Rander und meine Wenigkeit werden Sie auf dem Weg nach oben stützen, Mister Milstone«, schlug der Butler zusätzlich vor. »Die Treppe scheint etwas glatt zu sein, falls man sich nicht gründlich täuscht.«
*
Edward Milstones Leibwächter schienen ausgemachte Pechvögel zu sein. Als Parker, Rander und der gefesselte Waffenschmuggler das Haus betraten, um den Prototyp aus dem Geheimfach zu holen, hingen die beiden schon wieder wie schlaffe Gummipuppen über ihren Tischen.
Parker nahm als erster das dumpfe Stöhnen von nebenan wahr, und schritt gleich weiter in Milstones Büro. Jennifer Burley war es, die die undeutlichen Laute produziert hatte. Die junge Frau war an Milstones Schreibtisch gefesselt. Ein Knebel hinderte sie daran, sich verständlich zu machen.
»Araber!« war das erste Wort, das sie hervorstieß, als Parker ihr wieder zu einer klaren Aussprache verholfen hatte. »Araber waren es. Sie wollten mich umbringen!«
Rasch löste der Butler die Fesseln der jungen Frau, so daß sie sich schluchzend an Milstones Brust werfen konnte.
»Sie haben mir ein Messer an den Hals gesetzt«, preßte sie unter Weinkrämpfen hervor. »Da habe ich das Versteck verraten. Sie hätten mich bestimmt umgebracht, Ed.«
Das raffiniert getarnte Geheimfach, das sich nur durch den Druck auf einen versteckt angebrachten Knopf öffnen ließ, stand offen. Und leer war es natürlich auch.
»Das kann nur El Malud mit seinen Leuten gewesen sein«, erklärte Milstone. »Warum hab’ ich mich bloß auf Geschäfte mit dem Hund eingelassen ...«
»Ihre Bedenken kommen spät, Mister Milstone«, merkte Parker ungerührt an. »Da Sie und Miß Burley aber noch am Leben sind, darf man vermutlich davon sprechen, daß Ihre Bedenken nicht zu spät kamen.«
»Jedenfalls werden Sie demnächst reichlich Zeit haben, über alles nachzudenken«, fügte Mike Rander hinzu.
»Ich weiß«, nickte Milstone, deprimiert. »Aber wenn ich das Schwein in die Finger kriege...«
»Erst mal müssen wir ihn in die Finger kriegen«, meinte der Anwalt, an Parker gewandt. »Wenn wir nur eine Ahnung hätten, wo der Bursche steckt.«
»Man sollte Mister El Malud vor Morgengrauen habhaft werden, ehe er mit seiner Beute Unheil anrichten kann«, ergänzte der Butler.
»Wieso vor Morgengrauen?« fragte Rander verdutzt.
»Die Solarzellen des Lasergerätes benötigen Tageslicht, Sir«, erläuterte Parker« »Künstliches Licht reicht keinesfalls, wie die Konstrukteure meiner Wenigkeit versicherten.«
»El Malud ist übrigens Eigentümer des Bauchtanzlokals, in dem ich mit ihm zusammentraf«, wies Milstone eine mögliche Spur.
»Dann sollte man unverzüglich das genannte Lokal aufsuchen, um sich nach dem Verbleib des Inhabers zu erkundigen«, schlug Parker vor, und der Anwalt nickte.
»Vorher rufe ich aber schnell noch Kathy an, damit sie sich keine Sorgen macht«, erklärte er und griff zum Telefon. Parker traf inzwischen Vorkehrungen, um Ed Milstone, Jennifer Burley und die beiden Leibwächter am Verlassen des Hauses zu hindern.
»Hallo, Kathy«, rief Rander strahlend, als Myladys Gesellschafterin sich meldete. Aber sofort wurde sein Gesicht wieder ernst. Gleich darauf nahm es den Ausdruck gespielten Entsetzens an.
»O Schreck, laß nach«, stöhnte Rander. »Muß das sein?«
»Na gut«, lenkte er nach kurzer Pause ein. »Wir können uns vor dem Bauchtanzlokal treffen. Die Adresse hast du noch?«
»Mylady hat wider Erwarten ihre Meditation unterbrochen«, teilte der Anwalt mit, sobald er den Hörer aufgelegt hatte. »Sie besteht darauf, alle weiteren Einsätze persönlich zu leiten.«
*
Mike Rander hatte nicht übertrieben. Wie ein Kampfstier schoß die resolute Dame aus dem Auto und wirbelte ihren Pompadour durch die Luft. Zu allem Überfluß hatte sie auch noch ein Taxi nehmen und bezahlen müssen, da Kathy Porters Minicooper für ihr Format nicht konstruiert war.
»Darf man von der Annahme ausgehen, daß Mylady meiner bescheidenen Wenigkeit bestimmte Aufgaben zugedacht haben?«
»Ich werde gegen diese Gangsterhöhle einen Überraschungsschlag führen«, gab die Detektivin bekannt. »Sie dürfen mich dabei begleiten, Mister Parker.«
»Fraglos haben Mylady auch geplant, den Nebenausgang überwachen zu lassen«, erinnerte Parker seine Herrin.
»Selbstverständlich habe ich das geplant, Mister Parker«, reagierte Lady Agatha entrüstet. »Mike, der gute Junge, wird aufpassen, daß der feige Schurke nicht türmt. Kathy kann ihm dabei helfen. Für sie ist es drinnen zu gefährlich.«
Als die resolute Dame mit finsterer Miene und hektisch kreisendem Pompadour in das Lokal stampfte, hallten ihre Schritte von den Wänden wider. Alle Gäste waren gegangen, die Bühne dunkel. Nur ein einsamer Kellner war noch mit Aufräumen beschäftigt.
Der junge Bursche schien nichts Gutes zu ahnen. Sobald er sein Erstaunen über die späten Gäste verwunden hatte, setzte er zu einem Spurt in Richtung Seitenausgang an. Parker war jedoch schneller.
Lautlos beschrieb die Bambuskrücke seines Universal-Regenschirmes einen Bogen und hakte sich an den Knöcheln des Fliehenden fest. Der Mann reagierte mit einem überraschten Schrei auf die unverhoffte Behinderung und riß mehrere Tische und Stühle um, ehe er in einer gestreckten Bauchlandung Kontakt zum Boden suchte.
»Fragen Sie den Lümmel, wo sein Chef sich versteckt hält, Mister Parker«, ordnete die Detektivin mit ihrer baritonal gefärbten Stimme an.
»Mister El Malud ist nicht im Haus«, gab der junge Orientale in akzentfreiem Englisch Auskunft.
»Der Lümmel wagt es, zu lügen«, empörte sich Agatha Simpson. »Überprüfen Sie seine Behauptung, Mister Parker.«
Während Mylady mit einsatzbereitem Pompadour bei dem jungen Mann Wache hielt, tat der Butler, wie ihm geheißen.
»Mister El Malud scheint sich tatsächlich außerhalb des Hauses aufzuhalten, Mylady«, meldete er nach einem Inspektionsgang durch alle Räume.
»Möglicherweise sind Sie in der Lage, über den derzeitigen Aufenthaltsort Ihres Arbeitgebers Auskunft zu erteilen?« wandte Parker sich an den Kellner.
»El Malud befindet sich an einem geheimen Ort«, wich der junge Mann aus.
»Geheim oder nicht«, fuhr Lady Agatha dazwischen. »Sie werden mir diesen Ort jetzt nennen. Sonst zwingen Sie mich, den Ton meines Verhörs zu verschärfen.«
»Nie würde ich einen islamischen Führer an Ungläubige verraten«, rief der Kellner pathetisch aus, während er verstohlen seine blauen Flecken zählte. »So wahr mir Allah helfe!«
Sein Stoßgebet verhallte ungehört. Jedenfalls half ihm niemand, als Myladys Pompadour mit der Zärtlichkeit eines Eisbrechers seine Schulter massierte.
Stöhnend ging der Mann in die Knie, verdrehte die Augen und griff instinktiv nach einem Halt. Da er aber schon alle Tische und Stühle im Umkreis umgeworfen hatte, faßte er nur ins Leere und bettete sich leise röchelnd auf die Dielen.
»Sorgen Sie dafür, daß der Bursche mir unverzüglich wieder zur Verfügung steht, Mister Parker«, wünschte Agatha Simpson. »Meine Zeit ist kostbar.«
»Dieser Umstand ist meiner Wenigkeit durchaus vertraut, sofern die Anmerkung erlaubt ist, Mylady«, versicherte der Butler, während er wiederum sein Riechsalz-Fläschchen einsetzte.
Wenig später schlug der Kellner die Augen auf und blickte verwirrt zu dem skurrilen Duo aus Shepherd’s Market hoch. Nur langsam schien ihm zu dämmern, daß diese Leute unmittelbar mit seiner schmerzenden Schulter und seiner unbequemen Lage auf dem Fußboden zu tun hatten.
»Darf man, ohne aufdringlich zu erscheinen, an Myladys Frage erinnern?« blieb Parker hartnäckig.