G.F. Barner

G.F. Barner Staffel 4 – Western


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      »Es wirft mich nicht um«, erwidert er bitter. »Duncan, was ist? Ich brauche noch zwei Pferde, Ismay, du hast die besten Pferde in der Stadt, ich nehme die beiden besten. Los, verschwinde, sattle sie. Wenn Ben Braddock kommt, kommt er mit der Stagecoach. Leute, Ruhe!«

      Sie fragen ihn im wirren Durcheinander, woher Clem Tuttle den Colt hatte, und er sagt kühl:

      »Sie hatten wirklich keinen, aber Mikel hatte ihn und schoß auf mich. Woher, weiß ich auch nicht. Ich habe ihn durchsucht und nichts gefunden. Er müßte ihn durch das schmale Fenster hereingeworfen bekommen haben. Unter der Pritsche lag ein Fetzen Tuch, es wird schon so sein. Los, die Pferde her!«

      Er geht zum Hof, sattelt sein Pferd und wartet auf Velopes und Ismay. Die Männer kommen nach wenigen Minuten mit den Pferden, er nimmt sie an die Longe und blickt auf die Uhr.

      »Sie haben zwanzig Minuten Vorsprung«, sagt er heiser. »Nun gut, es wird noch mehr werden, aber ich schaffe es. Und wenn ihr eure Pferde nicht wiederseht!«

      Er sieht sich noch einmal um, sieht Ireen Clays unruhige Augen auf sich liegen und springt in den Sattel. Und dann jagt er an und braust aus der Stadt, die Pferde hinter sich.

      Und die Stadt sieht ihn verschwinden, die Hügel jenseits des Penasco Rivers schlucken ihn.

      Und das letzte Zeichen, ist die Staubwolke, die über dem Hügel niedersinkt.

      Irgendwo in südwestlicher Richtung jagen drei Männer auf den Rio Grande zu. Sie werden den Tag und die Nacht brauchen, ehe sie den Grenzfluß erreicht haben. Die Berge versperren ihnen den Weg, und sie wissen, wie lang der Weg sein wird.

      Irgendwo nach Westen, mit einer kleinen Schwenkung nach Süden, treibt auch Allen Clanton sein Pferd an und hält sich auf der Straße. Er gewinnt dadurch mehr Boden, als wenn er über das offene Land reiten müßte. Und er hofft, daß er die Stagecoach erreicht und Ben Braddock, der Richter aus Alamogordo, in ihr ist.

      Niemand weiß, ob er Glück haben wird. Niemand sieht ihn reiten, und kaum ein Mann sieht die Spur der drei anderen Männer.

      Der Ausgang dieser Sache ist völlig offen.

      Vielleicht schafft Allen Clanton es. Vielleicht sieht er noch die Fährte der drei Reiter im Ufersand des Rio Grande, das Zeichen, daß er zu langsam war.

      *

      Sie kommen in dem ungewissen Grau des Morgens durch das Buschland und hocken zusammengesunken auf ihren Pferden.

      Zwischen den Büschen ist Nebel, zerflattern träge die Schwaden und zirpen die ersten Frühgrillen.

      Der alte Mann hat den Kopf gesenkt, und die Müdigkeit spürt er stärker als die anderen beiden. Soll ich lachen, oder soll ich fluchen? fragt er sich bitter. Ich, James Brian Todhunter, wie ein Dieb, wie ein Bandit auf der Flucht. Ich bin fast sechzig Jahre alt geworden und hatte nie die Idee, daß ich eines Tages reiten müßte wie ein Rustler – scheu – vorsichtig und immer nach hinten blickend. Und das alles nur wegen Mikel.

      Er blickt zur Seite und sieht Mikel im Sattel hängen. Eine schlaffe Figur, ein noch jämmerlicherer Sattelsitz, als ihn der Alte nach dem Gewaltritt hat. Er ist zu weich, er ist nicht hart genug, es durchzuhalten. Und der alte Mann verzieht bitter die Mundwinkel.

      Er hat immer alles in seinem Leben allein gemacht, er hat die Ranch hochgebracht, daß sie zur größten Ranch auf achtzig Meilen in der Runde wurde. Und dann hat er seinen Sohn allein und ohne Hilfe seiner Frau erzogen. Alles, was er tat, ist sein Wille und sein Werk gewesen und geworden. Und auf einmal bereut er, daß er Mikel mit Gewalt aus dem Jail holte. Er braucht ihn nur wie einen trägen und faulen, weichen und ganz haltlosen Schwächling so im Sattel sitzen zu sehen, dann läuft ihm die Galle über.

      »Sitz gerade, Mikel,« sagt er heiser. »Bist du schlapp, he? Kannst du nicht mehr? Ich kann noch! Und ich bin dreißig Jahre älter als du. Reiß dich zusammen, Bengel!«

      Clem Tuttle wendet leicht den Kopf und zwinkert mit den Augen. Der

      dunkle Bartanflug auf seinem Gesicht, unrasiert, staubbedeckt, macht ihn viel älter und müder, als er ist.

      »Wir sind bald da«, sagt er heiser. »Da vorn, noch drei Meilen. Gleich, wenn sich der Nebel lichtet, werden wir es sehen! Zwei Hügel noch, dann kommt die Ebene, Büsche auf ihr und Gras! Sitz besser, Mikel!«

      »Aah, meine Wunde«, sagt Mikel klagend. »Es brennt wie Feuer. Ihr seid ja nicht verwundet worden. Euch macht das ja nichts aus! Ich sitze, wie ich will.«

      »Ich schlage dir die Faust ins Kreuz«, sagt der Alte jähzornig. »Sitzt du jetzt richtig, du Waschlappen! Ich werde Miguel Matadores sagen, daß er dich an die Kandare nimmt. Und Clem wird auch auf dich achten. Sitzt du jetzt?«

      »Ja, ja doch«, mault Mikel und schielt Clem giftig an. »Wir sind gleich drüben, und ihr habt nichts getan als nur mit mir gemeckert. Ich kann reiten, das wißt ihr, aber die Wunde.«

      »Ein lumpiger Kratzer«, faucht der Alte bitter. »Es wird heller, nun gut. Ich komme mit nach drüben. Sieh dich mal um, Clem.«

      »Hinter uns ist niemand«, erwidert Clem heiser. »Ich sehe schon die ganze Zeit nach hinten. Es ist nichts. Reiten wir schneller, was?«

      Sie treiben die fast ausgepumpten Pferde wieder an und jagen den Hügel hoch.

      Im Osten greift das Morgenrot über den Horizont, die Sonne kommt und mit ihr der Wind, der den Nebel teilt. Die Sicht vergrößert sich auf einige Meilen, und das Land hinter und vor ihnen ist leer. Keine Seele zu erblicken. Nur hoch am Himmel, angestrahlt von der Sonne, kreisen zwei Geier lautlos über dem Fluß.

      »Etwas nach rechts«, sagt Tuttle heiser. »Da ist die Furt, Boß. Hinter den beiden Bäumen da.«

      Sie kommen durch das Tal, den nächsten Hügel herauf und sehen den Fluß blinken. Und das Ufer fällt steil ab, zum Rio Grande.

      Die Pferde traben auf die beiden Bäume zu, und der Alte blickt mürrisch auf seinen Sohn. Er sieht drüben, am anderen Ufer, die Schilfhütte, eine runde Lehmwand und zwei magere Kühe in einem Stangencorral.

      »Eine Hundehütte«, sagt Mikel gehässig. »Genauso ein dreckiges Loch wie das von Clay! Na gut, gleich sind wir da!«

      Und der Wind läßt die beiden Maulbeerbäume am River mit den Zweigen rauschen und das Gras sich legen.

      Der Karabiner des schwarzhaarigen und schlanken Mannes, der dicht an der Böschung des Flußufers kauert, richtet sich langsam auf Todhunters Grauen.

      Neben ihm kauert der zweite Mann und hat das Gewehr locker in der Hand.

      Hinter ihnen schnauben vier Pferde, und ihr Fell glänzt von Schweiß. Die Pferde zittern immer noch und sind für Stunden fertig.

      Ganz hinten, jenseits des Flusses, öffnet sich die Brettertür knarrend, die den Eingang zur Hütte verschließt.

      Heraus kommt ein Mexikaner, der eine zerlumpte Hose und ein zerrissenes Hemd am Leibe hat. Von seinem breitrandigen und spitzkronigen Hut hängen die Bastfäden herab, und Schuhe besitzt der Mexikaner gar nicht.

      »Sole oro!« sagt der Mexikaner und blickt auf den goldenen Ball der Sonne, die über dem Hügel drüben steht. »Goldene Sonne, sehr schöner Tag heute. Ich werde fischen im Fluß. Hasta manana. Que?«

      Er blickt gegen die Sonne und sieht die drei Punkte.

      Und der schmutzige Mexikaner, der in Hemd und Hose auf einer einfachen Schilflagerschicht schläft wie ein Tier, sieht auf diese Punkte, die auf den Fluß zukommen.

      »Por dios, los Americanos?«

      Er ist allein an einem Fluß, der träge sein lehmgelbes Wasser auf die Flußkrümmung zu und die Schnellen bei San Elizario wälzt.

      Die Sonne blendet ihn schon, obwohl sie noch leicht verschleiert ist.

      Und als er mit den Augen zwinkert, sieht er die vier Pferde unterhalb der steilen Uferböschung und die Kronen der Bäume, die gerade über das Ufer ragen.