Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman


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hatten die Arbeiter, die Roman Kürschner engagiert hatte, innerhalb kürzester Zeit ganze Arbeit geleistet, und die beiden ehemals tristen, schmucklosen Räume waren nicht wiederzuerkennen. Wände waren gewichen, Rohre und Leitungen modernisiert und neu verlegt worden. Die hässliche Decke war unter mit Ornamenten verzierten, silbernen Metallplatten verschwunden, die den Räumen einen magischen Glanz verliehen. Sie bildeten einen schönen Kontrast zum dunkel gebeizten Holzboden und den Tischen und Stühlen in allen erdenklichen Formen, die wie die Kronleuchter vom Flohmarkt stammten. Tatjanas Mitarbeiterin, die Tortenkünstlerin Marianne Hasselt, hatte ihr gestalterisches Talent ein weiteres Mal unter Beweis gestellt und bunte Kissen genäht. An den Wänden hingen Werke unbekannter Künstler, die froh waren, auf diese Art die Aufmerksamkeit der Kunden zu erregen. Glanzstück des neu gestalteten Verkaufsraums war die gläserne, alte Vitrine, die Roman bei einem befreundeten Antiquitätenhändler günstig erstanden hatte. »Das hier wird der Treffpunkt des ganzen Viertels werden.«

      »Glaubst du wirklich?«, fragte Dannys Freundin, und ihre Augen strahlten vor Freude wie zwei Sterne. »Das wäre zu schön, um wahr zu sein.«

      Gerührt über ihre kindliche Freude trat Danny auf Tatjana zu und schloss sie in die Arme.

      »Das IST zu schön, um wahr zu sein«, versicherte er innig. »Warte nur mal ab, wenn erst das Schaufenster fertig ist.« Roman hatte eine breite Glasfront mit tiefen Fensterbänken als Sitzmöglichkeiten geplant. »Dann musst du die Leute abends rauswerfen.« Auf der einen Seite war dieser Gedanke durchaus verlockend. Andererseits gab er auch Grund zur Sorge. »Hoffentlich bekomme ich dich dann überhaupt noch zu Gesicht.«

      »Ich denke schon«, seufzte Tatjana und rieb sich die müden Augen. »Ich kann’s kaum erwarten, endlich wieder jemanden einzustellen. Nachts träume ich schon von riesigen Brotlaiben, die mich überrollen wollen.«

      Seit ihre griesgrämige Mitarbeiterin Dorothee gekündigt hatte, war sie zwar erleichtert, doch die viele Arbeit war zu zweit kaum zu bewältigen.

      »Meine arme, kleine Bäckerin.« Dannys Mitgefühl war echt. »Wie sieht’s denn aus?«

      Tatjana löste sich behutsam aus seinen Armen, um die letzten Arbeiten des Tages zu Ende zu bringen.

      »Heute hatte ich zwei Bewerbungsgespräche.« Ihre Stimme ließ nichts Gutes ahnen. »Eine der Damen versicherte mir, dass sie auch ohne fachspezifische Ausbildung eine Meisterin im Brotbacken ist.«

      Kritisch zog Danny eine Augenbraue hoch.

      »Ein Naturtalent?«

      »Schön wär’s.« Während Tatjana die letzten Brösel aufkehrte, schüttelte sie unwillig den Kopf mit den bleistiftkurzen, strohblonden Haaren. »Sie nennt einen Brotbackautomaten ihr eigen.«

      Beide sahen sich an und lachten.

      »Gut, dann genügt sie wohl kaum deinen Ansprüchen«, räumte Danny schließlich ein. Er musste nur an Tatjanas köstliche Brotsorten und an ihre vielen süßen Eigenkreationen denken, um das zu wissen. »Und was war mit der anderen?«

      »Sie wollte doch allen Ernstes ihren Hund mitbringen und ist richtig böse geworden, als ich ihr was von Gewerbeaufsichtsamt und solchen Dingen erzählt habe«, berichtete Tatjana und trat zur Seite, damit Danny die Brösel mit Kehrblech und Besen aufsammeln und in den großen Metalleimer in der Ecke werfen konnte.

      »Wie kannst du nur so herzlos sein?«, witzelte er, und Tatjana versetzte ihm einen gutmütigen Knuff in die Seite.

      »Ich zeig dir gleich, wie herzlos ich wirklich bin«, versprach sie.

      »Ich kann’s kaum erwarten. Bist du fertig?« Danny sah sich prüfend um, und Tatjana nickte.

      »Die Tageseinnahmen hat Marianne schon zur Bank gebracht. Wenn du Lust hast, können wir gehen.« Sie band die schwarze Kellnerschürze ab und tauschte sie mit der Jacke, die an der Garderobe hing.

      »Wir müssen eh ein paar Meter laufen. Vor der Bäckerei war weit und breit kein Parkplatz.«

      »Macht nichts.« Tatjana löschte das Licht und wartete, bis Danny neben ihr auf den Gehweg trat. Erst dann schloss sie die Tür ab. »Kaum zu glauben. Obwohl ich den ganzen Tag auf den Beinen war, habe ich das Gefühl, mich körperlich kaum betätigt zu haben.«

      Über dieses jugendliche Temperament konnte Danny nur lachen.

      »Dann lass uns noch ein paar Schritte in den Englischen Garten gehen. So kalt ist es ja heute Abend nicht«, machte er einen Vorschlag, der Tatjanas Zustimmung fand.

      Er legte den Arm um ihre Schultern, und gemeinsam wanderten sie unter munterem Plaudern durch den kühlen Spätherbstabend. An einer belebten Straße blieben sie stehen und warteten auf eine Lücke im Verkehr, als ein Wagen mit riskanter Geschwindigkeit heranraste. Ins­­­tink­tiv riss Danny seine Freundin zurück.

      »Das war knapp!«, stöhnte er auf und sah dem Wagen nach, der sich halsbrecherisch den Weg durch die langsam fahrenden anderen Verkehrsteilnehmer bahnte. Rücksichtslos überholte er links und rechts. Als etwas entfernt eine Fußgängerin die Straße an einem Zebrastreifen überqueren wollte, geschah es. Die Frau wurde von dem Wagen erfasst. In der Dunkelheit und nur erhellt von den Scheinwerfern erkannte Danny den Körper, der wie eine Puppe durch die Luft geschleudert wurde. Ein schriller Schrei hallte durch die Nacht. Da hatte der junge Arzt schon sein Handy aus der Tasche geholt und wählte die Notrufnummer der Behnisch-Klinik. Erst dann griff er nach der Hand seiner völlig verstörten Freundin – Tatjana hatte bei einem Unfall ihre Mutter verloren – und eilte mit ihr an den Unfallort.

      *

      »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich es mich macht, dass das heute geklappt hat.« Zufrieden mit sich und der Welt saß Roman Kürschner am Tisch des griechischen Lokals und biss in ein gefülltes Weinblatt. »Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann wir das letzte Mal zu zweit beim Essen waren.«

      Die Beleuchtung war schummrig, trotzdem erkannte Jenny an seinem weichen Tonfall, dass er übers ganze Gesicht strahlte.

      »Ich habe mich heute mit Fee über meinen prall gefüllten Terminkalender unterhalten. Sie meinte, ich sollte Andrea doch mal eine klare Ansage machen, dass sie ihn nicht zu sehr überfrachtet.«

      Wenn möglich, wurde Romans Lächeln noch tiefer. Sein liebevoller Blick ruhte auf seiner Lebensgefährtin, die ihm gegenüber am groben Holztisch vor einem inzwischen fast geleerten Vorspeisenteller saß.

      »Ich habe schon immer geahnt, dass Fee eine kluge Frau ist«, erklärte er. »Allerdings weiß ich auch, dass du es kaum übers Herz bringst, einen Bittsteller abzuweisen.«

      Auf diese Worte erwiderte Jenny zunächst nichts. Sie griff nach ihrem Glas und hielt es hoch. Der Weißwein schimmerte verführerisch im Kerzenlicht, und sie lächelte versonnen.

      »Ich weiß, dass das Problem nicht nur bei Andrea liegt. Deshalb habe ich mir vorgenommen, meine Prioritäten anders zu legen«, erklärte sie, und ihr Blick wanderte hinüber zu Roman, der sie interessiert ansah. »Und das ist nicht das Einzige, was ich ändern will.«

      »Ach ja?« Er putzte sich die fettigen Finger an der Serviette ab und hob ebenfalls sein Glas. »Was denn noch?«

      »Du sollst in Zukunft deutlicher spüren, welch wichtige Rolle du in meinem Leben spielst.« Romantische Liebeserklärungen gehörten nicht ins Repertoire von Dr. Jenny Behnisch, und für ihre Verhältnisse kam diese Gefühlsbekundung einem Heiratsantrag gleich.

      Roman, der sie schon seit geraumer Weile kannte, wusste diese Worte durchaus zu schätzen und richtig einzuordnen.

      »Der Abend wird immer besser«, seufzte er zufrieden. Die Gläser klangen hell aneinander, und er lehnte sich zurück. »Wenn das so weitergeht, heiraten wir doch noch eines Tages …« Er hatte noch nicht ausgesprochen, als ein Handy klingelte.

      Zuerst ignorierte Jenny das lästige Geräusch. Doch als es nicht aufhörte, gab sie schließlich seufzend nach.

      »Ich fürchte, mein Typ wird verlangt.«

      »Hast