Udo Lau

Jagd mit Freunden


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und gibt Rudi und mir die Gelegenheit, der feinen Nase des treuen Hundes zu folgen und die heimlichen Ecken zu entdecken…und das mit treffsicherem Erfolg: eine saubere „Triplette“ von Hase, Ente und Fasan können wir ihm im Dschungel der „Pferdekoppel“ präsentieren, als er neugierig auf dem „Lönsweg“ auf uns wartet und rätselt, wie denn die Schüsse außerhalb seines Wirkungsbereiches zu erklären sind.

      Und das ist das Einmalige an unserem Trio: jeder freut sich über den Erfolg des anderen, niemals kommt auch nur eine Spur von Jagdneid oder Missgunst auf, im Gegenteil, die Freude des anderen ist die eigene Freude.

      So kommt es auch schon einmal vor, dass der gegenseitige Trost die Enttäuschung über einen bedauerlichen Fehlschuss besänftigen muss, noch ehe Gram und Kummer sich festsetzen können. Wie schön, wenn alle drei sich lachend anschauen , nachdem ein todesmutiger Fasanengockel querab die Schützenkette der drei Musketiere unverletzt durchfliegt und kein einziges Schrotkörnchen sein buntes Gefieder erwischt.

      So sind wir gar nicht mehr zur „Lakeweide“ gekommen. Der Tag hatte uns so reichlich beschenkt, dass wir glücklich und zufrieden „Hahn in Ruh“ geblasen haben und auf dem Weg zurück zur Hütte die Sonne glutrot untergehen sahen. Ein wunderschöner Herbsttag, ein Indianersommer im Sulinger Bruch… wer hatte schon das Glück, so etwas erleben zu dürfen? Wir: Rudi, Fivos und ich, mit Erle an unserer Seite.

      Niemals haben wir es versäumt, unseren Dank und Respekt vor dem erlegten Wild würdevoll zu zelebrieren. Das „Streckelegen“ war nie ein Akt eitler Selbstdarstellung oder Angeberei, es war uns ein Bedürfnis, die Jagd als einvielleicht antiquiertes, aber - elementares Kulturgut unserer Geschichte zu ehren und zu akzeptieren.

      Die abendliche Runde in der molligen Jagdhütte, bei warmen Kerzenschein und kühlem Bier, die Nachbereitung der Tageserlebnisse bei Zaziki und griechischem Salat, Knoblauchspaghetti und Fetakäse war eine Hommage an die Freundschaft, wurde ein Teil unseres Lebens und geriet niemals in Vergessenheit.

      Wer außer uns dabei sein durfte war ein Glückspilz, wem zweimal diese Ehre zuteil wurde, ein Sonntagskind und wer ein Dauergast werden durfte, blieb die seltene Ausnahme.

      Diese Einschätzung zeigt keinerlei Überheblichkeit oder Dünkel, sie unterstreicht nur die Einmaligkeit dieses Triumvirats und ihres Vertrauens zueinander.

      Der Zeitraum dieses Jagdtages war sicherlich der Beginn eines sich über Jahrzehnte wiederholenden Erlebnisses, das nie gleich war und doch in seiner Symbolik eine dauerhafte Ähnlichkeit aufwies: die Sehnsucht nach Sicherheit und Verlässlichkeit in einer vertrauten Umgebung, einer einfachen Jagdhütte und einer unverfälschten Natur.

      SAUENTRAUMA

      April 1991

      Das alte Jagdjahr geht, das neue kommt. Am 1.April werden aus Frischlingen Überläufer und die Jahresringe des Jägers sind wieder einer mehr geworden.

      Kein Grund, den Drilling kalt und den Jagdschein alt werden zu lassen – also neu gebucht und frisch geladen!

      Der Vollmond im April lässt hoffen; das Rehwild kommt spät und ist eh noch zu, die Sauen kommen noch später. Der Standortwechsel von der „Steinleiter“ zu „Schrader Rotts Wiese“ erweist sich als richtig.

      Bei leichtem Ostwind bleibe ich gleich vorne bei der Wald-Wiesenecke an der Picknickbank mit dem klobigen Eichentisch sitzen. Zwar fehlt hier der erhöhte Blick von einer Leiter, aber die Sicht reicht aus. Gemütlich ist es auf der Bank, eigentlich fehlt nur noch eine deftige Brotzeit. Ich genieße die Ruhe der abendlichen Dämmerung, die heute durch keinen späten Spaziergänger auf dem „Rippchen Trail“ zu Wollenwebers Gasthaus gestört wird.

      Als um 21: 45 Uhr immer noch nichts auf der Pläne erschienen ist, entschließe ich mich, den Heimweg anzutreten und schwenke mit dem Glas ein letztes Mal über die Wiese. Da…!!! drei dunkle Flecken geradeaus vor mir an der linken Waldkante, nur schemenhaft zu erkennen, aber Sauen! Überläufer, keine Frage, unter 50 kg. Die könnten passen.

      Doch nicht bei dieser Sicht. Wolken haben sich vor den ohnehin schwachen Mond geschoben und die Entfernung schätze ich auf etwa 80 bis 90 Meter. Die Konturen verschwimmen ineinander und die dunklen Punkte lösen sich in diffuses Grau auf. Aus dem koffergroßen Wutz bleibt nur noch ein Bierdeckel kleines Fleckchen übrig, der Rest ist erahnte Zielfläche.

      Dennoch, nicht geschossen ist auch vorbei, ich will es wagen. Sorgfältig lege ich den Rucksack auf den Eichentisch, die Lodenkotze noch als Erhöhung obendrauf und verschaffe mir so eine halbwegs passable Auflage für meinen zuverlässigen Drilling.

      Ruhig richte ich alles ein, der Oberkörper in Dreipunktlage auf den schweren Eichenbohlen…alles ist bereit, aber wo sind die Sauen?

      Mit dem Doppelglas kriege ich sie wieder rein. Das rechte Auge tränt bereits vom angestrengten Zielen. Jetzt steht eins breit und frei, was heißt hier breit? Links oder rechts? Egal, eine letzte Kontrolle und der Zeigefinger krümmt den eingestochenen Abzug. Knall, Feuerblitz, geblendet versuche ich den flüchtenden Sauen durchs Zielfernrohr nachzuschauen. Vergeblich suche ich das „getroffene“ Stück, aber kein schwarzer Fleck, nichts – Mist, das ist immer die größte Enttäuschung, wenn nach dem Schuss die Bühne leer ist.

      Ich meine doch gut abgekommen zu sein? Egal, eine Nachsuche ist morgen fällig. Auf dem Nachhauseweg treffe ich Klaus, meinen Försterfreund und Jagdmentor. Er hat es besser gemacht, seine Sau liegt, aber er meint, meinen Kugelschlag gehört zu haben. Eine vage Hoffnung für eine unruhige Nacht.

      Eigentlich ruft mich die Unterrichtspflicht in die Schule. Aber ein Anruf bei meinem vertrauten Hallenwart regelt die Sache, er übernimmt die beiden ersten Stunden auf kurzem Dienstweg.

      Klaus und ich sind derweil mit unseren beiden Dackelrüden längst im Revier. Hunde und Herrchen suchen über eine Stunde nach Schnitthaar, Schweiß, Anschuss oder Wundfährte – nichts, aber rein gar nichts. Weder auf der Wiese noch im angrenzendenden Stangenholz oder der Eichendickung auch nur ein winziger Hinweis. Bogen für Bogen gehen wir ab, schnallen die Hunde, keine Spur einer einzigen Borste geschweige denn ein Tröpfchen roten Lebenssaftes.

      Abbruch, Aufgabe, Fehlschuss, Enttäuschung! Vielleicht doch zu dunkel und zu weit? Wir werden es nicht erfahren. Aber die Schüler fragen neugierig nach, als ich dann kurz vor Ende der Sportstunde doch noch auftauche. Mein Nachsuchen Outfit verrät ihnen sofort den Grund meines späten Erscheinens, aber sie hatten dafür eine entspannte Fußballstunde anstelle einer anstrengenden Bodenkür.

      Ich will`s wissen! Am nächsten Abend bin ich wieder draußen. Ich muss mir Sicherheit verschaffen. Kommen drei oder zwei, war`s ein Fehlschuss oder nicht? Um 21: 00 Uhr sitze ich, aber diesmal auf dem Ansitzbock direkt mittig an der linken Waldkante, sodass ich die ganze Wiese aus erhöhter Position vor mir habe.

      Rehwild, Hase, Fuchs, alles ist auf der Pläne, hutwurfnah, nur keine Sauen, auch nicht bis 22: 00 Uhr. Dennoch, meine Zweifel lassen mir keine Ruhe und ich halte bis 23: 00 Uhr aus. Aber auch bis dahin kein Pürzel, keine Borste. Aber eigentlich auch kein Wunder, wenn ich am Abend vorher Feuer bekommen hätte, würde ich auch am nächsten Abend nicht zur Wiederholungsvorstellung kommen.

      Eine halbe Stunde gebe ich mir noch, halb zwölf, dann soll`s gut sein. Kaum ist der Entschluss gefasst, da knackt es schon im Unterholz. Eine heiße Welle pulst durch meine Adern und im nächsten Augenblick steht der erste Klotz links vor mir an der Waldkante. Nur einer? Nein, vier deutlich kleinere kommen hinterher. Aber was für welche – drei davon wie gefleckte Katzen, zweifellos eine Mischung aus Wollenwebers Hausschweinen und der Lichtenhagener Wildpopulation.

      Eine Bache mit vier Frischlingen, die so um die 25 kg. haben, aber leider 120 Schritt entfernt, da nützt auch die größte Mondscheibe nichts hinter den Eichen. Einer, der ganz schwarze, der würde gehen, weil am besten zu erkennen, aber noch ehe er meine Versuchung kitzelt, verschwindet er im Wald. Die Bache steht da wie ein Klavier und weiß um ihre Sicherheit, aber ihre drei Gescheckten heben sich kaum vom taufeuchten Gras der Wiese ab, also nicht nochmal ein Risiko, der Finger bleibt gerade.

      Der Zeiger der Uhr geht auf Mitternacht und im Stangenholz rumort es hinter mir noch verheißungsvoll. Ich glaube es nicht – da stehen