Conrad Shepherd

Mit Killern darf man nicht handeln: 7 Strand Krimis


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Irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass die Dinge relevant waren, die sie herausgefunden hatte. Mathematische Spielereien. So sah das auf den ersten Blick aus. Aber da sollte ich mich täuschen.

      17

      Es war bereits spät, als wir uns ins Hotel begaben. Zwischen dem Hotel und dem Polizeipräsidium waren es tatsächlich nur ein paar Schritte. Das hatte für unsere Arbeit natürlich ein paar Vorteile.

      Es war keine Luxus-Herberge, aber der Standard, der hier geboten wurde, war auf einem mittleren Niveau. Und das Wichtigste war, dass es die Möglichkeit gab, rund um die Uhr etwas zu Essen zu bekommen.

      Im Hotelrestaurant trafen wir auf Dr. Wildenbacher, der seine Mahlzeit offenbar gerade beendet hatte.

      „Na, hat man Sie auch in der Jugendherberge des Polizeipräsidiums Frankfurt einquartiert?”, fragte er. „Wie man ein Steak richtig zubereitet, wissen die hier leider nicht, und da ich ohnehin die meiste Zeit in der Leichenhalle verbringen werde, ist mir die Qualität der Zimmer relativ egal.”

      „Wir werden die Steaks meiden”, sagte ich.

      „Ich habe übrigens mit der Überprüfung der gerichtsmedizinischen Ergebnisse bereits angefangen.” Er sah auf die Uhr. „Und gleich werde ich noch eine Extra-Schicht dranhängen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich bis jetzt auf keine Auffälligkeiten gestoßen bin. Todesursache bleibt bei den bisher untersuchten Opfern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Einnahme von Heroin anstelle von Kokain und die damit verbundene Überdosierung. Falls ich was Gegenteiliges herausfinden sollte, melde ich ich sofort.”

      „In Ordnung.”

      „So, ich muss jetzt los. Die Nacht ist kurz.”

      Mit diesen Worten verabschiedete sich Wildenbacher von uns.

      Beim Essen kam ich endlich dazu, mit Rudi über die Analyse zu sprechen, die Lin-Tai Gansenbrink durchgeführt hatte.

      „Klingt schon merkwürdig”, meinte Rudi. „Ich meine, wieso hat Lin-Tai nicht erwähnt, dass wahrscheinlich hundert Prozent aller Personen, die an diesen Fällen irgendwie beteiligt sind, zwei Nasenlöcher hatten? Du kannst Statistiken über alles Mögliche anlegen, aber die Frage ist, ob das nachher auch eine nützliche Information ergibt.” Er zuckte die Schultern und dabei kaute auf dem letzten Bissen des Sandwichs herum, das er sich hatte machen lassen. „Muss es irgendetwas mit unserem Fall zu tun haben, dass alle Opfer kleine Kinder hatten”

      „Nein, muss es nicht. Das behauptet Lin-Tai auch gar nicht.”

      „Und der einzige Typ mit Bart, an den ich jetzt denken muss ist dieser Kerl von dieser militanten Anti-Drogen-Stiftung, den du immer beim Vornamen genannt hast.”

      „Gieselher Omienburg.”

      „Wenn sich natürlich jetzt herausstellen sollte, dass Gieselher Omienburg zurzeit der Heroin-statt-Kokain-Morde in Hamburg gewesen ist, dann…”

      „Kann man ja herauskriegen”, unterbrach ich Rudi. Ich nahm das Smartphone und versuchte noch einmal Lin-Tai anzurufen. Aber die war nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz in Quardenburg. Kein Wunder, wenn man bedachte, wie spät es war. Also schrieb ich ihr eine Nachricht. „Lin-Tai kriegt das raus”, meinte ich.

      „Und du schläfst dann besser?”

      „Ich weiß jedenfalls, dass ich mir über diese Sache keine Gedanken mehr machen brauche, wenn sich das als Sackgassenspur herausstellt.”

      „Ich will ja jetzt die ganze Sache nicht noch befeuern, aber…” Rudi brach ab. Er wirkte plötzlich sehr nachdenklich.

      „Aber was?”, hakte ich nach.

      „Nun, dieser Omienburg hat mehrfach Kinder erwähnt. Erinnerst du dich? Er hat gesagt, wie schlimm sich die Drogensucht von Erwachsenen insbesondere auf Kinder auswirkt. Aber eigentlich ist das eine Erkenntnis, die jeder gewinnt, der sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt hat. Und ich finde nicht, dass Herr Omienburg deswegen schon ein Verdächtiger ist, oder?”

      Ich sah ihn an. „Du machst dich über mich lustig!”

      „Nur ein bisschen. Weißt du, ich bewundere Leute wie Lin-Tai! Genau wie Förnheim oder Wildenbacher. Das sind Menschen mit sehr speziellen Fähigkeiten, die weit über das hinausgehen, wozu du oder ich je in der Lage wären.”

      „Na, und?”

      „Aber diese Art von Spezialfähigkeiten führt manchmal zu völlig unsinnigen Ergebnissen, wenn man sie nur zum Selbstzweck anwendet.”

      „Du denkst, Lin-Tais Berechnungen sind…”

      „...reine Spielerei, Harry. Das bringt uns diesmal keinen Schritt weiter.”

      Rudis Handy klingelte. Er nahm das Gespräch entgegen. „Kommissar Nesch? Von wo rufen Sie an?”

      Das Schussgeräusch war so laut und deutlich, dass sogar ich es mitbekam.

      18

      Wir fuhren in die Ortwin Straße. Dort war Kommissar Theodor Neschs Handy geortet worden. Wir hatten natürlich sofort die Kollegen aus dem Polizeipräsidium alarmiert. Auf jeden Fall waren genug Einsatzkräfte unterwegs, um das Gebiet weiträumig absperren zu können.

      „Ich habe gehört, wie Nesch sich meldete - und dann kam gleich der Schuss. Danach war dann nichts mehr zu hören”, sagt Rudi. „Wenn du mich fragst: Unser Kollege dürfte kaum eine Überlebenschance haben.”

      „Scheint, als wäre das Treffen mit dem Informanten irgendwie nicht so abgelaufen, wie es geplant war”, stellte ich fest.

      Maik Ladberger fuhr mit seinem Dienstwagen voraus. Hinter uns befanden sich noch mehrere Einsatzfahrzeuge. Sicherheitshalber hatten wir auch den Notarzt alarmiert, um Kommissar Nesch so schnell wie möglich ärztliche Versorgung zukommen lassen zu können.

      Die Wahrscheinlichkeit, dass Nesch noch lebte, war nicht besonders hoch. Der einzige Ohrenzeuge des Geschehens war Rudi. Und seiner Ansicht nach war unser Kollege Theodor Nesch aus nächster Nähe erschossen worden.

      Wir erreichten die Ortwin Straße. Ich parkte den Ford am Straßenrand. Ladberger parkte etwas vor uns. Drei Kollegen saßen mit ihm im Wagen. Er trug ein Headset und war offenbar mit den Einsatzkräften, die noch anrückten verbunden.

      „Das Gebiet wird großzügig abgeriegelt und Kontrollen eingerichtet”, sagte er.

      „Sehen wir erstmal nach Nesch”, erklärte ich.

      „Hier drüben ist ein Hinterhof. Da muss er sein”, sagte Ladberger.

      Wir warteten nicht auf die Verstärkung, sondern folgten Ladberger und seinen Beamten mit der Dienstwaffe in der Faust.

      Die Zufahrt zu dem Hinterhof war schmal, aber offen. Das von vier Seiten durch mehrstöckige Gebäude umrahmte Gelände diente wohl als Parkplatz für einige Geschäfte und Lokale in der Umgebung. Die Beleuchtung war spärlich. Das meiste Licht kam durch die Neonreklame an einem Gebäude, das jenseits der Häuser, die den Hinterhof bildeten, zwanzig Stockwerke hoch aufragte.

      „Nach links”, sagte Maik Ladberger.

      Wir fanden Kommissar Theodor Nesch zwischen zwei parkenden Fahrzeugen.

      Er lag am Boden. Eine große Blutlache hatte sich gebildet.

      „Verdammt, wo bleibt der Rettungswagen?”, hörte ich Ladberger in sein Headset hineinrufen. Ich beugte mich über Theodor Nesch. Er lebte noch. Die Dienstwaffe war ihm offenbar aus der Hand gefallen. Sie lag ungefähr eine Armlänge von ihm entfernt auf dem Asphalt.

      Theodor Neschs Atem ging flach. Sein Anzug war blutdurchtränkt.

      Er versuchte zu sprechen.

      „Valentin… Vic… Redymov…”, hörte ich ihn sagen.

      „Ist