Hamburgern und Pommes und so. Nicht dieser christdemokratische Halbschotte.« Ocko Onken war von Herzen Sozialdemokrat; warum, das wusste er zwar schon lange nicht mehr, aber gegen die Konservativen war er aus Prinzip. Irgendwie.
»Ein McDaisy’s kommt hierher?« Harm Bengen sprach ungewohnt laut. Sein Kopf saß gerade und bewegungslos auf seinem faltigen Hals. »Das kann überhaupt nicht sein. Ist doch bestimmt verboten, hier so was aufzumachen.«
»Ist es nicht!«, triumphierte Bodo Schmidt. »Ja, ja, hättet ihr mal doch den Inselboten gelesen, da steht das nämlich alles drin. Dieser Redakteur, wie heißt der noch, Gottverhau oder so ähnlich, der hat nämlich unseren Bürgermeister genau das gefragt. Tja, und der Bürgermeister meint, dass er da überhaupt nichts zu verbieten hat.«
»Was?« – »Unmöglich!« – »Kann ja gar nicht.« – »Hier darf doch nicht jeder, wie dass er glaubt, dass er meint!« – »Also früher, da hätte es das hier nicht, ich meine …« – »Hat dieser Bürgermeister denn überhaupt keinen Mors in der Buxe?« Die anderen drei Mitglieder der Viererbande zeterten wild durcheinander. Bodo Schmidt grinste nur. Endlich schwamm er wieder obenauf. Wie Walspeck.
Dann zog er eine zerknitterte und wieder aufgerollte Zeitung aus einer der vielen Taschen seiner Weste. »Wenn jemand hier auf der Insel ein Gebäude ankauft oder pachtet, das bereits als Restaurant konzessioniert ist, dann kann er darin auch ein Restaurant betreiben«, zitierte er, ohne die Zeitung aufzuschlagen; er hielt sie vielmehr wie ein Ausrufezeichen vor sich in die Luft. »Darauf, was für eine Art Restaurant das dann ist, hat die Gemeinde keinerlei Einfluss, sagt der Bürgermeister.«
»Dat giff’t ja wol nich.« Ocko Onken war die Entrüstung pur. »So wenig haben die zu sagen? Dafür machen die aber ganz schön viel Wind.«
»Anders sieht es aus, wenn es sich um einen Neubau handelt. Dann ist eine Genehmigung natürlich notwendig«, deklamierte Schmidt weiter.
»Na also, wusste ich’s doch. Dann können die dem also doch ins Frittenfett spucken, diesem McDaisy’s.« Siegessicher entblößte Harm Bengen sein Zahnfleisch.
»Von wegen.« Wieder wusste es Bodo Schmidt besser. »In solchen Fällen ist nämlich nicht die Gemeinde zuständig, sondern der Landkreis. Und diese Herrschaften sitzen ja bekanntlich drüben in Deutschland.«
»Der Landkreis? In Deutschland? Sag bloß, die dürfen entscheiden, was wir hier zu essen kriegen!« Das empörte Klaas Reershemius noch mehr als jeder Norderney-Vergleich.
»Musst ja nicht hingehen, auch wenn die hier aufmachen«, widersprach Schmidt. »Außerdem verkaufen die sowieso nix in Schnabeltassen.«
»Na, von wegen!« Ocko Onken lüpfte seine Schiffermütze und rieb sich erregt die spärlichen Haarstoppeln. »Wenn dieser Laden, dieser Imbiss, also dieser McDaisy’s wirklich hier aufmacht, dann rennen alle Kinder und Jugendlichen hin, darauf kannste einen lassen.«
Klaas Reershemius zuckte die Achseln, stieß seinen Stock aufs Pflaster und kreuzte die Hände über dem Griff. »Na und? Dann sind die Blagen alle gut aufgehoben, und wir anderen wissen, wo wir nicht hingehen müssen, um unsere Ruhe vor denen zu haben.«
»Oh nee. Nee nee!« Harm Bengen fuchelte aufgeregt mit dem Zeigefinger. »So einfach ist das nicht. Weil, wenn die Jungen alle zu diesem Burgerladen gehen, dann gehen ein paar von den Alten sicher mit. Im Urlaub muss ja Familie sein, nicht? Geht ja nicht anders. Und diese Gäste, die jungen wie die alten, die fehlen dann den anderen Lokalen! Dann sind die nicht mehr ausgelastet. Und weil die doch alle so knapp kalkulieren müssen, hat mir Bea erzählt, werden die das nicht lange verknusen können. Und dann …«
»Dann machen die dicht«, unkte Ocko Onken mit Grabesstimme.
»Und dann musst du wirklich zu McDaisy’s gehen, wenn du noch mal auswärts essen willst«, sagte Harm Bengen zu Reershemius. »Weil es die anderen Restaurants nämlich nicht mehr gibt.«
»Was für ein Quatsch!«, widersprach Bodo Schmidt, obwohl auch seine Augen vor Schreck gerundet waren. Er ließ die aufgerollte Zeitung fallen. »Es machen hier doch nie und nimmer alle Restaurants dicht, nur weil ein einziger McDaisy’s eröffnet wird! Das ist doch pure Schwarzmalerei. Guckt euch doch bloß mal um, wie viele verschiedene Fressläden es hier gibt!«
»Klar, das stimmt«, antwortete Onken. »Natürlich gehen nicht alle ein. Sondern nur einige. Nur weiß man vorher nicht, welche das sein werden. Vielleicht Renko Heidergott mit seinem Fischlokal? Oder vielleicht … Harms kleine Bea?«
»Bea ist zäh, die gibt so schnell nicht auf«, verkündete Harm Bengen mit brüchiger Stimme.
»Mag sein. Aber kämpfen wird sie müssen. Weil auch die anderen kämpfen werden, kämpfen wie die Kanalratten!«, sagte Onken. »Harte Bandagen. Ein paar werden dabei hopsgehen. Und bei den anderen wird nachher auch nicht alles so sein wie vorher, weil sie ja versuchen müssen, diesem McDaisy’s die Kunden abzujagen. Dabei werden sie sich denen wohl ein bisschen anpassen müssen.«
»Anpassen?«, fragte Reershemius. »Du meinst – überall weiche Brötchen und Fettpommes?«
»Musste mit rechnen.«
»Oh Gommes nee!«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Dann fragte Harm Bengen: »Wer ist es denn nun eigentlich? Also der, der hier so ’nen Laden aufmachen will? Ich mein, dieser Herr Meckes selbst isses ja wohl nicht.« Er runzelte die Stirn. »Daisy. Ist das nicht überhaupt ein Frauenname?«
»Ihr werdet es mir nicht glauben.« Wieder schickt Bodo Schmidt sich an, seinen Wissensvorsprung genusssüchtig auszukosten. Angesichts dreier finster blickender Augenpaare jedoch verzichtete er lieber darauf. »Also gut, es ist Heiko Grendel. Was sagt ihr nun?«
»Heiko? Ha!« Ocko Onken lachte kurz und freudlos auf. »Dann haben wir ja nichts zu befürchten. Heiko kriegt doch nie was gebacken.«
Harm Bengen lachte nicht. »Heiko Grendel alleine?«, hakte er nach.
»Nee«, sagte Bodo Schmidt. »Wo soll der denn das ganze Geld hernehmen, das er dafür braucht? Die Zeitung schreibt, dass er noch zwei Leute hinter sich hat. Investoren nennt man so was.«
»Aha«, grummelte Klaas Reershemius. »Zwei aus Deutschland, stimmt’s?«
»Stimmt«, bestätigte Schmidt.
»Und die haben Geld übrig, Geld, das Junge kriegen soll?«
Bodo Schmidt nickte.
»Dann wird es vielleicht doch ernst«, sagte Reershemius und hieb erneut seine Stockspitze aufs Pflaster. »Leute, die schon Geld gemacht haben, die wissen, wie das geht. Anders als Heiko Grendel. Und reiche Leute sind nie zufrieden. Die wollen immer noch mehr.«
»Aber warum geben die sich dann überhaupt mit Heiko ab?«, fragte Ocko Onken. »Heiko ist kein Koch, und als Geschäftsführer bringt er’s auch nicht, das ist erwiesen. Ja, wenn er wenigstens ein passendes Gebäude hätte! Dann könnt ich’s ja verstehen, von wegen keine Genehmigung und so. Aber er hat ja … keins …« Er stockte und rieb sich nachdenklich den schlohweißen Vollbart. »Oder denken die etwa … dass Heiko …«
Reershemius nickte. »Tjabbes Laden. Der steht leer.«
»Aber der gehört doch … Tjabbe?«
»Tjabbe Grendel liegt im Hospiz, in Leer.« Reershemis’ ohnehin schmallippiger Mund wurde zu einem dünnen Strich mit abwärts gebogenen Enden. »Soll es wohl nicht mehr lange machen, heißt es.«
»Ja und? Der alte Knochen ist zäh«, sagte Onken. »Außerdem, selbst wenn er demnächst in die Kiste springt – wer sagt denn, dass Heiko das Haus erbt?«
»Wer denn sonst? Heiko ist Tjabbes einziger Neffe, sonst ist da keiner.« Die Familienverhältnisse auf der Insel kannte Reershemius ganz genau.
»Na ja, er könnte doch auch alles sonst wem vererben, nicht? So begeistert von Heiko war Tjabbe doch nie.«
Reershemius schüttelte den Kopf. »Selbst wenn. Grundbesitz