Gene Stone

How Not To Die


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meiner Medizinerkollegen diesen Weg? Weil sie nicht nur nicht dafür ausgebildet wurden, sondern auch nicht dafür bezahlt werden. Niemand profitiert von der Lebensstilmedizin (außer den Patienten), also ist sie auch kein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Ausbildung oder Praxis.96

      So eben funktioniert das gegenwärtige medizinische System: Es ist dafür ausgelegt, das Verschreiben von Tabletten und Behandlungen finanziell zu belohnen, nicht aber das Empfehlen gesunder Lebensmittel. Nachdem Dr. Ornish nachgewiesen hatte, dass sich Herzerkrankungen auch ohne Medikamente oder Operationen behandeln und sogar heilen ließen, glaubte er, dass seine Forschungsergebnisse die Praxis der Schulmedizin stark beeinflussen würden. Schließlich hatte er erfolgreich herausgefunden, wie man der Todesursache Nummer 1 entgeht! Leider irrte er, allerdings nicht, was seine wegweisenden Forschungsergebnisse zur Ernährung und der Behandlung und Heilung von Krankheiten anbelangte, sondern was den Einfluss des medizinischen Geschäfts auf die medizinische Praxis angeht. Dr. Ornish schlussfolgerte daraus, dass „die tatsächlich stattfindende Vergütung ein weitaus entscheidenderer Faktor in der medizinischen Praxis ist als die Forschung.“97

      Doch auch wenn hier versteckte Interessen am Werk sind, wie z. B. die der konventionellen Lebensmittel- und Pharmaindustrie, die hart dafür kämpfen, diesen Status Quo beizubehalten, gibt es dennoch einen großen Unternehmenssektor, der davon profitiert, wenn Menschen gesund bleiben – nämlich die Versicherungsbranche. Kaiser Permanente, die größte Gesundheitsorganisation der USA, veröffentlichte in ihrer offiziellen medizinischen Fachzeitschrift ein Update zum Thema Ernährung für Ärzte, in dem ihre fast fünfzehntausend Partnerärzte darüber informiert wurden, dass eine gesunde Ernährung „am besten mit einer pflanzenbasierten Diät und pflanzlichen Lebensmitteln, aber ohne Fleisch- und Milchprodukte, Eier oder raffinierte und industriell verarbeitete Produkte erreicht wird.“98

      „Zu oft ignorieren Ärzte die potenziellen Vorteile einer guten Ernährung und verschreiben zu schnell Medikamente, als ihren Patienten die Möglichkeit zu geben, ihre Krankheiten mithilfe einer gesunden Ernährung und eines aktiven Lebensstils zu bekämpfen. […] Ärzte sollten in Betracht ziehen, all ihren Patienten, insbesondere aber denjenigen mit Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Fettleibigkeit, eine pflanzenbasierte Ernährung zu empfehlen.“99 Ärzte sollten ihren Patienten die Möglichkeit geben, ihre Erkrankung zunächst selbst mit einer pflanzenbasierten Ernährung zu kurieren.

      Der große Nachteil, den das Ernährungsupdate von Kaiser Permanente erwähnt, ist, dass diese Ernährungsweise vielleicht sogar zu gut funktioniert. Wenn die Menschen beginnen, sich pflanzenbasiert zu ernähren, während sie weiterhin ihre Medikamente einnehmen, ist es möglich, dass ihr Blutdruck oder Blutzucker so stark absinkt, dass die Ärzte die Medikation anpassen oder die Medikamente ganz absetzen müssen. Ironischerweise besteht die „Nebenwirkung“ dieser Ernährung also darin, zukünftig eventuell gar keine Medikamente mehr nehmen zu müssen. Der Artikel endet mit einem vertrauten Refrain: Weitere Forschungen sind notwendig. In diesem Fall jedoch sind „weitere Forschungen notwendig, um Wege zu finden, eine pflanzenbasierte Ernährungsweise zur neuen Norm werden zu lassen. …“100

      ***

      Wir sind noch weit von Thomas Edisons Prophezeiung aus dem Jahr 1903 entfernt. Ich hoffe aber, dass dieses Buch Ihnen verstehen hilft, dass die meisten unserer häufigsten Todes- und Invaliditätsursachen viel eher vermeidbar denn unausweichlich sind. Der Hauptgrund für familiär auftretende Krankheiten sind sehr wahrscheinlich familiäre Essgewohnheiten.

      Für mindestens 80 bis hin zu 90 % aller durch die häufigsten Krankheiten verursachten Todesfälle sind nicht-genetische Faktoren wie unsere Ernährung verantwortlich. Wie bereits angemerkt beruht dies auf der Tatsache, dass die Raten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verschiedene Krebsarten weltweit zwischen fünf- bis zu hundertfach voneinander abweichen. Migrationsstudien zeigen, dass dies nicht nur genetisch bedingt ist. Wenn Menschen aus Gebieten mit einem geringen in Gebiete mit einem hohen Risiko ziehen, erreicht ihr Erkrankungsrisiko fast immer das der neuen Umgebung.101 Auch innerhalb von einer Generation dramatisch veränderte Erkrankungsraten unterstreichen die Rolle externer Faktoren. In den 1950er-Jahren entsprach die Darmkrebsmortalität in Japan weniger als einem Fünftel der in den USA (Amerikaner japanischer Abstammung eingeschlossen).102 Heutzutage ist die Darmkrebserkrankungsrate in Japan genauso hoch wie in den USA; ein Anstieg, der zum Teil der Verfünffachung des Fleischkonsums zugeschrieben wird.103

      Untersuchungen haben gezeigt, dass eineiige Zwillinge, die nach der Geburt getrennt wurden, je nach ihrer individuellen Lebensweise an unterschiedlichen Krankheiten erkranken. Eine neuere Studie, die von der American Heart Association finanziert wurde, verglich die Lebensweisen und die Arterien von über fünfhundert Zwillingen. Dabei stellte sich heraus, dass die Faktoren Ernährungs- und Lebensweise die genetischen Voraussetzungen eindeutig übertrumpften.104 Sie teilen 50 Prozent Ihrer Gene mit Ihren Eltern. Wenn Ihre Mutter oder Ihr Vater an einem Herzinfarkt stirbt, wissen Sie, dass Sie einen Teil dieser Anfälligkeit geerbt haben. Doch sogar bei eineiigen Zwillingen, die exakt dieselben Gene haben, könnte eine an einem Herzinfarkt sterben und die andere ein langes, gesundes Leben mit freien Arterien führen; je nachdem, was sie isst oder wie sie lebt. Sogar wenn beide Ihrer Eltern an einer Herzkrankheit gestorben sind, sollte es für Sie möglich sein, sich zu einem gesunden Herzen zu essen. Ihre Familiengeschichte muss nicht zu Ihrem persönlichen Schicksal werden.

      Nur weil Sie mit schlechten Genen geboren wurden, heißt das nicht, dass Sie diese nicht wirksam ausschalten können. Wie Sie in den Kapiteln zu Brustkrebs und Alzheimer lesen werden, haben Sie, auch wenn Sie mit Hochrisikogenen geboren wurden, eine immense Kontrolle über Ihr eigenes medizinisches Schicksal. Das neue, spannende Fachgebiet, das sich mit der Kontrolle der Genaktivität befasst, ist die Epigenetik. Hautzellen sehen z. B. anders aus und funktionieren auch gänzlich anders als Knochenzellen, Hirnzellen oder Herzzellen, doch bestehen alle von ihnen aus denselben DNA-Bausteinen. Sie funktionieren deshalb unterschiedlich, weil sie bestimmte Gene an- oder ausgeschaltet haben. Die gleiche DNA, aber unterschiedliche Ergebnisse.

      Lassen Sie mich Ihnen an einem Beispiel zeigen, wie erstaunlich diese Wirkung sein kann. Denken Sie an die fleißigen Honigbienchen. Königinnen und Arbeiterinnen sind genetisch identisch. Dennoch legt eine Königin täglich bis zu zweitausend Eier, während die Arbeiterinnen funktionell steril sind. Königinnen leben bis zu drei Jahre lang, Arbeiterinnen manchmal nur drei Wochen.105 Der Unterschied zwischen beiden liegt in der Ernährung. Wenn die Königin eines Bienenvolkes stirbt, wird von den Ammenbienen eine Larve ausgewählt, die ihr Leben lang mit einem speziellen Drüsensekret, dem Königinfuttersaft, gefüttert wird. Wenn die Larve dieses Sekret frisst, wird ein Enzym ausgeschaltet, das die Ausprägung der Königinnengene verhindert, und eine neue Königin wird geboren.106 Die Königin hat exakt dieselben Gene wie die Arbeiterinnen, doch sind diese Gene aufgrund ihrer Ernährung unterschiedlich ausgeprägt, wodurch sich ihr Leben und ihre Lebensdauer dramatisch verändert.

      Krebszellen können die Epigenetik gegen uns verwenden, indem sie die Gene ausschalten, die Tumore unterdrücken und das Entstehen von Krebs verhindern können. Sogar wenn Sie mit guten Genen geboren wurden, kann der Krebs mitunter einen Weg finden, diese auszuschalten. Es gibt eine Reihe von Medikamenten, die für die Chemotherapie entwickelt wurden, um die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers wiederherzustellen. Diese werden aber wegen ihrer hochgradigen Giftigkeit nur sehr selten eingesetzt.107 Es existieren jedoch im Pflanzenreich, bspw. in Bohnen, grünem Blatt- und Kohlgemüse und Beeren, eine Reihe von Substanzen, die denselben natürlichen Effekt zu haben scheinen.108 So wurde z. B. gezeigt, wie durch das Tröpfeln von grünem Tee auf Darm-, Speiseröhren- oder Prostatakrebszellen die vom Krebs ausgeschalteten Gene reaktiviert wurden.109 Und dies wurde nicht nur in vitro, also in einer Laborschale, nachgewiesen. Drei Stunden nach dem Verzehr einer Tasse Brokkolisprossen wird das Enzym, das verschiedene Krebsarten dafür benutzen, um unsere Abwehrkräfte auszuschalten, in der Blutbahn110 in gleicher oder sogar stärkerer Weise unterdrückt als mit dem Chemotherapeutikum, das extra zu diesem Zweck entwickelt wurde,111 nur ganz ohne die giftigen Nebenwirkungen.112

      Was würde passieren, wenn unser Essen zum Großteil aus vollwertigen