Danny King

DAS HAUS DER MONSTER - DIE MONSTER SIND ZURÜCK


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ich war bereits in meinem Schlafzimmer und ließ mich mit dem Gesicht zuerst auf die Matratze fallen, auf der ich schlief, bis ich Lust dazu hatte, mein Bett aufzubauen. Ich zog nicht mal meine Decke über mich. Ich war einfach zu müde. Ich sank augenblicklich in einen tiefen Schlaf und machte da mit Virginia weiter, wo ich aufgehört hatte. Ich sah zu, wie sie immer näher zu mir kam, vor mir hertanzte und sich die Blütenblätter der Lilie mit jedem gemächlichen Schritt teilten.

      »John, du Scheißkerl!«, protestierte Rachel lautstark und schüttelte mich im Schlaf, wodurch sie Virginias großes Finale versaute. »Ich stecke schließlich nur wegen dir hier fest. Ich wollte gar nicht nach Schottland, doch ich bin mitgekommen, weil du gesagt hast, dass du mich brauchst.«

      Das stimmte nicht ganz, eigentlich noch nicht einmal ansatzweise. Ich hatte sie gebeten, mitzukommen, um ihre Behandlung fortsetzen zu können. Ich traute ihr nicht zu, allein loszuziehen, und ich hatte Angst, was sie vielleicht anstellen könnte. Rachel hatte mich begleitet, weil ich es im Laufe der Jahre geschafft hatte, für sie sowohl die Rolle der Vaterfigur als auch die eines Freundes einzunehmen, was sie zuvor gar nicht gekannt hatte und worauf sie großen Wert legte, auch wenn sie es noch nicht ganz begriff. Diesen Fortschritt hatten wir bereits gemacht. Aber wenn ich nicht für sie da sein konnte, wenn sie mich am meisten brauchte, was nützte ich dann als Vater oder als Freund?

      »Bitte, ich verspreche dir, ich werde morgen nicht so viel arbeiten. Doch lass mich jetzt endlich schlafen. Dann mache ich morgen alle Reparaturen nach Anbruch der Dunkelheit. Ich lass dich sogar den Hammer halten, wenn du willst …«, sagte ich und schnarchte schon, bevor ich den Satz überhaupt beendet hatte.

      Ich hörte, wie Rachel frustriert knurrte und mich dann widerstrebend allein ließ, wobei sie die Schlafzimmertür laut hinter sich zu knallte. Ich fühlte mich schuldig, weil ich sie im Stich ließ, was sich garantiert auch in meinen Träumen widerspiegeln würde, aber ich hatte nicht die Chance, das herauszufinden, denn ein lautes Hämmern an der Tür riss mich fast augenblicklich wieder aus dem Schlaf und wollte einfach nicht nachlassen, bis ich schließlich vor Wut kochte.

      »Rachel! Rachel! Um Himmels willen, hör endlich auf damit! Ich muss schlafen!«

      Aber Rachel hörte nicht auf. Sie hämmerte einfach weiter gegen die Tür, bis ich hörte, wie diese schrecklich knirschte und eine der Messingschrauben aus den Angeln hüpfte und auf den Boden fiel. Mit einem Satz war ich aus dem Bett und riss die Tür auf, um ihr die Meinung zu geigen, aber zu meiner Überraschung war sie gar nicht da. Die kalte Luft wirbelte umher und die Schatten nagten an jedem Lichtschimmer, doch ansonsten war der Flur vor mir leer und die Tür intakt.

      »Was schreist du denn so rum?«, fragte Rachel von unten. Sie sah ehrlich verwirrt aus.

      Ich konnte mir nicht erklären, wie sie das geschafft hatte. Rachel war zwar schnell, aber so schnell nun auch wieder nicht. Ich hatte die Tür aufgerissen, als noch auf sie eingehämmert worden war, aber Rachel war nicht da gewesen. Außerdem beharrte sie darauf, dass sie die ganze Zeit über in der Küche gewesen war und rein gar nichts gehört hatte, was unmöglich sein konnte.

      »Das hast du bestimmt nur geträumt«, sagte sie, und bei dem Schlafentzug, den ich hatte, konnte das wahrscheinlich wirklich sein.

      Zumindest dachte ich das, bis ich auf die kleine Messingschraube mitten auf meinem Boden trat, die aus der Türangel gefallen war.

      IV

      Ich erwachte nach einer der schlechtesten Nachtruhen meines Lebens und fand mich auf den kalten, harten Bodendielen wieder, mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt. Licht fiel durch die verschlissenen Vorhänge herein, aber mein Verstand war immer noch von zähen Schatten vernebelt. Verschwunden waren die hypnotischen Traumbilder von Virginia, die ihre Blütenblätter abwarf, und an ihre Stelle war ein unsichtbarer Schrecken getreten … die Angst vor etwas Bösem, das sich von einer weit entfernten Ebene her näherte.

      Ich überprüfte die Tür jetzt genauer und tatsächlich verlief ein gezackter Riss mitten über die andere Seite, aber ich konnte mich nicht daran erinnern, ob er nicht vielleicht schon vorher da gewesen war. Jede Tür, jedes Fenster und jede Wand in diesem Haus war entweder gesprungen oder löste sich auf. Hatte ich den Riss vielleicht auf meinem Weg ins Bett gesehen und meinem Unterbewusstsein damit während des Einschlafens etwas zu spielen gegeben? Diese Wachträume waren schließlich immer die verwirrendsten, weil sie immer dann auftauchten, wenn man sich gerade zwischen den Welten befand. Ich wusste es einfach nicht. Aber ich war nicht bereit, voreilige Schlüsse zu ziehen, die mich womöglich unachtsam werden ließen. Ein offener Geist zahlte sich nämlich aus. Offene Türen eher nicht.

      Rachel war mittlerweile in ihren Sarg zurückgekehrt, doch sie war in der Nacht fleißig gewesen und hatte das Cottage von seiner Möwen- und Nagetierplage befreit. Bei Tagesanbruch war kein einziger Schädling mehr im Haus übrig, nur ein kleiner Knochenhaufen, der auf ein Begräbnis wartete. Nach diesem Vorfall würden sich wahrscheinlich keine Möwen mehr dem Haus nähern. Nicht, solange Rachel hier wohnte.

      Ich hatte immer noch viel zu tun, um das Cottage für den bevorstehenden Winter wetterfest zu machen, aber ich beschloss, es heute langsamer anzugehen. Die Ereignisse der letzten Woche hatten dazu geführt, dass ich Rachel vernachlässigt hatte, und das ging nicht. Sie war eine Zeitbombe, die nur darauf wartete, hochzugehen. Ich musste unbedingt für sie da sein, während sie sich an ihre neu gewonnenen Freiheiten gewöhnte.

      Nichtsdestotrotz, eins nach dem anderen. Jedem Engländer steht eine Tasse Tee am Morgen zu, und ich befolgte diese Regel streng. Die Sonne mochte über dem Britischen Empire untergegangen sein, aber manche Dinge waren nun einmal unantastbar. Kriege waren schon für weniger ausgefochten (und unterbrochen) worden, und nach der Nacht, die ich gehabt hatte, brauchte ich erst recht einen kräftigen Tee. Ich verteilte etwas Kleinholz im offenen Herd und entzündete dann ein Streichholz, um es anzufachen. Anschließend ging ich nach draußen, um das Unkraut zu gießen, denn mein Cottage besaß kein Innenklo. Doch mein Hinterhof war unzählige Hektar groß und nur Gott allein überblickte es, also konnte ich mein Revier ruhig markieren, wann immer ich es für nötig hielt. So praktisch das auch war, befürchtete ich doch, dass ich Vorkehrungen treffen musste, bevor der Winter hereinbrach, denn das Ganze würde sich wahrscheinlich im Dezember sehr viel weniger befreiend anfühlen, wenn jene kalten, stürmischen Winde vom Atlantik heranfegen würden.

      Sobald ich fertig war, machte ich mich mit einem zufriedenen Seufzen auf den Weg zum Cottage zurück, nur um wie angewurzelt stehen zu bleiben, bevor ich auch nur zwei Schritte gegangen war. Denn dort, an meinem Schlafzimmerfenster, war das Gesicht einer mageren und blassen Frau zu sehen, die mich intensiv anstarrte. Ich hielt es zuerst für eine optische Täuschung, doch die Frau bewegte sich kurz darauf und auf einmal schlug die Hintertür zu.

      Ich rannte zum Cottage zurück und versuchte die Tür zu öffnen, aber sie klemmte. Ich hämmerte fest dagegen und rief nach Rachel, um sie zu warnen, dass sie nicht allein war, aber ich war offenbar zu spät, denn kurz darauf hörte ich sie schreien.

      »Lass sie in Ruhe. Ich bring dich um«, befahl ich mal wieder, während ich so lange mit aller Kraft gegen die solide Eichentür hämmerte, bis ich spürte, wie es in meinen alten Knochen knackte.

      Mit einem Gefühl der Machtlosigkeit stolperte ich rückwärts, während Rachel immer weiter schrie. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Sie wirkte so entsetzt, wie ich es noch nie zuvor bei ihr erlebt hatte. Sie heulte und bettelte nach mir wie ein Kind nach seinen Eltern, während es sich im Griff eines schrecklichen Albtraums befand. Etwas Urtümliches überkam mich nun und ich wusste, dass ich sie retten musste. Ich schnappte mir einen großen Stein von meiner Gartenmauer und schleuderte ihn mit aller Kraft durch das Küchenfenster, dann sprang ich hinterher, ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, was mich im Inneren erwartete.

      Eine Wand eiskalter Luft traf mich, sobald ich drinnen war, und es verschlug mir fast den Atem. Im Cottage war es schon vorher kalt gewesen, aber jetzt war die Küche von einer Eiseskälte erfüllt, die sogar meine Sinne schmerzen ließ, trotz des brennenden Feuers im Herd. Frost bedeckte jede Oberfläche und mein neues Geschirr zerbrach, als die klirrende Kälte an seiner Glasur leckte.