du es nicht sagen?«
»Nein, es ist wirklich nicht wichtig.« Markus schüttelte abermals den Kopf.
»Na, gut. Dann erfahre ich es nicht. Interessiert hätte es mich! Das solltest du wissen.« Klaus lächelte und führte die Kaffeetasse an seinen Mund. Er nahm ein paar Schlucke, stellte das Trinkgefäß wieder auf den Tisch und versuchte, sich in Gedanken vorzustellen, was sein Neffe in der Nacht geträumt hatte. Ein wilder Traum, wie Markus vor ein paar Minuten andeutete. Das konnte ja alles Mögliche gewesen sein, überlegte Klaus. Nach ein paar weiteren Gedankengängen schaute er seinen Neffen an. »Es interessiert mich wirklich sehr!«
»Der Traum? Ach, Klaus ... Na, gut.« Markus seufzte. Irgendetwas musste er seinem Onkel erzählen, sonst gab dieser wohl noch lange keine Ruhe. »Ich habe tatsächlich wild geträumt. Es waren Bilder von Kämpfen. Menschen wurden gejagt. Man hat sie in Angst und Schrecken versetzt«, sagte er schließlich wahrheitsgemäß. Tatsächlich hatte er im Schlaf ähnliche Bilder gesehen, die ihm allerdings eine weitere, mögliche Deutung des geheimnisvollen Gemäldes offenbarten. Das junge Mädchen im Leinengewand war auf der Flucht vor seinem Peiniger, welcher im Bild neben ihr zu sehen war. Wie in einem vorigen Traum hatte der Böse schließlich gesiegt.
»Du meine Güte! Das war ja wirklich ein wilder Traum«, murmelte Klaus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Sicher, dass du nur geträumt und die ganze Nacht im Bett gelegen hast?«
Markus starrte seinen Onkel verwirrt an. Dann nickte er hastig. »Natürlich! Warum denn nicht?«
»Nun, ich dachte, ich hätte gehört, wie die Haustür ins Schloss gefallen ist.« Klaus runzelte für einen Moment die Stirn.
»Ähm ...«, begann Markus mit einer Erklärung. »Vielleicht hast du vergessen, sie zu schließen, und der Wind ...«
»Nein, das habe ich nicht vergessen!« Klaus schüttelte den Kopf. »Aber ...« Er überlegte eine Weile, bevor er fortfuhr: »Also, ich habe gehört, dass hier womöglich ein Einbrecher sein Unwesen treibt. Wenn du im Bett warst, muss das doch bedeuten, dass jemand hier gewesen ist.« Plötzlich begann Klaus, sehr schnell zu atmen. Er hatte schon von dem nächtlichen Einbruch bei Berta und Ben gehört. Umso unruhiger wurde er bei dem Gedanken, eventuell selbst einen Einbrecher im Haus gehabt zu haben.
Markus reagierte sofort. Er stand auf und schenkte etwas Wasser in ein Glas. Dieses drückte er seinem Onkel in die Hand. Anschließend befeuchtete er ein Küchentuch und hielt es an Klaus’ Stirn. Er musste es irgendwie schaffen, den Mann zu beruhigen und ihm eine weitere Erklärung zu liefern. Es fiel ihm allerdings nicht gerade leicht, die richtigen Worte zu finden. Schließlich sagte er: »Nein, es war kein Einbrecher. Der Traum hat mich so sehr aufgewühlt, dass ich aufstehen und an die frische Luft gehen musste. Verstehst du, ich war es. Deswegen ist die Tür ins Schloss gefallen.«
»Wirklich? Und du erzählst mir keinen Unsinn?« Klaus atmete tief durch. So langsam beruhigte er sich wieder.
»Ja, es ist die Wahrheit!« Markus bemühte sich, so glaubwürdig wie möglich zu klingen. Nur ein Fehler, und seine Tarnung könnte auffliegen! Glücklicherweise bemerkte Klaus nicht, dass sein Neffe ihn nur anlog. Er nickte zufrieden.
»Vielen Dank, Markus! Ich glaube dir!«
»Da bin ich froh.« Markus ließ sich zurück auf seinen Stuhl fallen. Er war erleichtert. Alles war gutgegangen. Während er mit Klaus noch einige Zeit lang am Tisch saß, grübelte er darüber, wie er den nächsten Einbruch gestalten sollte. Die Adulastraße war näher als die anderen Adressen, die er bisher aufgesucht hatte. Doch auch hier bestand das Risiko, entdeckt zu werden. Darum musste er diesmal mit besonderer Vorsicht an die Sache rangehen. Nur so war es ihm möglich, dass keiner der Anwohner auch nur den geringsten Verdacht schöpfte, es könne jemand ins eigene Haus eingebrochen sein.
»Woran denkst du wieder?«, wollte Klaus auf einmal wissen.
»Äh ... Gar nichts!« Markus schüttelte vehement den Kopf. »Es ist nur der Traum!«
»Hm, dann wird er dir übel zugesetzt haben. Für den Fall, dass du einen weiteren Albtraum bekommst, kannst du gerne zu mir ins Zimmer kommen. Dann bist du nicht so alleine. So, und jetzt lass uns überlegen, was wir heute machen.«
Markus nickte begeistert. Obwohl er immerzu an das Gemälde dachte, war er gespannt, was sein Onkel diesmal für ihn bereithielt.
Kapitel 7
In der Zwischenzeit waren Bruno Schmidt und Dietfried Schwartz von der Schutzpolizei am Haus in der Eltzstraße angekommen. Nachdem sie die Personalien der Betroffenen überprüft und sich anschließend einen ersten Überblick verschafft hatten, riefen sie Spurensicherung und Kripo hinzu. Manuel Frey und Elias Schneider hatten an einigen Türklinken Fingerabdrücke sichern können. Aber ob sie auch Aufschluss darüber gaben, wer der Täter war, konnte noch nicht gesagt werden.
Kriminalhauptkommissar Ottfried Braun und sein Team nahmen sich endgültig dem neuen Fall an. Ottfried wusste ganz genau, wie er mit solchen Einbruchsfällen wie diesem umgehen musste. Das war er gewohnt. In der letzten Zeit hatten ihn allerdings einige Morde beschäftigt. Erst vor wenigen Monaten fanden die Gerichtsverhandlungen zweier Straftäter statt, die mit dem Tod eines Teenagers in Verbindung zu bringen waren. Daran erinnerte sich der Kommissar sehr gut. Zur Pfalzeler Kirmes 2015 war der junge Mann tot aufgefunden worden, und das auch noch auf dem beliebtesten Platz in Pfalzel. Mehr als ein Jahr lag der Fund zurück, aber dem Kommissar kam es so vor, als sei es erst gestern gewesen. Nun wollte er allerdings nicht weiter in Erinnerungen schwelgen, sondern sich voll und ganz auf den neuen Fall konzentrieren. Mit seinem Kollegen Hermann Zinn war er zu dieser Adresse gefahren. Nun stand er mit ihm, den Beamten der Schutzpolizei und den drei jungen Bewohnerinnen vor dem Anwesen und unterhielt sich mit ihnen. Hermann und Ottfried wollten wissen, ob eine der Frauen irgendetwas bemerkt hatte. Jedes Detail war für die Ermittlungen von immens großer Bedeutung, daher durften Hannah, Julia und Elena nichts verschweigen. So berichtete Hannah, dass sie Geräusche in ihrer unmittelbaren Nähe wahrgenommen hatte, aber davon ausging, dass es sich um ihre Schwester handelte. Julia versicherte, dass sie im Bett gelegen habe. Somit konnte es sich ja nur um einen Einbrecher handeln. Den Frauen graute davor, wieder in ihr Haus zurückzukehren. Allerdings wussten sie nicht, wo sie sonst hätten Unterschlupf finden können. Deswegen warteten sie, bis Elias und Manuel ihre Arbeit beendeten. Als sie herauskamen, sagte Elias: »Wir werten die Spuren aus, dann bekommt die Kripo Post von uns. Es wird sicher nicht sehr lange dauern.«
»Okay, dann bin ich gespannt. Natürlich hoffe ich auch, dass wir diesem Ganoven schnell das Handwerk legen können. Nach dem Einbruch bei Familie Hansen kommt es mir so vor, als würden wir es mit einem Serientäter zu tun haben, falls es ein und derselbe war. Hermann, wir dürfen keine Zeit verlieren!« Ottfried nickte entschlossen. Er wusste genau, was er tun musste.
»Selbstverständlich, Herr Hauptkommissar! Wir werden uns sofort an die Arbeit machen. Der Kerl muss gefasst werden, bevor er den gesamten Ort in Angst und Schrecken versetzt!«, pflichtete Hermann seinem Kollegen bei. Schon jetzt war er in höchster Alarmbereitschaft, denn man wusste nie, wann und ob der Täter erneut zuschlagen würde. Der Kriminalbeamte wurde von einer Gänsehaut überkommen, als er sich vorstellte, er könnte selbst das Opfer sein. Er stieß einen Seufzer aus und trat auf den Zivilwagen zu, mit dem Ottfried und er nach Pfalzel gekommen waren. Auch Bruno, Dietfried, Elias und Manuel verabschiedeten sich. Wenige Minuten später waren sie weg. Berta und Ben standen nun gemeinsam mit Julia, Hannah und Elena allein vor dem Haus in der Eltzstraße. Sie beratschlagten, wie es weitergehen könnte, denn ein sicheres Gefühl hatten sie beim Anblick des Hauses nicht.
»Den Einbrecher konnten sie ja nicht mehr antreffen«, stellte Elena fest, nachdem die Anwesenden die vergangenen Minuten hatten Revue passieren lassen. Die junge Frau seufzte kräftig. Ihr war genauso wenig wohl bei dem Gedanken, doch wieder in die eigenen vier Wände zurückzukehren.
»Wir werden es irgendwie schaffen«, meinte Hannah nach einer Weile des Schweigens und schürzte für einen Moment die Lippen. »Immerhin haben wir keine andere Möglichkeit. Irgendwo müssen wir leben.«
»Aber