G.F. Barner

G.F. Barner Staffel 4 – Western


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Er hatte dort jeden Schrank durchwühlt und schließlich voller Wut den alten Don Sebastiano geschlagen, weil er nicht mehr als neunhundert Silberpesos und nicht ganz hundert Dollar gefunden hatte. Doch schließlich hatte er den Beteuerungen des Don geglaubt – es war nicht mehr Geld im Haus. Was es an Wertsachen gab, befand sich in einem Sack, den Garcia mit sich herumschleppte. Anscheinend traute er seinen eigenen Leuten nicht. Aus dem Hausanbau drang das Klagen der Frauen, die Garcia dort mitsamt den Kindern und Männern eingesperrt hatte.

      Dieser geldgierige Schurke, dachte Charlton angewidert. Er fror leicht, als er an die unbeschreiblichen Szenen dachte, die sich nach der Überwältigung der Wagenmannschaft abgespielt hatten. Seine Verachtung hatte auch Maddalena gegolten. Charlton hatte ihr Gesicht beobachtet, während die siegestrunkenen Bravados über die Frauen herfielen.

      »Hast du schon mal mit Kartätschen geschossen?« fragte Charlton spöttisch. »Es gibt zwei Arten von Kartätschengranaten – und hier ist nur eine. Wir haben keine Brandzündergranaten, verstehst du?«

      »No«, brummte Garcia. »Was, zum Teufel, verstehe ich von Kartätschen, eh? Und was für Granaten haben wir?«

      »Aufschlaggeschosse!« antwortete ihm Charlton kurz. »Sie haben nicht dieselbe Wirkung wie Brandzündergeschosse. Brandzündergeschosse detonieren nach achtzig Schritt Flugstrecke drei Meter über dem Boden und jagen ihre Kugeln nach allen Seiten. Hier drin sind hundertzwanzig Bleikugeln!«

      Er klopfte auf die Granate, deren Warzen dem Geschoß Führung und Drall gaben. Dann schob er die Granate von vorn ins Bronzerohr der Kanone und stieß sie fest mit dem Rohrwischer auf.

      »Hundertzwanzig Bleikugeln?« war Garcia erstaunt. »Alle Teufel! Dann kann man mit einem Schuß hundertzwanzig Menschen töten – ist das wahr?«

      Dieser Idiot, dachte Charlton verächtlich. Glaubt der Narr wirklich, daß alle Kugeln treffen? Keine Ahnung – dieser Strolch, der sich General nennt.

      »Wenn du zehn tötest, hast du Glück gehabt«, erklärte er. »Die Granate explodiert beim Aufschlag gegen den Boden. Dadurch wird nur ein Teil der Kugeln nach allen Seiten geschleudert. Eine ganze Menge trifft die Erde, andere irren ab – sie streuen – wenn du weißt, was das bedeutet.«

      »Aber – wir haben vier Kanonen!« sagte Garcia eigensinnig. »Es sollen nur etwa dreißig Soldados kommen. Dann brauchen wir doch nur drei Kanonen, um sie alle zu erschießen.«

      Charlton schüttelte den Kopf. Er hatte Maddalena bereits alles erklärt und nun wenig Lust, es noch einmal zu wiederholen.

      »Du hast gesagt, ich sollte alle vier aufstellen – und das habe ich getan. Wer immer herkommt, wieviel Mann es auch sind, sie haben keine Chance zu entwischen.«

      »Gut, ich weiß, du verstehst davon mehr als ich«, murrte Garcia. »Jetzt laß mich sehen, wo die anderen Kanonen stehen.«

      Charlton ging mit ihm aus dem Tor. Hinter dem Hügel gab es eine Menge Büsche, die sich bis an den Weg herunterzogen. Die Entfernung bis zur Hazienda betrug vom Rand der Büsche etwa neunzig Schritt, und Charlton deutete nach oben.

      »Dort steht die eine!« erklärte er mürrisch. »Wir haben den Karren neben den Punkt gestellt, auf den ich das Rohr gerichtet habe. Sobald die Juaristas hier sind, feuert Pacco die Kanone ab.«

      »Por dios, nur er?«

      »Wenn die Juaristas fliehen – was noch fliehen sollte«, sagte Charlton finster. »Du hast ihm zwanzig deiner Männer gegeben – sie liegen in den Büschen versteckt. Es wird keiner entkommen.«

      »Bist du sicher?«

      »Ja«, knurrte Chariton. Er deutete nach links zu den Peonhütten. Dort standen einige Maisstangenbündel. »Die dritte Kanone steht da drüben.«

      »Wo?«

      »Hinter dem Maisstroh!« sagte Charlton kopfschüttelnd. »Du siehst sie nicht. Man braucht nur die Strohbündel wegzustoßen. Felipe besorgt das. Er wird auch feuern. Jetzt sieh nach rechts. Das ist ein Heuhaufen, wie es scheint. Es ist nur eine mit Heu durchflochtene Kastenseite des Leiterwagens. Ignacio hat das Kommando. Sie werden die Sprossenseite umkippen, dann können sie feuern.«

      »Diablo!« stieß Garcia heraus. »Ich werde dich zu dem Oberbefehlshaber meiner Artillerie machen, Louis! Wir schießen sie alle tot, jetzt weiß ich es! Gut – sehr gut, Louis. Wir schießen von allen Seiten auf sie. Sie werden alle sterben.«

      Ungefähr das wird es geben, dachte Charlton. Ich lasse die Juaristas bis dicht vor das Tor kommen, ehe ich feuere. Sobald ich schieße, zünden auch die anderen beiden Kanonen rechts und links. Es wird ein Blutbad geben, ich wette, keine fünf Mann entkommen – und sie laufen genau vor Paccos Kartätschenladung. Vielleicht laufen auch einige in kopfloser Furcht davon, aber an den Hütten liegen zehn Mann. Rechter Hand sind fünfzehn, auf dem Hang zwanzig – der Rest ist hier im Hof. Niemand wird davonkommen. Verdammt, es wird ein Blutbad geben…

      Er sah sich um, als Maddalena aus dem Tor trat. Der Schein der beiden Feuer im Hof, an denen die restlichen Bravados lagen und die Rolle der Wagenfahrer übernommen hatten, beleuchtete ihr schmales, wildes Gesicht.

      »Nun, hat er endlich Zeit gehabt, sich die Aufstellung anzusehen?« fragte sie spottend nach einem Blick auf ihren Bruder. »Es wird Zeit, Felice, höchste Zeit. Die Juaristas müßten in spätestens dreißig Minuten hier sein.«

      »Ah, Ramon wird sie anmelden«, antwortete Garcia wegwerfend. »Mach dir keine Sorgen, ich habe Manuel zu Ramon geschickt und ihm zwei Ersatzpferde mitgegeben. Sie sind in jedem Fall schneller hier als die Juaristas. Soldados haben es nie eilig.«

      »Sie wollten so losreiten, daß sie nach Einbruch der Dunkelheit spätestens hier sein mußten«, sagte Maddalena unruhig. »Die Dunkelheit ist da – aber wo bleiben Ramon und Manuel? Bruder, sie müßten hier sein. Du hast Manuel doch genau beschrieben, wo er Ramon zu suchen hat?«

      »Si – si«, knurrte Garcia gereizt. »Immer deine übertriebene Vorsicht und Angst, daß etwas nicht glücken könnte. Du wirst sehen – sie kommen gleich.«

      Maddalena sah zum Hügel, aber dort oben blieb alles stumm und still.

      »Ich weiß nicht«, murmelte sie halblaut. »Ich habe so ein Gefühl wie damals, als du nach San Luis Potosi reiten mußtest. Es war sinnlos, ich sagte es dir. Und dann kam dieses Unglück, das uns die Hazienda, allen Besitz und unseren Vater kostete. Ich habe dasselbe Gefühl.«

      »Pah, deine Gefühle!« lachte Garcia. »Hast du auch Gefühle? Sie hat immer welche, manchmal denke ich, sie sieht alles schwarz. Sie redet immer vom Sterben.«

      Charlton zuckte die Achseln. Es stimmte, Maddalena sprach oft vom Sterben, aber Angst… Angst hatte sie nie gezeigt. Und doch schien sie jetzt etwas wie Furcht zu spüren.

      »Du solltest deine Schwester besser kennen, Felice.«

      »Er… mich kennen?« stieß sie verächtlich heraus. »Er hat mich nie gekannt, Louis – noch nie! Felice, dieses Gefühl… ich fühle, daß etwas nicht in Ordnung ist. Felice, schick noch jemanden los, schnell. Schick einen Mann Ramon und Manuel entgegen. Sie müßten schon hier sein!«

      »Närrin! Sie werden gleich kommen!« knirschte Garcia. »Mach mich nicht verrückt mit deinen Weibergefühlen. Du wirst sehen, heute werden wir die erste Schlacht gewinnen! Und morgen ziehen wir nach Cerralvo, morgen früh sind wir da und jagen die Juaristas zum Teufel. In einem Monat gehört uns die halbe Provinz – und in einem halben Jahr ganz Nordmexiko!«

      »Louis… Louis, sage ihm, daß er einen Mann Ramon und Manuel entgegenschicken soll«, flehte Maddalena furchtsam. »Dieses Gefühl wird immer stärker. Damals, als sie kamen und unsere Hazienda überfielen… ich hatte dasselbe Gefühl, glaube mir. Felice, hör auf mich!«

      »Valgame dios, diese Närrin!« fluchte Garcia. »Ich sage dir, sie werden gleich hier sein. Laß mich in Ruhe! Verschwinde! Du brauchst nicht zu kämpfen – geh ins Haus, los!«

      »Louis…«

      »Wenn er nicht will?«