G.F. Barner

G.F. Barner Staffel 3 – Western


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      »Großer Gott, Rosco, sind Sie wütend!«, stammelt Linda Adams erschrocken. »Was wird in der Stadt gespielt?«

      »Falsch – und das in fast allen Saloons«, entgegnet Rosco hart. »Die beiden Schurken werden bezeugen, dass sie mir weder etwas geboten noch mit Streit angefangen haben, wenn ich etwas über die Sache verlauten lassen sollte. Ich wusste es in dem Augenblick, in dem Donaldson mit diesem Carter erschien. Der Halunke ist schlecht genug, um jeden Meineid zu schwören. Das war das erste Gespräch eines Mannes, den ein anderer geschickt hat. Es wird nicht lange dauern, dann redet der andere mit mir – oder er redet gar nicht.«

      »Ich verstehe nicht, Rosco.«

      »Nein, das können Sie auch nicht«, murmelt Rosco bitter. »Manchmal redet man nicht mehr, dann schießt man. Und ich bin beinahe sicher, dass ich von nun an ein wenig auf meinen Rücken achten muss.«

      »Um Gottes willen. Sie glauben doch nicht, dass man aus dem Hinterhalt auf Sie schießen könnte?«

      »Mädel«, sagt Rosco ernst. »Seit das ›Alhambra‹ geschlossen worden ist, sind alle anderen Saloons vorsichtig geworden. Ich habe die beiden letzten Abende nur gespielt, um sicherzugehen. Das Spiel in allen Saloons ist jetzt ehrlich. Das wird solange andauern, bis ich fort bin. Dauert es Tage, ehe ich gehe, dann mag es für die Salooninhaber auszuhalten sein, aber dauert es Wochen, dann verlieren sie zu viel. Darum ist Donaldson gekommen. Ich sollte mich um nichts kümmern, das war ihm und den anderen achttausend Dollar wert. So einfach sieht die Rechnung aus!«

      »Aber – das ist doch Wahnsinn, das denken Sie nur, Rosco!«

      »Spielsaloons«, antwortet Rosco, »sind ein Sumpf. Und wer ihn nicht kennt, den zieht er in die Tiefe. Es gibt ehrliche und gute Spieler, genauso wie es ehrliche und unehrliche Menschen gibt. Nirgendwo aber ist es so leicht, zu betrügen wie beim Spiel. Zuerst kommt der Betrug. Und dann das Ende – eine Kugel. Ich bin neugierig, was jetzt kommt.«

      Linda Adams blickt ihn an und scheint zu frösteln.

      »Wenn Sie fürchten, dass man auf Sie schießt, dann bleiben Sie doch hier, bleiben Sie zu Hause, Rosco«, sagt sie gepresst. »Was haben Sie davon, wenn Sie sich in den Sumpf – wie Sie ihn nennen – begeben? Niemand zwingt Sie dazu.«

      Er lächelt bitter, wendet sich ab und tritt an das Fenster. Von dort aus sagt er ruhig: »Linda, ich könnte meine Begabung ausnutzen und sehr viel Geld mit ihr verdienen. Sie fragen mich, was mich zwingt – nun, es gibt eine Antwort, aber vielleicht klingt diese Antwort Ihnen zu selbstgefällig: Jeder Mensch hat etwas wie ein Gewissen. Ich bilde mir ein, dass ich meine Begabung nicht dazu bekommen habe, andere Leute um ihr Geld zu bringen, sondern vor Betrug zu bewahren. Darum mische ich mich ein. Soll es der Sheriff tun? Er versteht nichts von den Tricks, die es beim Spiel gibt, kaum ein berufsmäßiger Spieler kennt alle Tricks, ich auch nicht. Aber stoße ich darauf, dann kann ich nicht schweigen und zusehen, wie Reiter, die wochenlang und monatelang an einer Herde Staub geschluckt haben, um ihr hart erarbeitetes Geld betrogen werden. Mag sein, dass ich ein Narr bin, aber ein Mann ist für sich selbst verantwortlich – für niemanden sonst. Das ist meine Antwort. Ich werde bleiben.«

      »Und dabei das Risiko in Kauf nehmen, vielleicht umgebracht zu werden? Rosco, nur ein Narr begibt sich in Gefahr.«

      »Dann bin ich einer«, murmelt Jonathan Daniel Rosco. »Jemand muss es sein, warum nicht ich?«

      *

      »Rosco, müssen Sie wirklich gehen?«, fragt sie spröde. »Es ist zehn Uhr, Sie können doch einen Abend zu Hause bleiben. Morgen kommt Old Abe zurück dann …«

      »Dann könnte er mitgehen, wie?«, fragt Rosco und zupft einmal an seiner Halsschleife. »Ich bin nicht ängstlich, Miss Linda.«

      In derselben Sekunde, in der er aus der Tür kommt, sagt der eine Mann ganz weit links grimmig: »Mut hat der Narr, das muss man ihm lassen. Da ist er – und aus der Vordertür!«

      Er steht still hinter der Hausecke, ist mehr als hundert Schritt entfernt und hört den anderen spöttisch lachen.

      »Jemand«, sagt der andere Mann, »der Carter zuvorkommen und ihn die Treppe hinabwerfen kann, der kommt vorn heraus, mein kluger Freund. Das hatte ich dir doch gesagt. Verschwinde – lass ihn gehen, er läuft in die Falle. Siehst du, es ist immer gut, nicht nur zwei Mann aufzustellen, sondern sechs zu nehmen. Weg hier … Oh, verdammte Geschichte!«

      Er hört das Knarren der Wagenräder in der Sekunde, in der er den anderen am Arm zieht und verschwinden will.

      Der Wagen kommt von links, mitten auf der Straße, und er ist hochbepackt mit Fellen.

      »Er fährt in die Schusslinie«, keucht der erste Mann heiser. »Da haben wir es – der Wagen kommt uns dazwischen. Nur eine Seite – es bleibt nur eine Seite und nur ein Mann, der auf ihn feuern kann. Was jetzt?«

      »Zu spät!«, flucht der andere. »Der Halunke hat so ein verteufeltes Glück, dass es kaum zu glauben ist. Wenn es nur gut geht, wenn sie ihn nur erwischen!«

      Und dann blickt er schräg nach rechts, während er dem ersten Mann einen leichten Stoß gibt und selber etwa fünf Sekunden nach ihm ins Haus stürzt. Er reißt die Türen auf, hastet zum Fenster vorn und blickt angestrengt hinaus.

      »Schieß, jetzt kannst du noch schießen!«, sagt der Mann hinter dem Fenster knirschend. »Los, schieß!«

      Er starrt auf den Schuppen des Generalstores rechter Hand, aber …

      Der Mann, der dort steht, zerbeißt einen Fluch zwischen den Zähnen.

      Genau vor ihm sind zwei Frauen. Die eine kommt von links aus dem nächsten Haus, die andere verlässt den Store gerade und hält nun an.

      Über sie hinweg kann der Mann hinter dem Schuppengiebel, der den Zaun vor sich und sein Gewehr bereits auf den oberen Querbalken gelegt hat, Rosco sehen.

      Dort ist Rosco, aber die beiden Frauen reden, treten an den Rand des Gehsteiges und unterhalten sich kurz. Es ist nur ein Moment, mehr nicht, aber er genügt.

      »Weiber …, langhaariges, ewig redendes Pack …«

      Er flucht unterdrückt, zieht das Gewehr etwas nach hinten und starrt aus schmalen Augen auf Rosco, der in diesem Moment den Gehsteig verlässt.

      Er kommt, denkt der Mann hinter dem Zaun, noch zwanzig Schritt, dann ist er weit genug. Und diese Frauenzimmer … Ah, sie gehen fort, sie gehen endlich. Hol euch der …

      Die eine Frau, Missis Winslow, ist jetzt praktisch vor seinem Gewehrlauf. Nun verschwindet sie nach rechts. Vor dem Generalstore scheint der Inhaber zu stehen, denn Missis Winslow überfällt den Mann mit einem Redeschwall.

      Zu dieser Sekunde hat der Mann hinter dem Zaun sein Gewehr aufgelegt und gezielt. Einmal noch blickt er nach links, schickt dann einen kurzen Blick auf die rechte Seite der Straße und sieht den Wagen.

      Er schätzt den Winkel falsch ein, den der Wagen zu Rosco bildet.

      Der zweite Mann, der drüben hinter dem Barbiergeschäft mit seinem Gewehr lauert, kann nicht schießen. Er muss laufen, dreht sich um, flucht auf den Wagen, der ihm den Schusswinkel verdeckt, und rennt los. In wilden Sätzen versucht er, die andere Seite des Barbierhauses zu erreichen.

      Hinter dem Zaun des Schuppens am Generalstore visiert der Mann an, Rosco geht jetzt – seine Gestalt zeichnet sich scharf gegen den hellen Hintergrund des Last Penny ab.

      Jetzt, denkt der Mann und lässt Rosco kommen, in die Visierlinie hineingehen. Das ist sicher, tödlich sicher. Er zielt in Höhe auf Roscos Brust auf das linke Fenster des Saloons, ein helles Viereck, gegen das er das Korn deutlich in der Kimme stehen sehen kann. Rosco wird vor dem Viereck sein, das Ziel verdecken. Und dann abdrücken, nur den Finger krumm machen.

      Einen Schritt noch, Rosco, einen!

      Rosco wendet den Kopf, blickt auf den Wagen und bleibt stehen. Der Wagen – Felle auf ihm – ein Mann auf dem Bock – Zach Newton?

      Es ist Zach, denkt Rosco, als er sich umwendet,