umgebracht hatte, als dieser ins Visier der Ermittler geriet und er befürchten musste, dass die Spur dann zu ihm führte. „Ich selbst habe mitgeholfen, den Typ zu vergraben”, behauptete Mawadi. „Und ich sage Ihnen auch den Ort, wo seine Knochen noch zu finden sein müssten…”
„Ist die Leiche schon gefunden worden?”, fragte Rudi.
„Ich warte stündlich darauf, dass sich da etwas ergibt und Mawadis Aussage dadurch bestätigt wird.”
„Gut.”
„Ich denke ich kann jetzt abschalten. Sie können sich die drei Stunden Vernehmung ja mal in Ruhe ansehen. Aber da muss ja nicht unbedingt hier sein. Das Wichtige haben Sie gehört.”
„Warten Sie!”, schritt ich ein, denn Don Gradon hatte seine Hand bereits an der Fernbedienung des Großbildschirms.
„Wie Sie wollen”, sagte Herr Gradon.
Er runzelte die Stirn. Was mir so wichtig war, konnte er nicht begreifen, weil er weder von uns noch von Herrn Hoch oder irgendjemand anderem darüber informiert worden war, dass das Heroin, mit dem Friedhelm Nöllemeyer getötet worden war, aus diesem Deal stammte.
„Der größte Teil des Heroins ist ja den Polizisten in die Hände gefallen”, meinte Mawadi. „Aber was kaum jemand weiß: Das, was die Polizisten gekriegt haben, war nicht die ganze Lieferung, sondern nur ein Teil.”
„Und wo ist Ihrer Ansicht nach der Rest geblieben?”, fragte der Vernehmungsspezialist.
„Irfan hat vorher schon eine Teillieferung bekommen. Mit vorher meine ich, bevor der Gesamtdeal über die Bühne ging.”
„Darauf haben sich Ihre damaligen Partner eingelassen?”
„Ich weiß nicht, wie Irfan Kerimov das gedreht hat, aber er hat das hinbekommen. Er hat bei der ganzen Sache so gut wie nichts verloren, während die anderen beteiligten Dealer, die in den Knast gingen und ein Vermögen verloren haben. Später hat ihm das noch Ärger eingebracht.”
„Wieso?”
„Na, weil einige darauf kamen, dass Irfan vielleicht den Polizisten einen Tipp gegeben hat oder so etwas in der Art. Auf jeden Fall war es ihm offenbar ganz recht, dass er auf diese Weise ein paar lästig gewordene Geschäftspartner loswerden konnte.”
„Und das Heroin? Wie groß war die Menge?”
„Ungefähr nochmal dasselbe wie die Lieferung, die in die Hände der Polizisten geraten ist und jetzt wahrscheinlich auf ewige Zeiten in irgendeiner Asservatenkammer aufbewahrt werden muss. Und das Gute für Kerimov war, er brauchte seine Lieferanten nicht einmal mehr voll bezahlen, denn die saßen ja jetzt zum Großteil im Knast und konnten ihre Schwarzgeldkonten auf den Cayman-Inseln nicht mehr kontrollieren. Irfan hat ein Vermögen dabei gemacht, dieser Schweinehund!”
„Und Ihnen hat er gar nichts davon abgegeben? Damit Sie schweigen?”
„Hören Sie mal, geht es hier um mich oder um Irfan? Wollen Sie mich anpissen oder was? Ist er Ihnen doch nicht so wichtig? Dann kann ich ja wieder in meine Zelle gehen und die lebenslange staatliche Versorgung genießen…”
Es dauerte nicht lange und Mawadi hatte sich wieder beruhigt. Die Aufregung erschien mir künstlich. Mawadi wollte nur eine Szene machen, um seine Wichtigkeit für die andere Seite zu demonstrieren. Und der Vernehmungsspezialist schien das zu erkennen. Er blieb ruhig und wartete einfach ab.
Aber auf den Verbleib der Drogen kam das Gespräch daraufhin nicht mehr zurück.
„Wir haben Kerimov”, stellte Rudi fest. „Und zwar reicht das, um ihn nicht nur wegen der damaligen Sachen festzunehmen, sondern auch wegen dem Mord an Friedhelm Nöllemeyer.” Er wandte sich an mich. „Wir brauchen nicht zu warten, bis Orloff vernehmungsfähig ist.”
Herr Gradon verstand nicht wirklich, was Rudi meinte.
Es wurde Zeit, ihn einzuweihen.
Denn bei dem bevorstehenden Einsatz waren wir auch darauf angewiesen, dass Gradon uns die entsprechenden Einsatzkräfte zur Verfügung stellte.
29
Ich überließ es Rudi weitgehend, den Einsatz, der zu Irfan Kerimovs Festnahme führen sollte, zu koordinieren und zu planen. Ich telefonierte. Zuerst mit Herr Hoch, um ihn auf den neuesten Stand der Ermittlungen zu bringen. Und dann mit Dr. Förnheim, der inzwischen in Hamburg eingetroffen war und seine Arbeit aufgenommen hatte.
In knappen Worten fasste ich die neuen Erkenntnisse zusammen.
Förnheim wirkte daraufhin sehr nachdenklich. „Ich werde noch eine Weile brauchen, um das Heroin, das hier in einer Asservatenkammer in Hamburg aufbewahrt wird, exakt auszuwiegen, kann Ihnen also noch kein Ergebnis sagen”, erklärte er. „Aber diese Arbeit werde ich im Übrigen auch dann fortsetzen, falls sich die Aussage dieses ehemaligen Komplizen von Irfan Kerimov bestätigen sollte. Kriminaldirektor Hoch sagte mir, dass es hier inzwischen um eine interne Ermittlung geht.”
„Die warten jetzt alle auf Ihr Ergebnis”, sagte ich.
„Natürlich. Denn falls nur ein Gramm fehlen sollte, wird in diesem Fall jeder Stein noch einmal umgedreht, wie Sie sich sicher vorstellen können. Dass es für das Heroin, das für die Morde verwendet wurde, vielleicht eine andere Quelle gibt, ändert daran nichts.”
„Falls Sie auch nur ein vorläufiges Ergebnis ermittelt haben, sagen Sie mir bitte Bescheid.”
„Natürlich. Übrigens: Ich habe unsere Kollegin Dr. Gansenbrink gebeten, sich an die Überprüfung sämtlicher, an dem Fall beteiligter Mitarbeiter aller Behörden zu machen, die jemals damit zu tun hatten.”
„Das klingt nach einer größeren Aufgabe.”
„Sie wissen ja, wie sie arbeitet. Und sie lässt sich leider ungern reinreden.”
„Könnte man so sagen.”
„Ich habe Lin-Tai davon zu überzeugen versucht, mit den Mitarbeitern in der Aservatenverwaltung anzufangen. Aber ich fürchte, das läuft irgendwelchen statistischen Wahrscheinlichkeiten zuwider, die unsere werte Kollegin so gerne zur Grundlage ihrer Entscheidungen macht.”
„Ich habe keine Ahnung von diesen Dingen.”
„Ich auch nicht. Nicht in dem Maß jedenfalls, das mit Lin-Tais Fähigkeiten vergleichbar wäre. Aber mein Instinkt sagt mir, dass man mit der Asservatenverwaltung beginnen sollte. Dass dort jemand das Heroin verschwinden ließ, wäre nämlich schlicht die einfachste Möglichkeit.”
„Sie nehmen jetzt aber das Ergebnis Ihrer Untersuchungen vorweg”, wandte ich ein.
„Und Sie argumentieren wie Lin-Tai! Ich dachte Sie würden auch ab und zu mal auf Ihre Instinkt vertrauen, Harry - und mir helfen, Lin-Tai zu überzeugen, wenn Sie das nächste Mal mit ihr reden. Sonst verlieren wir vielleicht wertvolle Zeit.”
„Ich rede mit ihr”, versprach ich. „Aber Sie wissen ja, wie sie ist. Versprechen…”
„...können Sie nichts und beeinflussen lässt sich dieser Roboter in Menschengestalt nur schwer, das ist mir wohl bewusst, Harry”, fiel mir Förnheim ins Wort.
Als ich das Gespräch mit dem Wissenschaftler beendet hatte, gingen mir ein paar Dinge durch den Kopf. Ich dachte über Irfan Kerimov nach. Und über Gieselher Omienburg. Hatten beide etwas miteinander zu tun? Diese Frage hatte mich immer wieder beschäftigt und ich hatte keine Antwort darauf gefunden. Ein Drogenhändler und ein Anti-Drogen-Aktivist. Das war wie Feuer und Wasser und doch schien es, als gäbe es bei beiden eine Verbindung zu den Heroin-statt-Kokain-Morden.
Irgendwo musste da noch ein Denkfehler vorliegen. Eine falsche Annahme. Oder vielleicht auch einfach ein Puzzleteil im Gesamtbild, das uns noch fehlte, aber vielleicht alles in einem anderen Zusammenhang erscheinen ließ.
Ich telefonierte kurz mit Lin-Tai.