Polizeipräsidium. Kurz zuvor hatten wir von Dr. Chang die Bestätigung erhalten, dass es keine personellen Überschneidungen zwischen der Abteilung, die vor sieben Jahren in Hamburg das Heroin beschlagnahmt hatte, und den jetzt an den Ermittlungen beteiligten Team gab.
„Trotzdem möchte ich, dass Sie die Tatsache, dass das Heroin aus dieser Quelle stammt, zunächstmal für sich behalten”, erklärte ich. „Und das schließt wirklich jeden Ihrer Mitarbeiter ein.”
„Sie glauben, dass es undichte Stellen bei uns gibt?”, fragte Ladberger.
„Ich kann es nicht ausschließen und wenn Sie ehrlich sind, können Sie das auch nicht.”
„Wir möchten einfach vermeiden, dass irgend jemand frühzeitig gewarnt wird, bevor wir gesicherte Erkenntnisse haben”, erklärte Rudi. „Aber das wird bald der Fall sein.”
Maik Ladberger kratzte sich am Kinn. „Wie Sie vielleicht schon bemerkt haben, pflege ich nicht allzu enge Kontakte zu meinen Kollegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich verplappere, ist so gering.”
„Dann wäre das ja geklärt”, sagte ich.
„Mich wundert allerdings, dass Sie mich eingeweiht haben.”
„Vor allem wegen der Staatsanwaltschaft. Wir werden uns nachher mit denen treffen, um das weitere Vorgehen gegen Kerimov zu beraten - und dafür ist es notwendig, dass man dort Bescheid weiß. Und Sie ebenfalls.”
In diesem Augenblick kam die Kollegin Polizeiobermeister Ilona Meckenhoff-Grelin herein.
„Störe ich?”, fragte sie.
„Nein”, erwiderte ich. „Wir sind hier fertig.”
„Es gibt nämlich Neuigkeiten. Eine gute und eine schlechte Nachricht.”
„Was ist die schlechte?”
„Ihr Kollege Kommissar Nesch ist soeben an den Folgen seiner Schussverletzungen gestorben. In der Klinik konnte man leider nichts mehr für ihn tun.”
„Oh”, entfuhr es mir. „Das tut mir Leid.”
„Und was ist die gute Nachricht?”, fragte Ladberger ungerührt.
„Ferdinand Chovsky will kooperieren und aussagen.”
„Das ist in der Tat eine gute Nachricht.”
„Und es gibt noch etwas, was ich Ihnen sagen soll. Ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht wird, muss sich erst noch herausstellen. Es geht um das Handy, das wir bei Raimund Orloff gefunden haben, nachdem Kriminalinspektor Kubinke und Kriminalinspektor Meier ihn gestern festgenommen hatten und er in die Gefängnisklinik überführt worden ist.”
„Was ist damit?”, fragte ich.
Unsere Spezialisten meinen, dass man das Passwort knacken und die Daten rekonstruieren kann, obwohl es physisch schwer beschädigt ist.”
„Beschädigt?”, hakte ich nach. „Wodurch?”
„Ich hoffe, es hat nicht eine Kugel abbekommen”, meinte Ladberger spöttisch.
„Die wahrscheinlichste Hypothese ist, dass Orloff draufgefallen ist”, meinte die Kollegin Meckenhoff-Grelin. „Er war schließlich schwer verletzt und hat sich in diesem Zustand davongemacht. Das wird nicht unbedingt ganz glatt gegangen sein - und die heutigen Smartphones sind sehr empfindlich.”
„Ich habe gehört, die gehen manchmal schon kaputt, wenn man sich hinsetzt und die Hose dadurch etwas spannt”, stellte Ladberger fest.
„Wie gesagt: Es besteht Hoffnung, was das Smartphone betrifft.”
25
Etwas später hatten wir den Termin mit den Vertretern der Staatsanwaltschaft. Die Nachricht, dass das als Kokain verkaufte Heroin aus einer Lieferung stammte, die vor sieben Jahren durch Ermittler in Hamburg beschlagnahmt worden war, wurde dort natürlich mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.
„Dann bekommt der ganze Fall vielleicht einen viel größeren Rahmen”, vermutete Melanie Schmidt, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft.
„Die Chancen stehen auf jeden Fall gut, Kerimov das Handwerk zu legen - und zwar schon in Kürze”, sagte ich. „Allerdings würde ich es bevorzugen, wenn wir es schaffen, ihm den Auftragsmord an dem Informanten nachzuweisen. Das wird allerdings ohne die Kooperation des eigentlichen Täters schwierig.”
„Ich habe gehört, dass der noch gar nicht vernehmungsfähig sein soll.”
„Richtig. Es gab eine Schießerei, bei der alle Beteiligten etwas abbekommen haben.”
„Das macht für uns die Beweislage nicht gerade einfacher.”
„Um so mehr Grund hätte Ihre Behörde, Raimund Orloff ein gutes Angebot zu machen”, erklärte ich. „Und zwar ein sehr gutes, das er nicht ablehnen kann. Denn selbst wenn wir Kerimov doch noch die Beteiligung an einem Drogendeal nachweisen können, der jetzt schon sieben Jahre zurückliegt, dann ist das allerhöchstens die zweitbeste Lösung.”
„Gut, ich werde mich darauf einlassen”, versprach Melanie W. Schmidt. „Oder besser gesagt: Ich werde das meinem Chef vorschlagen, aber der wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach an meiner Einschätzung orientieren.”
„Das freut mich zu hören.”
„Und was diesen Chovsky betrifft…”
...scheinen Sie ja ziemlich überzeugend auf ihn eingewirkt zu haben.”
„Nein, das war ich nicht. Er hat selbst den Wunsch geäußert, mit Ihnen zu reden, Kriminalinspektor Kubinke. Und zwar war das nach einem Telefongespräch mit einer gewissen Melgent. Sie hatten mir gegenüber ja darauf bestanden, dass man diesen Kontakt zulassen sollte.”
„Wie es scheint war das eine richtige Entscheidung”, stellte ich fest.
26
Es war bereits Nachmittag, als wir Chovsky vernahmen.
Das Gespräch fand in einem kahlen Verhörraum statt und das erste, was mich überraschte war die Tatsache, dass kein Anwalt anwesend war.
„Er weiß von diesem Termin nichts”, sagte Chovsky.
„Vielleicht ist das auch besser so”, sagte ich. „Denn Sie sollten darüber nachdenken, wessen Interessen der im Zweifel vertritt: Ihre oder die von demjenigen, der ihn bezahlt.”
„Ja, das hat Annalisa auch gesagt…”
„Ich bin überzeugt davon, dass Sie mit jedem Pflichtverteidiger besser dran sind.”
Ich setzte mich. Rudi blieb stehen. Chovsky beugte sich über den Tisch. Er sprach jetzt in einem gedämpften Tonfall, so als befürchtete er, dass selbst hier, in diesem isolierten Verhörraum, jemand mithören könnte, der nichts von dem erfahren sollte, was Chovsky zu sagen hatte.
„Zuerst will ich mal folgendes klarstellen: Glauben Sie wirklich, dass ich so blöd wäre, einen meiner besten Kunden umzubringen? Denken Sie das wirklich? Dazu hätte ich doch gar kein Motiv! Dieser Werbe-Fuzzi war völlig problemlos. Der hat seinen Stoff gekauft und ist gegangen. Und meistens hat er viel zu viel dafür bezahlt, weil er gar keine Ahnung hatte, wo gerade der aktuelle Preis lag. Aber ich glaube, das war ihm auch egal. Der hatte ja wohl Geld genug, wenn das stimmt, was ich so über ihn gehört habe.”
„Für dieses Argument habe ich durchaus ein offenes Ohr”, sagte ich. „Vielleicht fangen wir nochmal ganz von vorne an. Erzählen Sie mir einfach, was passiert ist.”
„Na, es war so, wie Annalisa es Ihnen auch schon gesagt hat.”
„Ich brauche es in Ihren Worten!”
„Ein Typ kommt daher, spricht mich an und sagt mir, dass ich eine