A. F. Morland

Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020


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dich schon mal belogen?“, fragte Katja missgestimmt.

      Norbert zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Hast du?“

      Sie wurde ärgerlich. „Norbert, so darf das nicht weitergehen“, sagte sie energisch. „Auf diese Weise machen wir uns kaputt. Vergiss nicht, ich bemühe mich, dir zu helfen. Nur darum geht es mir. Ich bin nicht an Spaß mit fremden Männern interessiert. Ich liebe dich. Geht das nicht in deinen Kopf rein? Ich liebe dich!“

      Er legte die Hände auf sein Gesicht und schluchzte. „Bitte verzeih mir, Katja. Ich liebe dich auch. Deshalb quält mich das alles ja so sehr.“

      „Es ist spät. Komm ins Haus.“

      Er stand auf und ging mit ihr. Später, im Bett, gab sie ihm einen flüchtigen Gutenachtkuss und löschte das Licht, aber er ließ sie noch nicht schlafen. Er wollte noch zu ihr kommen.

      „Bitte, Norbert, ich bin müde“, seufzte sie.

      Er rückte näher. „Du hast gesagt, dass du mich liebst.“ Seine Hände streichelten ihren Körper.

      „Das tue ich“, sagte sie.

      „Was soll dann diese abweisende Haltung?“, fragte er verständnislos. „Ich bin müde. – Ich habe Kopfschmerzen. – Ich habe Migräne. – Das sind die wohl am meisten gebrauchten Ausreden von euch Frauen, wenn ihr keine Lust auf Sex habt.“ Er presste sich an sie. „Ich muss wissen, ob du mich tatsächlich liebst, Katja. Ich muss es wissen, sonst kriege ich die ganze Nacht kein Auge zu.“

      Sie gab nach, ließ ihm seinen Willen, aber es war nicht schön für sie.

      24

      Dem Chefarzt der Paracelsus-Klinik fiel auf, dass Dr. Katja Arndt nicht ganz auf der Höhe war, aber er beredete es nicht. Jeder hat hin und wieder mal eine schlechte Nacht hinter sich. Auch er war davor nicht gefeit, deshalb ging er großzügig darüber hinweg und bat den Assistenzarzt Dr. Peter Donat, der Internistin ein wenig mehr zur Hand zu gehen, um sie zu entlasten.

      Im Laufe des Vormittags kam die Ärztin immer besser in Schwung, und von ihrer Müdigkeit war bald nichts mehr zu sehen. Als es auf Mittag zuging, merkte Schwester Annegret – sie arbeitete seit mehr als vierzig Jahren im Klinikum und hätte längst in Rente gehen können, wollte das aber nicht – dass die Gedanken des Klinikchefs immer wieder kurz abschweiften.

      Die alte Pflegerin kannte Dr. Sören Härtling schon so lange, dass er keine Gemütsregung vor ihr verbergen konnte. Und sie durfte ihn auch jederzeit darauf ansprechen.

      „Sie sind nervös, Chef“, stellte sie fest, während sie ihm ein Handtuch reichte. Er hatte sich die Hände gewaschen. Die Vormittagssprechstunde war zu Ende. Die letzte Patientin hatte sich soeben verabschiedet.

      Dr. Härtling sah die grauhaarige Mitarbeiterin lächelnd an. „Merkt man das?“ Er trocknete seine Hände ab und gab der Pflegerin das Handtuch zurück.

      Annegret schmunzelte. „Ich schon.“

      Sören Härtling nickte. „Sie haben recht, Annchen, ich bin nervös. Meine Frau und meine Schwester werden nämlich in Kürze mit Wolf-Dietrich Bockmayer speisen, und bei dieser Gelegenheit werden sie ihm in die Hand versprechen, ihm als Mannequins zur Verfügung zu stehen. Das Ganze dient einem guten Zweck, sonst würden sie’s nicht machen.“

      „Wann soll das große Ereignis denn stattfinden?“, fragte Schwester Annegret interessiert.

      „Ein Termin steht noch nicht fest.“ Dr. Härtling machte eine vage Handbewegung. „Irgendwann im Spätsommer oder Anfang Herbst, denke ich.“

      „Das wird bestimmt eine sehr aufregende Sache werden.“

      „Jana befürchtet, dass sie zu aufregend für sie wird“, sagte der Klinikchef und streifte sich die Ärmel runter. „Deshalb würde sie auch lieber weiterhin im Verborgenen blühen, aber das lässt meine Schwester nicht zu.“

      „Ihre Frau und Ihre Schwester werden auf dem Laufsteg ganz bestimmt eine sehr gute Figur machen“, versicherte die alte Pflegerin überzeugt.

      Dr. Härtling nickte lächelnd. „Das hoffen wir alle.“

      25

      Clemens Bennet holte die Damen von zu Hause ab. Er steuerte seinen Wagen nicht selbst. Sein Chauffeur fuhr, damit er sich ungestört den zukünftigen Laufsteg-Stars, wie er sie nannte, widmen konnte.

      Jana Härtling seufzte geplagt. „Was man sich im Leben alles antut!“

      „Eure Mitwirkung wird ein echtes Highlight für euch sein“, sagte Bennet überzeugt.

      Der Wagen rollte mit dem Verkehrsstrom durch Haidhausen, auf das Klinikum rechts der Isar zu. Verabredet waren sie mit Wolf-Dietrich Bockmayer in einem First-Class-Restaurant in der Prinzregentenstraße.

      Jana Härtling hob die Hände. „Das ist noch nicht sicher.“

      Clemens Bennet legte die Hand auf ihren Arm. „Wovor hast du Angst?“

      „Vor einer Blamage“, gab Jana offen zu. „Wenn Bockmayer seine Kreationen zeigt, ist das stets ein großes Medienspektakel Fernsehen, Presse, Rundfunk … Und auf dem Laufsteg zwei blutige Anfängerinnen!“

      „Ihr werdet eure Aufgabe mit Bravour meistern.“

      Jana stöhnte. „Dein Wort in Gottes Ohr.“

      „Ich habe nicht die geringsten Bedenken.“

      Jana lachte. „Du brauchst ja auch nicht über den Laufsteg zu gehen.“ Vor dem Restaurant stand Bockmayers weißer Rolls-Royce. „Ah“, sagte Clemens Bennet, „unser Freund ist bereits da.“

      Der Modeschöpfer war wie immer todschick gekleidet. Er trug einen Anzug aus weißer Seide. Das Jackett war hochgeschlossen und der schlichten indischen Kleidung nachempfunden. Selbstverständlich war Bockmayer wieder geschminkt. Ungeschminkt könne er sich nicht anschauen, hatte er erst kürzlich wieder in einer Talk Show gestanden, und seit er prominent war, ging er auch nicht mehr aus dem Haus, ohne sich vorher mit Eyeliner, Wimperntusche und Lidschatten zurechtgemacht zu haben. Seine auffallende Rothaarperücke mit den vielen Locken war für ihn inzwischen zum Markenzeichen geworden. Keiner konnte sagen, welches Haar sich darunter befand. Vielleicht war sein Kopf sogar total kahl. Auch das war möglich. Niemand wusste es.

      Bockmayer begrüßte Jana Härtling und Trix Lassow mit einem Handkuss und verlieh seiner Freude darüber Ausdruck, dass sie seiner Idee wohlwollend gegenüberstanden. Bevor das Essen kam, zeigte er Jana und Trix die Modelle, die er eigens für sie entworfen hatte – traumhaft schöne, tragbare Stücke, in die die beiden „Mannequins“ sich sofort verliebten. Eines davon würden sie nach der Veranstaltung behalten dürfen, stellte der Modezar ihnen in Aussicht. Wer könnte da noch ablehnen, dachte Jana und seufzte leise.

      Das Essen fand in angenehm lockerer Atmosphäre statt. Obwohl Wolf-Dietrich Bockmayer reich und berühmt war und auf den ersten Blick ziemlich exaltiert wirkte, hatte er keinerlei unangenehme Allüren.

      Man konnte sich mit ihm wunderbar unterhalten, und je länger Jana und Trix mit ihm zusammen waren, desto besser konnten sie sich vorstellen, dass das, was Bockmayer ihnen zutraute, tatsächlich zu schaffen war.

      26

      Die schätzungsweise fünfundfünfzigjährige, geschmackvoll gekleidete Frau schien verstört durch die Paracelsus-Klinik zu irren, deshalb sprach Dr. Härtling sie an. „Kann ich Ihnen helfen?“

      Sie sah ihn verwirrt an, schien die Orientierung verloren zu haben. „Oh. Äh. Ja. Schon möglich. Vielleicht …“

      „Ich bin Dr. Härtling, der Leiter dieser Klinik“, stellte Sören sich mit einem freundlichen Lächeln vor.

      „Ja, dann können