Nané Lénard

SchattenSchnee


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Spur zu kommen, als bei einem von dir als Verrückten bezeichneten. Ein Mensch mit einer schweren psychosozialen Persönlichkeitsstörung handelt nämlich eher impulsiv und weniger überlegt. Seine Aktionen sind spontaner, also nicht geplant. Jemand mit Grips könnte schwer zu überführen sein.“

      „Möglich, für mich sind beide Arten von Typen durchgeknallt“, behauptete Peter, „und fertig.“

      „Wollen wir uns dann unseren Aufgaben widmen?“, schaltete sich Wolf ein und beendete die Diskussion. Er war müde, auch wenn er das ungern zugeben wollte.

      „Also gut“, lenkte Peter ein. „Dann verabreden wir uns wieder für den nächsten Nachmittag. Passt das mit deinen Übungsstunden, Wolf? Ich hätte dich wieder gerne mit dabei.“

      „Das kriegen wir hin“, versprach Wolf. „Die Stunden sind vormittags und noch etwas Massage am Abend. Es ist sicher auch möglich, kurzfristig etwas umzustellen, denn der Mann ist ja nur meinetwegen hier.“

      „Okay, dann ran an die Arbeit“, ordnete Peter an.

      Detlef, Nadine und Niklas gingen in ihre Büros. Wolf winkte zum Abschied an der Tür.

      Als alle weg waren, nahm Peter seine Frau in den Arm. „Wie kommst du mit dem Fall klar, Nadeschda?“, fragte er besorgt. Seit ihrer Eileiterschwangerschaft konnte sie keine Kinder mehr bekommen.

      „Ganz gut, mein Schatz“, sagte Nadja und lächelte ihn an. Es war rührend, dass er so mitfühlte. „Ich wüsste nur zu gerne, was einen Menschen dazu bringen kann, einer Frau den Uterus samt Embryo zu entfernen und eine andere Gebärmutter in den Unterleib zu legen. Das beschäftigt mich. Mit der anderen Sache habe ich abgeschlossen. Außerdem habe ich ja dich. Zwei von der Sorte, um die ich mich kümmern muss, wären mir zu viel.“

      Peter brummte. Er war doch kein Kind.

      „Wir werden es herausfinden“, versprach er ihr, „und das Schwein einkassieren, das das gemacht hat.“

      Überlegungen

      Momo Dietsch hatte viele Quellen, die er anzapfen konnte. Zuerst war er etwas missmutig gewesen, dass er nicht gleich mit der Nachricht und einem Foto an die Öffentlichkeit hatte gehen können, aber er sah es im Grunde ein. Und es lief ihm ja auch nicht weg. Er würde exklusiv berichten dürfen. Das Versprechen hatte er vom Kommissariat.

      Was ihm keiner verwehren durfte, war, dass er eigene Recherchen anstellte. Etwas an der jungen Frau war ihm komisch vorgekommen. Okay, sie war tot und deswegen sowieso blass-bläulich bleich, aber trotzdem war sie ihm unglaublich hellhäutig und hellhaarig vorgekommen. Er hatte schon so einige Tote gesehen. Sie war anders. Sie wirkte tatsächlich wie eine Lichtgestalt, beinahe durchscheinend.

      Wieder und wieder studierte er die Bilder, die er am Fundort gemacht hatte. Besonders genau betrachtete er den Haaransatz, denn dort konnte man eine unechte Blondine am besten entlarven.

      Doch hier war wirklich alles hell. Kein dunkel nachwachsendes Haar zeigte sich auf den Fotos, die Augenbrauen waren fast weiß. Leider konnte er die Achsel- oder Schambehaarung nicht erkennen, aber er hätte seinen Arsch darauf verwettet, dass auch die nahezu unpigmentiert war.

      Und eben da lag der Hase für ihn im Pfeffer. So helle Menschen hatte er bisher gehäuft nur auf Island gesehen. Natürlich mochte es auch in Deutschland und Umgebung welche geben und sicherlich etliche in den nordischen Ländern wie Schweden, Dänemark, Norwegen oder Finnland. Aber vielleicht hatte genau das etwas zu bedeuten. Sie sah nicht aus, als ob sie von hier stammte.

      Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken.

      „Dietsch.“

      „Hei, Momo, hier ist Peter Kruse vom Bückeburger Kommissariat .“

      „Ah, toll von dir zu hören. Gibt’s was Neues?“

      „Leider nichts, wovon ich dir berichten könnte.“

      „Schade, aber du wirst doch einen Grund haben, weswegen du mich anrufst“, vermutete Momo.

      „Klar, du kannst jetzt einen Aufruf in der Zeitung starten“, informierte Peter ihn, „aber nur das Gesicht, hörst du? Schneid von den Goldlöckchen so viel ab, wie du kannst.“

      „Ah, dann wisst ihr immer noch nicht, wer die Frau ist.“

      „Würde ich dich sonst anrufen?“, fragte Peter und verdrehte im Geist die Augen.

      „Vielleicht brauchst du auch so meine Hilfe“, überlegte Momo laut.

      „Ganz bestimmt brauche ich die, weil du uns ja kriminalistisch haushoch überlegen bist“, gab Peter als Antwort. „Sag uns also alles, was du weißt und wir noch nicht.“

      Arroganter Fatzke, dachte Momo. „Vielleicht mache ich das“, sagte er frech, „vielleicht auch nicht.“

      „Wenn du sachdienliche Informationen zurückhältst, machst du dich strafbar“, drohte Peter scherzhaft.

      „Schon klar, Herr Kommissar!“

      „Oberkommissar, bitte.“

      „Von mir aus auch das.“

      „Spaß beiseite. Kann ich mich darauf verlassen, dass du sensibel mit dem Aufruf umgehst? Also keine Details, die dir bekannt sind. Nur Foto und kurze Beschreibung, wo die Frau gefunden worden ist?“

      „Klar, hab ich ja versprochen. Und du wolltest mich auf dem Laufenden halten, wenn es was Neues gibt.“

      „Mache ich dann auch, wenn es was Relevantes ist, was ich weitergeben kann“, sicherte Peter ihm zu.

      „Na gut, ich verlasse mich auf dein Wort“, sagte Momo und verabschiedete sich.

      Jetzt hatte er es eilig. Er konnte endlich tätig werden. Und öffentlich war schließlich öffentlich. Auch wenn Peter Kruse nur was von Zeitung gesagt hatte … Er hatte ihm auch nicht verboten, einen Aufruf via Facebook zu machen, und da war er mit Journalisten aus ganz Europa vernetzt. Mal sehen, ob er dem Kommissar nicht noch zeigen würde, dass er ihn brauchte. Ruckzuck beschnitt er zwei Fotos auf den Bereich des Gesichts. Eines ließ er so, wie es war, dem anderen fügte er zwei blau-graue Augen ein, als ob die Frau noch lebte. Es war höchstwahrscheinlich, dass sie bläuliche oder zumindest helle Augen hatte, bei dem nordischen Typ Mensch.

      Diese Bilder postete er auf seinem Facebook-Account und bat darum, dass dieser Beitrag bitte möglichst oft geteilt werden sollte.

      Erst dann machte er sich an den Artikel mit dem Aufruf für die Landeszeitung, wovon er sich nicht viel versprach, denn wenn die Tote von hier wäre, hätte sie doch längst jemand vermisst. Die Kripo wäre informiert und man hätte Fotos von ihr in der Bückeburger Facebook-Gruppe und auf anderen Seiten der Umgebung online gestellt.

      Dann kam ihm noch eine Idee. Ihm war die mysteriöse Schrift wieder eingefallen. Er hatte zwar versprochen, nichts zu schreiben, was mit der Toten in Zusammenhang zu bringen war, aber niemand hatte ihm untersagt, nach zwei komischen Worten zu fragen.

      Also verfasste er einen neuen Post mit der scheinbar belanglosen Frage, ob ihm jemand sagen könne, was „ALDRIG MOR“ heißen könnte.

      Ganz kurz kam ihm in den Sinn, dass auch der Mörder oder einer von der Kripo in Bückeburg dies lesen könnte, aber dann verwarf er den Gedanken und wartete gespannt auf Reaktionen aus dem Netz.

      An einem stillen Ort

      Sie lag einfach so da, als ob sie schlief, und irgendwie tat sie das auch. Vom Wachsein keine Spur, auch keine Anteilnahme am Leben um sie herum, wenn sich dort welches abspielte, aber meist war sie sowieso allein. Vanessa existierte nur noch, aber in seiner Vorstellung lebte sie weiter, auch, wenn sie nie wieder aufwachen würde. So lange sie nicht tot und unter der Erde war, konnte er sie berühren, sie riechen, mit ihr sprechen, auch wenn sie nichts hörte. Es war ein Kampf gegen die Einsamkeit, sein ganz eigener, den er zu gewinnen hoffte.

      Die Maschinen, die ihren Organismus in Gang hielten, machten gleichmäßige,