eine ausgemachte Sache, daß zu Tuttles Aufgaben auch der Schutz des mit dem Revolver nicht besonders guten Mikel gehört.
»Sieh mal einer an«, sagt er dann ruhig. »Hattest du mit ihm Ärger, Freund Tuttle? Oder gab dir die Sache heute mittag ein wenig zuviel zu denken? Nun, ich frage nur so, du brauchst nicht zu antworten.«
Tuttle steht langsam auf und kommt auf ihn zu. Er ist einen Kopf kleiner als der Deputy, aber er hebt trotz seiner Kleinheit und der damit verbundenen Vorsicht vor einem größeren Mann seine Zigarre an. Er dreht die Zigarre um und stippt die eine Seite wie einen Colt gegen Clantons Brust.
»Mir gefallen einige Dinge manchmal nicht«, sagt Tuttle sanft. »Und ich habe es gelernt, zu schweigen. Es war ein wenig zu hart und rauh, obwohl mich dieser Bursche glatt austrickste und auch ich für ihn nicht schnell genug war. Manchmal ärgert das einen Mann wie mich, aber ich bleibe immer ehrlich. Ein Mann ist bei mir ein Mann. Mancher Mann ist bei mir ein ziemlicher Lump. Das ist meine Privatmeinung. Ich habe hier einen Job, begreifst du? Einen Job, wie du einen hast.
Sei vorsichtig, wenn du hineingehst. Der Alte hat gedacht, deine Schwester wäre den Nachmittag über mit Mikel zusammengewesen, und seine Laune war schlechter als schlecht. Hoffentlich hat sie ihm erzählt, daß sie nicht mit ihm zusammen war.«
»Sieh mal einer an«, sagt Allen langsam. »Und wo war sie, mein Freund?«
»Sie hat einen Vogel – Pardon«, sagt der Revolvermann sacht. »Immerhin ist sie deine Schwester, wie? Sie war bei den Mexikanerfamilien am Penasco und hat einen Korb voll Essen hingebracht. Einige Kinder sollen dort krank sein. Vielleicht hätte Isabell besser eine barmherzige Schwester werden sollen, denke ich. Sie steckt immer voller Hilfsbereitschaft. Der Alte macht sich Sorgen, sie könnte sich an Mikel versehen.«
»Ich glaube nicht«, murmelt Clanton flach. »Er ist nicht ihr Typ, schätze ich. So, du warst also dabei?«
»Ja«, sagt der Revolvermann ruhig. »Und es hat mir nicht gefallen. Und
Isabell ist ein prächtiges Girl, sie sieht, was schlecht ist. Ich habe nur meine Privatmeinung. Du brauchst sie niemandem zu erzählen.«
»Schon gut, ich bin kein Waschweib«, murmelt der Deputy. »Vielen Dank, Clem.«
Der Revolvermann wirft seine Zigarre in den Hof und geht schlendernd los, als wenn er gar nicht gesprochen hat. Allen pfeift leise durch die Zähne, sieht ihm nach und denkt, daß Mikel einen Mann verloren hat, der ihn in jeder Lage decken würde, wenn noch alles so wäre wie wenige Stunden vorher.
Er geht auf die Haustür zu, kommt in den Flur und stößt mit dem Fuß die Tür sacht auf. Und dann hört er die polternde Stimme des alten James
Brian und bleibt stehen.
Der alte Mann spricht lautstark mit jemandem und Allen braucht nicht zu raten, er weiß, wer dieser Jemand ist.
»Ich will verdammt wissen, wo du gesteckt hast, Isabell!« sagt der Alte in der großen Halle rechts von Clanton grimmig. »Du reitest weg, während ich meinen Mittagsschlaf halte. Wo, zum Teufel, warst du wieder?«
Er scheint mit der Faust auf den Tisch zu klopfen, so hört es sich an. Und seine Stimme klingt nach Ungewitter und verlorener Beherrschung. Er spricht immer so. Er spricht, wie ein König sprechen muß, denn er ist einer in diesem Land. Von seiner Kindheit an hat er nichts gekannt als nur Kampf und Ärger. Selbst, als er nicht mehr zu kämpfen braucht, als es kaum noch Ärger gibt, bleibt er der harte Mann, der schimpfen und brüllen kann.
»Onkel James«, antwortet die helle Stimme, die seltsam schwingt. Und Allen muß unwillkürlich lächeln, als er den leichten Unmut aus der Stimme seiner Schwester heraushört. »Onkel James, ich bin nur so geritten.«
»So!« sagt der Alte. »Du bist also ein wenig geritten, mein Kind. Und mein Herr Sohn, dieser Windhund, den hast du wohl nicht gesehen, was? Ich weiß genau, er stellt dir nach, dieser Windbeutel. Also los, verschweige mir nichts. Du bist in aller Heimlichkeit geritten. Ich dulde keine Heimlichkeiten. Und wenn du denkst, du mußt Mikels schlechtes Benehmen entschuldigen, dann sage ich dir, ich denke nicht daran, ihm etwas durch die Lappen gehen zu lassen. Los, heraus damit, wo hat er dich wieder belästigt?«
»Onkel James, ich habe ihn gar nicht gesehen!« sagt Isabell Clanton ruhig. »Ich war am Penasco River bei den Mexikanern.«
»So!« Wieder dieses Wort, das der Alte so seltsam scharf ausspricht. »Du warst also bei den Mexikanem. Was willst du dort, mein Kind? Und warum schleppst du ihnen etwas hin?«
»Oha«, sagt sie erschrocken. »Du weißt, daß ich ihnen etwas gebracht habe? Onkel James, es sind lauter kleine Kinder dort, die kaum mal Milch sehen und selten Butter. Ich dachte, nun, ich dachte…«
Sie schweigt verwirrt, denn sicherlich hat sie es aus der riesigen Küche der Ranch genommen. Sie ist ein Mensch, der dauernd helfen will. Ein weichherziges Geschöpf auf der einen Seite und hart auf der anderen Seite, wenn etwas Rauhes auf sie zukommt. Jetzt weiß sie nicht mehr weiter, denn der alte Mann ist ein Griesgram, und was ihm gehört, bekommt niemals ein anderer.
Einen Augenblick bleibt es still. Und Allen, der einen Ausbruch des Alten vermutet, will schon durch die Tür, als er den Alten mit völlig veränderter Stimme sagen hört:
»Ja, schon gut, mein Kind. Es ist gut und edel, wenn man hilft. Und ich denke, diese paar Sachen machen uns nicht arm, wie? Siehst du, Kind, du mußt zu mir schon etwas mehr Vertrauen haben. Ich bin ein alter und jähzorniger Mann, wie? Stimmt schon, ich war noch nie ein Narr, der sich nicht genau ausrechnet, was andere Leute von ihm denken! Nimm dir also, was immer du brauchst und bring es hin. Aber nimm dir einen der Boys mit. Meine Nichte braucht nicht zu schleppen, verstanden?«
Und den letzten Satz sagt er schon grollend und wieder geladen.
»Danke, Onkel James«, sagt Isabell.
»Setz dich hin, mein Kind. Ist schon recht. Weißt du, Isabell, als meine Frau, die Schwester deiner Mutter, starb, da war es mit mir aus. Ich war damals schon groß, ein König in diesem Land. Und niemand sollte merken, wie es in mir aussah. Da wurde ich hart. Und du hast so ein kleines Stück von meiner Frau, eigentlich ein großes Stück, denn du siehst ihr sehr ähnlich. Alles, was du besitzt, sollte mein Sohn besitzen. Nun, Kind, erschrick nicht, er ist mein einziges Kind, und ich denke, er ist ein guter Rindermann. Wenn er das nicht wäre…«
»Aber Onkel«, sagt Isabell Clanton erschrocken. »Ich dachte immer, Mikel und du…«
»Er ist mein Sohn, ein Todhunter«, sagt der Alte heiser. »Er wird eines Tages diese Ranch haben. Er wird mein Nachfolger sein. Manchmal wünschte ich, er hätte ein Stück deines Bruders. Ich glaube – nun, Kind, es ist gleich, was ich glaube. Und sicherlich lebe ich ja noch zwanzig Jahre, was? Komm, wir wollen essen.«
Er lacht. Und Allen hört die Bitterkeit aus diesem Lachen deutlich heraus. Er hört drüben die Schritte sich entfernen und weiß, daß sie nun in das Eßzimmer gehen.
Großer Gott, denkt er. Old James hat Mikel also erkannt. Er hält nichts von ihm, das weiß ich jetzt. Was muß in ihm vorgehen, daß er so bitter spricht? Ich warte besser noch etwas.
Er lehnt sich an die Wand und wartet eine Weile. Dann geht er los, klopft an die Tür, hört keine Antwort und betritt die Halle. Es ist ein riesenhaftes Zimmer, auf dessen Boden Teppiche sind. An den Wänden Geweihe, Indianerwaffen und Tanzmasken.
Hier regiert ein König. Und sein Schreibtisch ist fast allein in diesem Raum, trotz der schweren Möbel. Er macht sich hier wie ein Kommandostand aus, dieser Schreibtisch. Man sagt, jeder Mann, der in diesen Raum käme und vor den Alten müßte, hätte weiche Knie.
Sundown geht über die Felle, hält an der nächsten Tür an und hört das Klirren von Geschirr. Und nun klopft er kräftig.
Der Mulatte, der bei Tisch bedient, gießt wortlos, den braunen Körper in einen richtigen Dienerfrack geklemmt, den Tee ein, den der Alte immer vor dem Zubettgehen trinkt.
»Hallo, Allen!« sagt James Brian überrascht, als Clanton hereinkommt. »Nanu, ist etwas, daß