worden war. Ich ging mit einer neuen Wendung in meinen Gedanken weiter.
Nachmittags schlief ich an einer sonnigen Stelle einen angenehmen Schlaf und ging erfrischt meines Weges weiter.
Ich kam zu einem behaglich aussehenden Gasthof bei Canterbury. Er leuchtete von Schlinggewächsen, und die Wirtin war eine saubere alte Frau, die mein Auge anzog. Ich fand, dass ich gerade Geld genug hatte, um für mein Zimmer bei ihr zu zahlen. Ich beschloss, die Nacht dort zu bleiben. Sie war eine geschwätzige Frau, und unter anderen Einzelheiten erfuhr ich, dass sie noch nie in London gewesen war. »Canterbury, weiter bin ich noch nich’ gewesen«, sagte sie. »Ich bin keine von Ihren Rumstreichern.«
»Wie würde Ihnen ein Ausflug zum Mond gefallen?«, rief ich.
»Hab’ nie ’was mit die Ballons in’n Sinn gehabt«, sagte sie, offenbar unter dem Eindruck, dies sei eine ziemlich gewöhnliche Reise. »Ich ging in keinen ’rauf – nich’ für noch soviel.«
Das schien mir ulkig. Als ich zu Nacht gegessen hatte, setzte ich mich auf eine Bank neben der Tür des Gasthofs und plauderte mit zwei Arbeitern über Ziegelstreichen und Motorwagen und über das letztjährige Kricket. Und am Himmel sank ein blasser junger Mond, blau und unbestimmt wie eine ferne Alp, westlich über der Sonne nieder.
Am anderen Tage kehrte ich zu Cavor zurück. »Ich komme«, sagte ich. »Ich bin ein bisschen in Unordnung gewesen, weiter nichts.«
Das war das einzige Mal, dass ich ernstlichen Zweifel gegen unser Unternehmen empfand. Nichts als die Nerven! Danach arbeitete ich ein wenig achtsamer und lief jeden Tag eine Stunde lang herum. Und zuletzt waren unsere Arbeiten, abgesehen von der Erhitzung im Schmelzofen, zu Ende.
4 – In der Sphäre
Nur weiter«, sagte Cavor, als ich auf dem Rande des Einsteigeloches saß und in das schwarze Innere der Sphäre niederblickte. Wir beiden waren allein. Es war Abend, die Sonne war untergegangen, und auf allem lag die Stille des Zwielichts.
Ich zog auch das andere Bein hinein und glitt über das glatte Glas auf den Boden der Sphäre; dann wandte ich mich, um Cavor die Kannen mit den Nahrungsmitteln und die anderen Impedimenta abzunehmen. Das Innere war warm, das Thermometer stand auf achtzig Fahrenheit, und da wir wenig oder nichts davon durch Strahlung verlieren sollten, waren wir in Schuhe und dünnen Flanell gekleidet. Wir hatten jedoch ein Bündel mit dicken Wollenkleidern und mehrere dicke Decken bei uns, um uns vor Unfällen zu schützen. Nach Cavors Anweisung legte ich die Kisten, die Sauerstoffzylinder und so weiter lose um meine Füße, und bald hatten wir alles drinnen. Er ging eine Zeit lang auf der Suche nach irgend etwas, was wir übersehen hätten, im dachlosen Schuppen umher und kroch mir dann nach. Ich bemerkte etwas in seiner Hand.
»Was haben Sie da?«, fragte ich.
»Haben Sie sich nichts zu lesen mitgebracht?«
»Großer Gott! Nein.«
»Ich vergaß, es Ihnen zu sagen. Manches ist ungewiss – die Reise dauert vielleicht – es kann Wochen dauern!«
»Aber –«
»Wir werden absolut ohne Beschäftigung in dieser Sphäre schwimmen.«
»Ich wollte, ich hätte es gewusst – –«
Er blickte zum Einsteigeloch hinaus. »Sehen Sie!«, sagte er. »Da liegt was!«
»Ist noch Zeit?«
»Es dauert noch eine Stunde.«
Ich blickte hinaus. Es war eine alte Nummer der Tit-Bits,1 die einer der Leute mitgebracht haben musste. Weiter im Winkel sah ich ein zerrissenes Blatt der Lloyds News. Damit kletterte ich in die Sphäre zurück. »Was haben Sie sich mitgenommen?«, fragte ich.
Ich nahm ihm das Buch aus der Hand und las: »William Shakespeares Werke«.
Er errötete leicht. »Meine Bildung ist so rein naturwissenschaftlich gewesen« – sagte er entschuldigend.
»Ihn nie gelesen?«
»Nie.«
»Er hat einiges gewusst, wissen Sie – irreguläres Wissen.«
»Genau, was ich gehört habe«, sagte Cavor.
Ich half ihm, den Glasdeckel des Einsteigelochs einzuschrauben, und dann drückte er auf einen Knopf, um die entsprechende Jalousie in der äußeren Hülle zu schließen. Das kleine Zwielichtviereck verschwand. Wir waren im Dunkel.
Eine Zeit lang sprach keiner von uns. Obgleich unsere Hülle für den Schall nicht undurchdringlich war, war doch alles sehr still. Ich sah, dass nichts da war, woran man sich festklammern konnte, wenn der Stoß unseres Aufbruchs käme, und mir wurde klar, dass mir der Mangel eines Stuhls Unbehagen bereiten würde.
»Warum haben wir keine Stühle?«, fragte ich.
»An all das hab ich gedacht«, sagte Cavor. »Wir werden sie nicht nötig haben.«
»Warum nicht?«
»Sie werden sehen«, sagte er in dem Ton eines Menschen, der nicht reden will.
Ich verstummte. Plötzlich war es mir klar und lebhaft aufgegangen, dass ich ein Narr war, in dieser Sphäre zu sein. Selbst jetzt noch, fragte ich mich, ist es zu spät, sich zurückzuziehen? Die Welt außerhalb der Sphäre, das wusste ich, würde kalt und ungastlich genug gegen mich sein – seit Wochen hatte ich von Cavors Subsidien gelebt – aber schließlich, würde sie so kalt sein wie der unendliche Nullpunkt, so ungastlich wie der leere Raum? Wäre es nicht um den Anschein der Feigheit gewesen, ich glaube, ich hätte ihn selbst da noch gezwungen, mich hinauszulassen. Aber aus dem Grunde zögerte ich und zögerte ich und wurde ungeduldig und zornig, und die Zeit verging.
Da kam ein leiser Ruck, ein Geräusch, wie wenn im Nebenzimmer Champagner entkorkt würde, und ein schwacher pfeifender Schall. Eine Sekunde lang hatte ich eine Empfindung ungeheurer Spannung, eine flüchtige Überzeugung, dass meine Füße mit der Kraft zahlloser Tons nach unten pressten. Es dauerte eine unendlich kleine Zeit.
Aber es rüttelte mich zum Handeln auf. »Cavor!«, sagte ich ins Dunkel hinein, »meine Nerven sind kaputt … Ich glaube nicht – –«
Ich hielt inne. Er gab keine Antwort.
»Zum Henker!«, rief ich, »bin ich ein Narr! Was habe ich hier zu suchen? Ich komme nicht mit, Cavor. Die Sache ist zu riskant. Ich steige hinaus.«
»Das können Sie nicht«, sagte er.
»Kann nicht! Das wollen wir bald sehen!«
Er