zwischen Häusern und Palmen aufblitzte.
Erst die sanfte Stimme ihres Chauffeurs weckte sie aus ihren Gedanken und Erinnerungen.
»Wir sind da, Madame!«
»Vielen Dank.« Jenny gab ein großzügiges Trinkgeld und wandte sich dann dem weitläufigen, strahlend weißen Gebäuden zu. Glückliche Erinnerungen überschwemmten sie wie ungestüme Wellen einen Sandstrand. Als sie die Lobby betrat, versanken ihre Füße im dicken Teppich. Der Herr an der Rezeption hob den Kopf. Trotz der Jahre, die inzwischen vergangen waren, hatte er Jenny nicht vergessen. Er erkannte sie sofort, und ein herzliches Lächeln – oder war es erleichtert? – glitt über sein Gesicht.
»Frau Behnisch, wie gut, dass Sie hier sind!«, rief er und eilte ihr mit ausgestreckten Händen entgegen. »Herr Kürschner ist in der Bar am Pool. Seit er gekommen ist, sitzt er stundenlang dort und starrt hinaus aufs Meer. Er isst und trinkt kaum und lacht überhaupt nicht. Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn.«
Jenny fühlte, wie sich ihr Herz vor Liebe zu Roman zusammenzog. Die Angst, die sich hineinmischen wollte, verdrängte sie tapfer. Es war höchste Zeit, sich mutig der Herausforderung zu stellen.
»Keine Sorge, jetzt bin ich ja hier!«, schützte sie Selbstsicherheit vor und überließ dem Rezeptionisten ihr Gepäck.
Ihre Kehle war trocken, und ihre Knie waren weich, als sie langsam durch die Tür hinaus auf die herrliche Terrasse trat. In helles Sonnenlicht getaucht lag der Pool da und sie musste nach ihrer Sonnenbrille suchen, um die Augen zu schützen. Kein Mensch war hier draußen,, und schon wollte sich Jenny enttäuscht abwenden, als sie die einsame Gestalt entdeckte, die an der Ecke der Bar auf einem Hocker saß und reglos aufs Meer hinaus starrte. Sie ging auf den Mann zu, und wenn möglich, schlug ihr Herz noch schneller.
»Roman!«, sprach sie ihn leise an.
Trotzdem zuckte er erschrocken zusammen, ehe er sich langsam umdrehte.
»Was machst du hier?« Seine Stimme war rau und seine Miene verriet nicht, ob er sich freute oder immer noch wütend war.
»Ich …« Verlegen nahm Jenny die Brille wieder ab und senkte den Kopf. »Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen. Ich habe alles falsch gemacht, was ich nur falsch machen konnte.«
Ohne ein Wort zu sagen, wandte sich Roman wieder ab und blickte wieder hinaus aufs glitzernde Meer.
Nervös trat Jenny von einem Bein auf das andere.
»O Mann, es ist tausend Mal leichter, eine Prothese in ein Herz einzupflanzen als sich zu entschuldigen«, schimpfte sie, ärgerlich über ihr eigenes Unvermögen.
Sie war so sehr mit sich und ihren Gefühlen beschäftigt, dass sie das Lächeln nicht bemerkte, das um Romans Lippen zuckte.
»Also schön!«, fuhr sie endlich fort, nachdem sie einen großen Schluck Wasser aus seinem Glas genommen hatte. »Ich bin nicht sehr geschickt in zwischenmenschlichen Angelegenheiten. Das hat mir auch meine Cousine Nicole gesagt. Darüber zu reden fällt mir auch nicht leicht.« Unwillig schüttelte sie den Kopf. Ihre Worte waren hölzern und ungelenk. Dabei konnte sie stundenlang mitreißend über ein medizinisches Problem referieren. »Aber ich glaube, du hast ein Recht darauf zu erfahren, wie es in mir aussieht«, seufzte sie.
Roman hob den Kopf und sah sie an. Das Lachen war wieder aus seinem Gesicht verschwunden, und jetzt wirkte er fast wütend.
»Schon gut. Du musst dir keine Mühe geben. Offenbar habe ich zu viel in unsere Beziehung hinein interpretiert. Allerdings verstehe ich nicht, dass du nicht von Anfang an mit offenen Karten gespielt hast.«
Diese Aussage schockierte Jenny.
»Aber ich genieße die Zeit, die wir zusammen verbringen, wirklich sehr«, beteuerte sie. »Es ist nur so … ich weiß auch nicht, warum … Aber ich habe Angst vor meinen Gefühlen. Je länger ich mit dir zusammen bin, umso intensiver werden sie. Deshalb bin ich in letzter Zeit immer mehr auf der Flucht.« Wie die einflussreiche Klinikchefin vor ihm stand und ihm hilflos wie ein unerfahrenes Mädchen ihr Herz öffnete, konnte Roman ihr nicht länger böse sein.
»Das ist ja sehr schmeichelhaft für mich«, erklärte er und rutschte langsam vom Barhocker. Als er vor Jenny stand, musste sie zu ihm aufschauen, so groß war er. »Aber wie stellst du dir unsere Beziehung dann in Zukunft vor? So wie jetzt kann ich nicht weitermachen. Ich brauche mehr Verbindlichkeit. Mehr Sicherheit. Mehr Zuneigung und Wärme.«
»Ich weiß, und ich werde mit deiner Hilfe daran arbeiten. Natürlich nur, wenn du noch willst.« Sie legte den Kopf schief und sah ihn an. »Aber ich muss dich warnen: Ich werde sicher nie die anschmiegsame Frau sein, die sich jeder Mann wünscht.«
»Mir reicht es schon, wenn ich weiß, dass ich dir wichtig bin«, erwiderte Roman heiser und kämpfte mit sich. All die Tage und Nächte hatte er sich nach ihr gesehnt, danach, sie in den Armen zu halten, ihre tröstende Wärme zu spüren. In diesem Moment waren all seine Vorsätze, sich nicht wieder auf sie einzulassen, dahin. Sein Widerstand war gebrochen, und er schloss Jenny in seine Arme und hob ihr Kinn, um sie zu küssen. Ein unheilvolles Geräusch hielt ihn davon ab. »Dein Handy!«, bemerkte er unwillig und schob sie ein Stück von sich.
Doch Jenny lachte nur unbekümmert.
»Oh, ich habe vergessen, es auszuschalten.« Kopfschüttelnd zog sie es aus der Tasche. Ohne einen Blick auf das Display zu werfen, drehte sie sich Richtung Pool um, holte aus und schleuderte den Apparat fort.
Fassungslos beobachtete Roman, wie er durch die Luft flog, mit leisem Klatschen auf der Wasseroberfläche aufkam und gurgelnd versank.
»Aber …«, wollte er ansetzen, als er Jennys weiche Lippen auf den seinen spürte.
Ihr Kuss war so leidenschaftlich, dass er alles andere darüber vergaß. Und auch Jenny dachte nur kurz an das zweite Telefon, das wohlverwahrt in ihrem Koffer lag. Nur Daniel und Fee wussten die Nummer und hatten versprochen, sich nur im äußersten Notfall zu melden. Doch Jenny wusste so gut wie ihre liebsten Freunde, dass in diesem Moment nichts so wichtig war wie Roman. Und genau das würde sie ihm in den kommenden Tagen beweisen.
»Ich glaub, ich kann heute nicht zur Arbeit«, stöhnte Felicitas Norden und zog demonstrativ die Bettdecke bis zur Nasenspitze hoch.
Es war noch früh am Morgen, und die Nacht konnte sich noch nicht recht dazu entscheiden, sich zurückzuziehen. Ein düsterer Streifen Licht fiel durch den Spalt des Vorhangs ins Schlafzimmer des Ehepaars Norden. Doch weder das offensichtlich schlechte Wetter noch seine bleierne Müdigkeit hielten Dr. Daniel Norden davon ab, sich über seine Frau zu beugen.
»Was ist mit dir, Feelein?«, erkundigte er sich besorgt.
Jammern passte so gar nicht zu ihr, und so musste er befürchten, dass es ihr wirklich schlecht ging. »Bist du krank?«
»Schwer krank«, kam postwendend die nicht sehr ernst gemeinte Antwort.
Das bemerkte auch Daniel deutlich am Ton. Erleichtert seufzte er auf und gab seiner Frau einen Kuss auf die Nasenspitze.
»Ein Glück, dass du einen Experten im Haus hast. Wo fehlt’s denn?«
»Experte mag ja sein. Dummerweise ist er in letzter Zeit höchst selten im Haus.« Dumpf drang Fees Stimme unter der Decke hervor, während sie im Dämmerlicht das Gesicht ihres Mannes musterte. »Wann bis du denn gestern nach Hause gekommen?«
Sofort wusste Daniel, worauf seine Frau anspielte. Er streckte den Arm aus, und Fee bettete ihren Kopf in die Beuge.
»Gegen zwei Uhr, glaube ich«, gestand er und gähnte herzhaft.
Vier Stunden waren definitiv zu wenig Schlaf. Zu mehr kam der engagierte Arzt aber in den vergangenen Tagen nicht. Seine langjährige Freundin und Kollegin, die Klinikchefin Jenny Behnisch, hatte ihn darum gebeten, sie während ihres Urlaubs in