Thomas Williams

Christmas Bloody Christmas 2


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sich seine Finger wie ein Schraubstock um meinen Arm schlossen, »wenn du nicht willst, veröffentliche ich im Netz alle geilen Bilder, die ich von dir habe. Zeitgleich verbreite ich, dass du eine Hure bist. Was denkst du, wer das Bier und das Weihnachtsessen bezahlt hat? Das war ich, du kleines Flittchen. Und jetzt komm her!« Grob drückte er mich über den Bierkasten, dass ich mich abstützen musste, um nicht darauf zu fallen. Um Hilfe rufen würde mir nichts nützen. Im Erdgeschoss wohnte der Hausmeister. Ein unsympathischer Kerl, der mich jedes Mal so gierig anglotzte, wenn ich im Treppenhaus war. Sicher würde er lieber meinem Onkel helfen, mich aus den Klamotten zu bekommen, als mir. Die Wohnung darüber stand leer. Und meine Eltern? Die konnte ich vergessen. Eduard schob mein Kleid hoch und zerrte an meinem Höschen. Es brannte auf der Haut, wo mir der Baumwollstoff ins Fleisch schnitt.

      Vielleicht war es der Wunsch, lieber tot zu sein, als erneut diesen Widerling in mir zu spüren. Möglicherweise auch die Vernunft, die mir klarmachte, dass ich mich nicht mehr erpressen lassen wollte.

      »Wer das bezahlt hat? Das war ich, du krankes Schwein!«, schrie ich, zog eine volle Flasche aus dem Kasten und knallte sie meinem Onkel auf den Kopf.

      Als ob ein Dämon von mir Besitz ergriffen hatte, donnerte ich ihm erneut die Flasche auf den Schädel. Beim ersten Angriff hatte ich ihn nur grob gestreift. Schließlich hatte ich mich erst aus der gebückten Haltung drehen müssen. Aber jetzt stand ich vor ihm. Schlug zu und das Glas zerbarst über seinem kargen Haupt. Bier schäumte und lief ihm über das Gesicht. Ich schlug erneut mit dem Stumpen der Flasche zu. Das Brennen der Schnitte in meiner Handfläche nahm ich kaum wahr. Mein Onkel taumelte zurück, stolperte über seine Hose, die ihm bereits bis zu den Knien herabgerutscht war, und fiel auf seinen Hintern. Ohne Einfluss auf mein Tun zu haben, griff ich eine zweite Flasche und schlug sie ihm ins Gesicht. Sie zerbarst mit dem Klang seines brechenden Nasenbeins. Mit dem zerborstenen Flaschenhals in der Hand verharrte ich vor seinen entsetzten Augen.

      »Mach den Mund auf und lutsch, als sei es ein Lolli!« Was auch immer gerade von mir Besitz ergriffen hatte, wählte genau die Worte, die mein Onkel vor einigen Nächten benutzt hatte, als er mich zwang, ihm einen zu blasen.

      Wimmernd hob Eduard die Hände. Als er seinen Mund öffnete, um etwas zu sagen, rammte ich ihm die zerbrochene Flasche ins Gesicht. Seine Zähne waren im Weg, es war einiges an Kraft nötig, um ihm den Rest des scharfkantigen Glases in die Kehle zu rammen. Mit gurgelnden Lauten blubberte Blut aus seinem Mund und zeichnete ein bizarres Gemälde auf den Kellerboden.

      Ich hielt den Atem an, um zu lauschen. Hatte jemand von den anderen etwas mitbekommen? Großvater nörgelte gerade:

      »Warum dauert das so lange? Ich glaube, deine verblödete Göre hat das Bier fallen lassen!«

      Die Emotionslosigkeit, die mich in Besitz genommen hatte, wich einem anderen Gefühl: Wut. Sie brodelte in meinem Bauch, Hitze stieg in mir auf und verteilte sich wie heißes Wasser durch meine Venen. Zielstrebig griff ich zwei Bierflaschen und stapfte hinauf in unsere Wohnung. Als ich in das Esszimmer trat, blickten Tante Rosemarie und Mutter schuldbewusst auf ihre Teller. Sie wussten ganz genau, warum der schmierige Onkel mir helfen wollte. Aber sie taten mal wieder nichts dagegen. Jedem hier schien es mehr oder weniger egal zu sein. Großvater blickte nicht einmal zu mir, als er meinte:

      »Geht das auch ein bisschen schneller?«

      Ich fühlte, wie sich meine Hände um die Flaschenhälse verkrampften. Das kochende Wasser in meinen Venen explodierte, zumindest in emotionaler Sicht. Nacheinander warf ich Opa die Flaschen mit voller Wucht entgegen.

      »Hier, wenn du etwas saufen willst, hol dir deinen Scheiß doch selbst!«

      Ich hatte in meiner Wut so weit ausgeholt, dass die Flaschen wie Geschosse in seinem Gesicht landeten. Sein Stuhl kippte nach hinten, er schlug mit dem Kopf gegen die Wand und rutschte langsam zu Boden.

      Oma an seiner Seite verschluckte sich an den Erbsen und griff erschrocken an den Hals. Vater blickte mich wütend an, als ob er noch immer nicht begriffen hatte, was geschah. Langsam weiteten sich seine Augen und er erhob sich. Jetzt schien er das Blut auf meinem Kleid zu sehen. Stammte es aus den Schnittwunden meiner Hand oder aus Onkel Eduards Halsschlagader? Ich wusste es nicht zu sagen und es war mir in diesem Moment auch egal, da ich keine Schmerzen fühlte. Wortlos trat ich zu dem Mann, der mich und meinen Körper verkauft hatte. Zeitgleich griff ich nach der Geflügelschere. Sie fühlte sich fettig an. Meine Augen fixierten meinen Vater, dem jegliches Blut aus dem Gesicht gewichen war.

      »Weißt du, wie es ist, wenn jemand in dich eindringt, obwohl du es nicht willst?!«

      Schon rammte ich ihm die Geflügelschere in den Bauch. Ich zog sie heraus und stach erneut zu. Wieder und wieder, bis Mutter plötzlich neben mir stand.

      »Kind!«, stammelte sie. Als ich mich zu ihr drehte, sackte Vater wie ein nasser Sack zusammen. Ich blickte jene Frau an, die mein Leid kannte. Wie oft hatte ich versucht, es ihr zu erzählen. Aber sie tat immer so, als verstünde sie nicht, was ich meinte. Abermals ergriff mich das Gefühl der Hilflosigkeit. Meine Augen brannten. Normalerweise war das der Moment, an dem ich einfach schnell das Thema wechselte oder in mein Zimmer lief. Aber diesmal nicht. Meine Venen pulsierten vor glühender Wut. Mit einer ungeahnten Kraft, die ich aus dieser Verzweiflung erntete, zog ich mein Bein an und trat ihr so heftig gegen den Bauch, dass sie zurücktaumelte und gegen die Vitrine am anderen Ende des Raumes stieß. Ihr Hinterkopf durchschlug das Glas. Sie blickte mit ungläubigen Augen auf die Reste der Scheibe, die über ihrem Hals hing. Das, was dann geschah, nahm ich wie in Zeitlupe wahr und konnte mir das Lachen kaum verkneifen. Ruckartig und präzise wie das Messer einer Guillotine durchtrennte die herabfallende Scheibe ihren Hals. Blut spritzte wie ein Fächer aus ihrer Kehle und sprudelte kraftvoll bis zu Decke. Ein schrilles Kreischen erreichte mein Ohr. Tante Rosemarie saß auf ihrem Stuhl und klang wie eine Sirene. Ihre dicken Arme wackelten wie zwei wulstige Würmer in der Luft. Sie verstummte nicht, als ich langsam auf sie zutrat.

      »Du wusstest, was er tat! Aber anstatt mir zu helfen, hast du mich dafür verurteilt, dass er mich anziehender fand als dich!« Meine Stimme klang mir selbst fremd, als wäre sie tiefer und ruhiger als je zuvor.

      Noch immer kreischte Rosemarie, nur eine Oktave höher als vorher. Ich packte ihren Kopf und schlug ihn auf die Tischplatte. Das wiederholte ich, bis das Kreischen durch ein matschiges Floppen abgelöst wurde. So unerwartet wie ein Geist stand Oma plötzlich neben mir und ich zuckte regelrecht zusammen. In ihrer Hand hielt sie die Suppenkelle, holte aus und schlug mir damit ins Gesicht.

      Wie oft war ihr in der Vergangenheit die Hand ausgerutscht. Immer wieder hatte sie gekeift, ich brauchte eben mal eine ordentliche Tracht Prügel, um etwas zu kapieren. Aber mit einer Suppenkelle?

      Verdutzt fühlte ich die Kälte und die Wucht auf meiner Schläfe, die von diesem Angriff ausging. Als Oma realisierte, dass sie mich damit nicht aufhalten konnte, holte sie erneut aus. Diesmal war ich jedoch vorbereitet und riss ihr die Kelle aus der Hand. Gerade als ich sie ihr im Gegenzug über den Schädel ziehen wollte, war Opa wieder da. Sein Kopf hing eigenartig abgewinkelt zur Seite gewandt, Blut rann aus Nase und Mund. Er sah aus wie ein Zombie. Seine Faust landete in meinem Gesicht. Sterne blitzten aus einem roten Nebel, der sich vor meinen Augen auftat. Jemand hatte etwas nach mir geworfen, mich aber nicht getroffen.

      Plötzlich bemerkte ich die Hitze hinter mir. Die Vorhänge hatten Feuer gefangen. Flammenzungen fraßen sich gierig hinauf und verteilten sich über die anderen Gardinen. Oma hatte tatsächlich die Öllampe als Wurfgeschoss gewählt. Wollte sie mich damit lebendig verbrennen?

      Mit torkelnden Schritten kam Großvater auf mich zu und drängte mich immer weiter zur Feuersbrunst, die hinter mir tobte. Vor sich hielt er einen Stuhl, als wollte er einen tollwütigen Hund von einem Angriff abhalten. Er kam immer näher und drängte mich zurück, bis ich gegen die Fensterbank stieß.

      Die Feuerzungen leckten bereits an der Zimmerdecke und schwefeliger Geruch machte sich breit. Wieder flog etwas knapp an mir vorbei. Oma hatte die zweite Öllampe nach mir geworfen. Sie erwischte die Vorhänge auf der anderen Seite des Zimmers. So blieb mir kein Platz mehr, dem Feuer auszuweichen. Großvater stieß mit den Stuhlbeinen zu.

      Mir blieb kein anderer