Alexander Bálly

Hopfenbitter


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      »Wanzen haben Sie auch?«

      »Ja. Freilich.«

      »Darf man die denn überhaupt benutzen?«

      »Nicht überall. Dieser Bereich ist rechtlich ein wenig – nennen wir es – sumpfig.«

      »Ham Sie sonst irgendwelche Sonderrechte, Herr Biss? Darf so a Detektiv mehr, weil er wie die Polizei ermittelt?«

      »Nein. Ich bin ja weder die Polizei noch eine Staatsbehörde. Ich darf alles, was normale Menschen auch dürfen. Aber mehr darf ich nicht.«

      »Dürfen S’ einfach so Gespräche abhören?«

      »Das darf ich nicht. Aber ich darf versuchen, Vogelstimmen aufzunehmen … und wenn ich da dann zufällig ein Gespräch höre …«

      »Dürfen S’ wen festnehmen?«

      »Das darf ich, und Sie dürfen es übrigens auch. Wenn Sie einen Dieb zum Beispiel in flagranti erwischen, dann dürfen Sie ihn festhalten, bis die Polizei da ist. Das nennt sich ›Festnahme durch Jedermann‹.«

      »Aber ned jedermann hat deshalb gleich Handschellen dabei. Ich hab welche hinten im Kofferraum gesehen und so was wie a Filmkamera aa. So a große gleich, mit schwerem Holzstativ.«

      Biss lachte. »Das ist keine Kamera, Herr Wimmer. Das ist nur ein Stativ mit einem Theodoliten, einem Landvermessungsgerät. Der ist sogar kaputt. Aber das macht nix. So ein Gerät ist sehr praktisch. Wenn Sie mal ein Objekt länger beobachten müssen, kann man sich dabei schlecht unsichtbar machen. Irgendwann gibt es dumme Fragen. Aber wenn Sie nur Grundstücke oder Gullideckel vermessen und dazu noch eine orange Jacke anhaben, dann fragt kaum einer, und wenn, dann kann man einfach was über neue Glasfaserleitungen für das schnelle Internet erklären, und die Leute sind zufrieden. So kann man ganze Tage um ein Objekt herumstreichen und es beobachten.«

      Wimmer fand all diese Methoden recht zwielichtig. Der Detektiv kam ihm inzwischen sehr halbseiden vor. Vielleicht war er ja kein Ganove, aber ein Partner, dem man vertrauen konnte, war er sicher nicht. Seit er das Richtmikrofon erkannt hatte, spielte er mit dem Gedanken, die Zusammenarbeit abzubrechen.

      Doch schon im nächsten Moment bekam er ein schlechtes Gewissen. Er selbst war ja kaum besser. Auch er hatte schon Menschen mit Technik ausgespäht, abgehört und überwacht. Vor allem Anna war es, die immer wieder neue »Spionage«-Anwendungen für ihr Mobiltelefon vorschlug. Und sie beide wussten, wie man mit erfundenen Geschichten Menschen zum Reden brachte. Ganz ehrlich waren sie also auch nicht. Immerhin versuchte Wimmer, diese fragwürdigen Methoden nicht ohne Notwendigkeit und so selbstverständlich einzusetzen wie sein Kollege. Für ihn waren sie ein letzter Ausweg, wenn er anders nicht weiterkam.

      »Herr Biss, mich werden S’ nicht noch einmal aushorchen, bespannen oder sonst wie ausspionieren. Nicht ohne, dass i des weiß. So kann man doch ned z’sammarbeiten. Da muss doch a Vertrauen da sein. Ham S’ mich verstanden? Wenn S’ meinen, dass S’ Ihre Spielzeuge einsetzen wollen, dann geben S’ mir Bescheid. Sonst is Schluss mit unserer Kooperation. Is des klar? Ham S’ des kapiert?«

      Biss versicherte noch einmal, nichts Böses mit dem Richtmikrofon beabsichtigt zu haben, und schon gar nicht sei das ein Zeichen von Misstrauen, und Wimmer war dann endlich wieder beruhigt.

      Eine Weile fuhren sie noch herum und suchten nach passenden Bäumen. Wimmers Zorn legt sich allmählich. Eichen fanden sie einige und auch Linden. Doch sie standen nie so zueinander, wie das Bild es zeigte. Gegen drei Uhr fuhr Biss ihn zur Metzgerei zurück.

      »Für heute müssen wir Feierabend machen«, sagte er. »Ich hab heute Nachmittag noch einen anderen Termin im Zusammenhang mit einem ganz anderen Auftrag. Wollen Sie die Sache mit der Heiligenfigur und der Glühbirne in Angriff nehmen? Und morgen suchen wir weiter nach den Bäumen.«

      Zu Hause half Anna Wimmer mit der Aufgabe. In der Speisekammer fanden sie noch eine alte Glühbirne und maßen sie aus. Sie hatte einen Durchmesser von sieben Zentimetern. Das war ein wichtiger Wert.

      Anna machte eine Aufnahme von Wimmers Foto mit ihrem Handy und hatte so ruck, zuck das Bild auf ihrem Rechner. Ein Grafikprogramm half, es ins Gigantische zu vergrößern.

      »Da erkennt man ja gar nix mehr!«, motzte der Metzger.

      »Natürlich ist das jetzt ganz schrecklich verrauscht. Aber des Wichtige können mir scho erkennen. Des da muss die Lampe sein, und das hier drin ist die Glühbirne.« Sie deutete auf einen helleren Schemen vor dunklerem Grau. »Das heißt, von hier bis da hin …«, sie zog mit der Maus zwischen zwei Punkten einen leuchtend gelben Strich, »… sind’s auf dem Foto sieben Zentimeter.«

      Sie klickte ein paarmal mit der Maus und hatte plötzlich ein Lineal auf dem Bildschirm, an dem diese gelbe Strecke anlag. Es waren dreiundzwanzig Millimeter. Dann verschob sie das Bild, bis der Bildschirm die Nische zeigte. Was für ein Heiliger es war, war nicht zu erkennen. Aber sie konnte wieder zwei Strecken an der Nische einzeichnen und mit ihnen die Höhe und Breite bestimmen.

      »Des muss a recht kleine Figur sein«, meinte sie, als sie ihren Taschenrechner zu Rate gezogen hatte. »Die Nische ist nur achtundzwanzig Zentimeter breit und dreiundfünfzig Zentimeter hoch. Und die Figur reicht aa ned bis ganz nauf.«

      »Lass uns des aufrunden, falls wir uns vermessen ham oder die Glühbirnen früher größer g’wesen san. Dreißge in der Breiten und fümferfuchzig hoch. Und darin eine Figur, ned größer als fümfundvierzg Zentimeter. Das is doch schon a brauchbares Ergebnis.«

      4

      23. September – Montag

      Zwei Tage später lud Wimmer Anna nachmittags zu einer Motorradfahrt ein. Auf Nebenstrecken fuhren sie kreuz und quer durch die goldbunte Landschaft im milden Altweibersommersonnenschein. Nach mehr als einer halben Stunde langten sie im zwölf Kilometer entfernten Geisenfeld an und machten da in der Eisdiele in der Rathausstraße Station.

      »Ich hab gedacht, du bist wieder unterwegs mit deinem Kollegen.«

      »Naa. Der Fall is abg’schlossen.«

      »Ihr habt’s den Hof gefunden?«

      »Dei Opa hat den Hof g’funden!«

      Wimmer konnte den Stolz in seiner Stimme nicht unterdrücken. Tatsächlich hätte Biss noch tagelang vergeblich nach dem Hof suchen können, wenn er Wimmer nicht um Hilfe gebeten hätte.

      Während Anna mit Genuss einem Eisbecher Malaga zu Leibe rückte, erzählte Wimmer bereitwillig von der erfolgreichen Suche.

      Tags zuvor war der Detektiv wieder vorgefahren, um den Metzger abzuholen. Als Wimmer die Autotür öffnete, fand dieser den Beifahrersitz belegt mit Büchern.

      »Ach, der Kruscht, entschuldigen Sie bitte. So ein Wagen ist immer auch Arbeitsplatz und darum nicht immer aufgeräumt. Legen Sie die Bücher ruhig auf die Rückbank«, erklärte Biss.

      Wimmer staunte. Die Bücher waren groß, und das oberste zeigte eine Hopfendolde. Es war aber kein Bildband für Touristen, sondern eher ein landwirtschaftliches Buch. Auch die anderen Bände, alle in Plastikfolie eingebunden, waren Fachbücher mit komplizierten Titeln. Es gab das »Handbuch der Stolonen«, »Neue Wege der autovegetativen Vermehrung mit Auxinen«, »Totopotente Zellen in der Phythogewebekultur«, lauter wissenschaftliche oder zumindest landwirtschaftliche Fachbücher.

      »Keine Angst, Herr Wimmer, das gehört zur Recherche von einem ganz anderen Fall.«

      »Sie arbeiten an mehreren Fällen gleichzeitig?«

      »Das kommt schon vor. Und in diesem Fall ist es sogar wichtig. Wenn ich nicht sowieso in der Gegend wäre, glaube ich kaum, dass ich unser Fotorätsel angenommen hätte. Doch wenn ich schon in der Holledau bin und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann, dann mache ich das natürlich.«

      Und doppelten Stundensatz plus Spesen erhebst du natürlich auch, dachte Wimmer, beschränkte seinen Kommentar aber auf ein Grunzen.

      »Weißt, Anna, der Kerl