Wenn das System die Umgebung erwärmt, bewirken die schnelleren Moleküle im System eine heftigere Bewegung der Moleküle in der Umgebung (Abb. 2-3).
Im Gegensatz dazu ist Arbeit eine Übertragung von Energie im Zusammenhang mit einer koordinierten (gerichteten) Teilchenbewegung (Abb. 2-4). Wenn ein Gewicht angehoben oder abgesenkt wird, bewegen sich seine Atome geordnet (gleichzeitig nach oben oder unten); gleiches gilt, wenn eine Feder gespannt wird. Wenn ein elektrischer Strom fließt, bewegen sich Elektronen gemeinsam in einer Richtung. Verrichtet ein System Arbeit, so verursacht es eine geordnete Bewegung der Atome oder Elektronen seiner Umgebung. Analog wird Arbeit an einem System auch durch geordnete Bewegung der Teilchen seiner Umgebung verrichtet, etwa wenn alle Atome eines Gewichtes gleichzeitig nach unten verschoben werden oder ein elektrischer Strom fließt.
Die Unterscheidung zwischen Arbeit und Wärme findet allein in der Umgebung statt. In diesem Zusammenhang ist es nicht von Bedeutung, dass beispielsweise ein herabfallendes Gewicht auch thermische Bewegung hervorrufen kann. Arbeit bedeutet Energietransfer durch geordnete Teilchenbewegung in der Umgebung, Wärme bedeutet Energietransfer durch thermische (ungeordnete) Bewegung in der Umgebung. Bei der adiabatischen Kompression eines Gases wird durch das Gewicht, das auf den Kolben drückt, Arbeit in Form von geordneter Teil chenbewegung verrichtet. Dies bewirkt jedoch eine Beschleunigung der Gasmoleküle. Da die Stöße zwischen den Teilchen die Richtungsinformation sehr schnell zerstören, wird die geordnete Bewegung der Atome des Gewichtes in ungeordnete thermische Bewegung der Gasmoleküle umgewandelt. Wir beobachten aber nur das fallende Gewicht, die koordinierte Bewegung seiner Teilchen und schließen daraus, dass Arbeit verrichtet wird, obwohl sie im System eine thermische Bewegung hervorruft.
Abb. 2.2 (a) Durch einen endothermen Prozess sinkt die Temperatur eines adiabatischen Systems; sie steigt (b), wenn der Prozess exotherm verläuft. (c) Wenn ein endothermer Prozess jedoch in einem diathermischen System stattfindet, fließt Wärme von außen in das System hinein; dessen Temperatur bleibt konstant. (d) Dies gilt analog für einen exothermen Prozess im diathermischen System: Wärme fließt nach außen ab, die Temperatur ändert sich ebenfalls nicht.
Abb. 2.3 Durch die Übertragung von Energie in Form von Wärme aufdie Umgebung werden die Moleküle dort zu ungeordneter (thermischer) Bewegung angeregt. Die schnellere thermische Bewegung der Moleküle in der wärmeren Umgebung bewirkt wiederum eine Anregung der Moleküle im kälteren System.
Abb. 2.4 Wenn ein System Arbeit verrichtet, so verursacht es eine geordnete Bewegung der Teilchen in der Umgebung. Die hier gezeigten Atome könnten zum Beispiel zu einem Massestück gehören, das angehoben wird. Analog wird Arbeit an einem System durch geordnete Bewegung der Teilchen (etwa eines herabfallenden Massestücks) verrichtet.
2.1.2 Die Innere Energie
■ Das Wichtigste in Kürze: Die Innere Energie, die Gesamtenergie eines Systems, ist eine Zustandsfunktion. (a) Um die Beiträge klassischer Bewegungsfreiheitsgrade zur Inneren Energie zu bestimmen, kann der Gleichverteilungssatz benutzt werden. (b) Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik sagt aus, dass die Innere Energie eines abgeschlossenen Systems konstant ist.
■ Kommentar 2-1
Nicht eingeschlossen ist die kinetische Energie infolge einer Bewegung des ganzen Systems, etwa gemeinsam mit der Erde um die Sonne. Die Innere Energie ist also nur die Energie „im“ System.
In der Thermodynamik nennt man die Gesamtenergie eines Systems – die Summe der kinetischen und potenziellen Energie seiner Moleküle – seine Innere Energie U. Die Größe ΔU ist dann die Änderung dieser Inneren Energie, wenn ein System vom Anfangszustand Amit der Inneren Energie UA in einen Endzustand Emit der Inneren Energie UE überführt wird:
[2.1]
In der Thermodynamik schreiben wir allgemein ΔX = XE – XA, wenn X eine Eigenschaft (eine „Zustandsfunktion“) des Systems ist.
Die Innere Energie ist eine Zustandsfunktion in dem Sinn, dass ihr Wert nur vom momentanen Zustand des Systems abhängt und nicht davon, wie das System in diesen Zustand gelangt ist. Eine Änderung einer der Zustandsgrößen (zum Beispiel des Drucks) bewirkt eine Änderung der Inneren Energie. Dass sie eine Zustandsfunktion ist, hat wichtige Konsequenzen, wie wir in Abschnitt 2.3.1 sehen werden.
Die Innere Energie ist eine extensive Eigenschaft (siehe Abschnitt G.3) und wird in Joule (1 J = 1 kg m–2 s–2, siehe Abschnitt G.4) gemessen. Die molare Innere Energie Um ist die Innere Energie eines Systems dividiert durch die Stoffmenge im System, Um = U/n. Sie ist eine intensive Größe und wird in der Regel in Kilojoule pro Mol (kJ mol–1) angegeben.
Die molekulare Interpretation der Inneren Energie
Jedes Molekül besitzt bestimmte Freiheitsgrade der Bewegung: Sein Schwerpunkt kann sich im Raum bewegen (Translation), es kann sich um seinen Schwerpunkt drehen (Rotation) und seine Bindungslängen oder -winkel ändern (Schwingung). Viele chemische und physikalische Eigenschaften hängen davon ab, wie viel Energie zur Ausführung dieser Bewegungen aufgewendet werden muss. So kann eine chemische Bindung aufbrechen, wenn ihr genügend Energie zugeführt wird (z. B. durch eine starke Schwingungsanregung).
Der Gleichverteilungssatz der klassischen Mechanik wurde in Abschnitt G.5 eingeführt. Ihm zufolge ist die mittlere Energie aller quadratischen Beiträge zur Energie gleich
(2.2a)
wobei Um(0) die molare Innere Energie bei T = 0 ist, wenn keine Translationsbewegung mehr stattfindet und der einzige Beitrag zur Inneren Energie aus der Struktur der Atome selbst stammt. Die Gleichung zeigt, dass die Innere Energie eines idealen Gases linear mit der Temperatur zunimmt. Bei 25°C ist