. Nicht nur diese müssen die Assimilation und die Integration wollen – auch wir müssen das tun! Die Aufgabe, dieses Land zu einem geeinten Land werden zu lassen, liegt in gleicher Weise bei der selbstzufriedenen Mehrheit der Gesellschaft wie bei den bedrängten Minderheiten.
Die amerikanische Bevölkerung hat sich fraglos in jüngster Zeit viel heterogener als je zuvor entwickelt. Doch diese Heterogenität macht die Suche nach einheitsstiftenden Idealen und nach einer gemeinsamen Kultur umso notwendiger. Amerika, so Scott Fitzgerald13, ist „die freudige Bereitschaft des Herzens“. Wir haben es in unserer Macht, dieses Land zu einem fairen und gerechten Land für unser ganzes Volk zu machen.
Erinnern wir uns der Worte Mahatma Gandhis14, die einst öffentlich auf Plakaten in ganz Indien zu sehen waren – einem Land, das durch ethnische, religiöse, sprachliche und durch Kastengegensätze weitaus heftiger gespalten ist als unser eigenes. „Wir müssen aufhören“, sagte Gandhi,
„ausschließlich Hindus, Muslime oder Sikhs, Parsen, Christen oder Juden zu sein. Wir mögen zwar standhaft an unseren jeweiligen Glaubensbekenntnissen festhalten, aber wir müssen Inder zuerst und Inder zuletzt sein.“
Weil Indien diese Lehre Gandhis aufgegeben hat, ist es heute so bitter in sich zerrissen.
Im Geiste Gandhis mögen wir als so gänzlich untereinander verschiedene Amerikaner zwar unerschütterlich an unseren jeweiligen Traditionen und Glaubensbekenntnissen festhalten, sollten aber nicht vergessen, dass wir zueinander gehören: als Amerikaner, zuerst und zuletzt. Oder in den Worten Martin Luther Kings15: zusammen eingewoben „in ein einziges Gewand des Schicksals“. In einer Welt, die durch Antagonismen entlang von Ethnien und Hautfarbe