G.F. Barner

G.F. Barner Staffel 3 – Western


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      Geträumt, denkt York und stemmt sich wieder hoch.

      Jetzt aber – jetzt bin ich wach!

      Da sitzt er, stiert auf den Stumpf, kratzt sich, schlägt sich auf das Bein und stöhnt dumpf.

      Die Erkenntnis, dass er niemals mehr gehen wird wie ein normaler Mensch, niemals hüpfen, laufen, springen … Die Angst würgt ihn, er sinkt zurück, keucht und hört Stimmen …

      Sie reden draußen – oder drin? Wer redet da – wer spricht da neben ihm?

      Schweiß rinnt ihm über das Gesicht, bedeckt den Körper, brennt an seiner Wunde. Angst ist da, die ihm den Atem abzuschnüren droht.

      In der hintersten Ecke der Zelle ist es so düster, dorthin fällt kaum Licht. Dorther kommt die Stimme.

      »York!«

      Er reißt die Lider weit auf, blickt in die Ecke und sieht ihn dort sitzen. Er lächelt ihn an, aber seine Augen sind seltsam stumpf und glasig.

      »Ja?«, fragt York flüsternd. »Was willst du, Vater, was ist?«

      Sein Vater ist da – da sitzt er, hat den grauen Anzug an, den fadenscheinigen, der so mürbe ist, dass der Stoff schon an vielen Stellen geflickt werden musste.

      Der Vater kichert – er hat immer gekichert, wenn er betrunken nach Hause kam. Hat nie einem was getan, der alte Gray, nur getrunken hat er – immer die Flasche in der Tasche gehabt. Und Prost hat er gesagt – zu jedem, den er traf. Auch zum Gevatter, der ihm begegnete, als er pleite war, das Fuhrgeschäft vertrunken hatte, die Familie im Elend und er …, bankrott, arm wie eine Kirchenmaus, leer die Taschen!

      »York, Junge, in der Hölle ist es lustig, hihi!«

      »Hihi!«, macht York Gray, sein Sohn, der Nachkomme eines Trinkers, des Bankrotteurs. »In der Hölle ist es lustig!«

      Sein Vater steht auf.

      »Mach mal Platz, York!«

      York rutscht zur Seite – nur ein kleines Stückchen. Der alte Mann ist so schmal und dürr, dass er selbst auf einem Zaunbrett einen guten Platz finden würde.

      »York, hihi, weißt du noch, wie sie uns alles aus dem Haus holen wollten, weißt du noch?«

      »Ja, ja«, sagt York und erinnert sich genau. Gehörte ihnen nichts mehr, den Grays, das Haus nicht, die Möbel nicht, alles holten die Gläubiger ab, wollten sie holen, aber …

      »Ist nichts mehr auf der Welt zu gewinnen, York, weißt du? Da nehmen sie dir alles weg, holen dir dein Bett heraus, auf der Erde musst du schlafen, auf der Erde, Junge. Und die Leute zeigen mit dem Finger auf dich. Einen Streich spielen so wie ich damals, York, hörst du?«

      »Ja – aber welchen?«

      So wie damals, denkt York – war es gestern erst? Ich bin elf Jahre alt – jawohl, ich bin elf Jahre alt. Vorgestern hatte ich Geburtstag. Und heute ist der alte Mann weggegangen. Einen Streich werde ich ihnen spielen, hihi.

      Hat er auch, denkt York, hat er – zwei Tage nach meinem Geburtstag hat er ihnen einen Streich gespielt.

      York, sagt die Mutter, York, geh hin und suche ihn – wer weiß, wo er wieder liegt, der Alte.

      Und York geht ihn suchen, trifft zwei seiner Schulfreunde. Der eine sieht ihn und streckt den Finger aus und plärrt: »Pleite – Pleitejunge – Säuferjunge, Pleitejunge!«

      Plärrt noch viel schlimmer, als York die wilde Wut packt und auf ihn eindrischt, bis der rotschöpfige, rotznasige Lümmel aus der Nase blutet. Damals hat er angefangen – das Schlagen!

      Danach geht er weiter, sucht den alten Mann in seinem fadenscheinigen Anzug, der seinen Gläubigern einen Streich spielen wollte. In der Flusskneipe ist er nicht, in der Fuhrmannskneipe auch nicht. Und York trottet nach Hause.

      York kommt auf den Hof, sieht auf die Stalltür, die im Wind knallte und an den alten Stall schlägt.

      Klapp – macht die Tür – klapp! Er will die Tür zumachen, der York, blickt in den Stall, so aus Zufall nur. Der Sägebock liegt umgekippt am Boden. Na so was – das muss doch wieder der Elmer gemacht haben, der reitet immer auf dem Sägebock und kräht, das sei sein Pferd.

      Macht zwei Schritte in den Stall, der York Gray, auf den Sägebock zu. Und steht ganz still.

      Da sieht er den Anzug, den grauen fadenscheinigen.

      Die Hosenbeine schlottern.

      Und der Anzug ist einen Yard mit den Hosen über dem Boden – da fängt er an, der fadenscheinige Anzug, aus dem unten die Stiefel heraussehen.

      Und an dem Strick, den die Gläubiger auch zur Masse der Pleite geschrieben haben, weil der Strick noch ganz gut in der Faser gewesen ist – da hängt …

      Nun sitzt er neben ihm und kichert, erzählt etwas von einem Streich, den man jemandem spielen kann.

      »Ja«, sagt York flüsternd. »Du hast recht – es lohnt sich nicht mehr. Humpeln und ein Krüppel sein, ein Krüppel … Ich habe es nie vergessen. Ist mir immer im Kopf herumgegangen. Wenn es dir mal so schlecht geht, dass du nicht mehr weiter weißt, dann machst du es auch so. Du hast so schön gelächelt. Und – jeder stirbt für sich allein.«

      »In der Hölle ist es lustig, Junge, kannst es glauben.«

      »Ja, ja«, sagt er, der York. »Aber – woher nehm ich die gedrehte Faser?«

      Er kichert, nimmt die Decke und zieht sie über die Kante der Pritsche.

      »Ritsch!«, macht die Decke.

      »Ritsch!«

      Ein schöner Streifen, ein langer Streifen. Und noch einer.

      Er kichert vor sich hin.

      Einen Streich spielen, was?

      Die Pritsche knarrt – oben ist das Fenster mit den Gitterstäben. Ein kleines Loch, durch das man den Himmel sehen kann. Ein Vogel sein dürfen, fliegen können, weit fort!

      Einer kriecht über die Pritsche, nimmt den Hocker, stellt ihn auf den harten Holzrost der Pritsche, zieht sich hoch auf einem Bein und lehnt an der Wand.

      »Mach schnell!«, sagt der im fadenscheinigen Anzug. »Mach schnell! In der Hölle ist es lustig!«

      Und schwenkt die Flasche aus Blech, kichert vor sich hin.

      Die Wand ist einfach mit Kalk bepinselt worden. Ein Rücken schabt am Kalk, die Weste wird weiß.

      Dann wird der Fleck des Zwielichtes in der Ecke ganz dunkel.

      Und der Mann im fadenscheinigen, grauen Anzug ist fort.

      York träumt nie mehr von dem Mann, der mit dem Messer umherfuchtelte.

      Der Traum ist vorbei.

      Und auch die Angst.

      *

      Das Essen steht auf dem Tisch – genauso noch wie vor zwei Stunden. Dann klappt die Tür hinter ihm.

      »Sie haben ja nichts …«

      Das Pokergesicht blickt hoch. Einen Moment ruht Blick in Blick.

      Er lächelt nicht mehr, denkt sie bestürzt und muss schlucken, das ist kein Lächeln, wenngleich sein Gesicht freundlich ist.

      Langsam nimmt sie den Teller, stellt ihn fort, macht sich am Herd zu schaffen und setzt den Kessel auf. Die Kaffeebohnen klappern im Trichter der Mühle, der Griff dreht sich, das Mahlwerk zerreibt die Bohnen.

      Der Mann blickt aus dem Fenster auf den Hof. Hinten ist die Rampe, über der Rampe im Giebel des Schuppens eine Luke. Und über der Luke ein Dreibeingestell mit einem Flaschenzug, über dessen Räder ein Seil mit einem Haken nach unten läuft.

      Wind schaukelt das Seil hin und her, lässt es schwingen.

      Jonathan Daniel Rosco blickt auf das Seil.

      Kein