Annemarie Regensburger

Angela Autsch


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Gott etwa gar strafen wolle, was viele Menschen damals noch glaubten. Sie war überzeugt, dass Gott alle Menschen gerne mag, auch wenn sie nicht immer gut gelebt haben. Die Menschen brauchen nur auf Gott zu vertrauen und zu versuchen, mit jedem Menschen gut zu sein, ganz gleich, woher er oder sie kommt. Thérèse von Lisieux wurde nur 23 Jahre alt.“

      Bei ihren letzten Worten blickt Marie Theresia an und sieht, dass sie eingeschlafen ist. Sie streicht ihr noch einmal über den Kopf und macht ihr das Kreuz auf die Stirn.

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      Noch weiß Marie nicht, wie oft sie im KZ in Auschwitz vielen Sterbenden die Geschichte der kleinen Thérèse von Lisieux erzählen wird und diese Menschen Trost darin finden.

      Thérèse Erkenntnis, dass alles ein Geschenk, also Gnade ist und auch die Gerechtigkeit Gottes mit Liebe „umkleidet“ ist, wird für viele in der Hölle von Auschwitz ein Trost sein. Thérèse von Lisieux wird als Karmeliterin mit braunem Kleid, weißem Mantel und schwarzem Schleier abgebildet. Sie hält einen Strauß Rosen in den Armen. Vor ihrem Tod versprach sie, den Mitschwestern vom Himmel Rosen auf die Erde zu streuen.

      Sie war ein großes Vorbild für Marie, die spätere Schwester Angela.

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      Marie steht auf und verlässt so leise wie möglich Theresias Zimmer. Im Gang begegnet ihr Frau Brögger und sagt:

      „Marie, seit du bei uns bist, ist Theresia wie ausgewechselt. Ich bin sehr froh darüber. Die Kleinen haben dich ebenfalls liebgewonnen. Das ist für mich sehr beruhigend, denn in sechs Wochen soll ja das Baby kommen.“

      „Danke, Frau Brögger, ich bin sehr gerne bei Ihnen und auch ich mag die Kinder gerne. Jetzt mache ich mich auf den Nachhauseweg, damit ich, bevor die Dunkelheit hereinbricht, heimkomme.“

      Schneller als sie glaubt wird es Nacht. Wie froh ist Marie, als endlich die ersten Lichter von Bamenohl zu sehen sind. Die Eltern sitzen noch beim Küchentisch.

      „Marie, du bist heute spät dran. Wir haben uns schon Sorgen gemacht.“

      „Wisst ihr, ich hatte Theresia versprochen, vor dem Schlafengehen die Geschichte der heiligen Thérèse von Lisieux zu erzählen.“

      Der Vater muss lächeln. Wie oft hatte er den eigenen Kindern Heiligengeschichten vorgelesen, deshalb sagt er:

      „Marie, du hast dir sicher diese Geschichten am besten von deinen Geschwistern gemerkt.“

      Marie lächelt. Sie blickt ihre Mama an. Ihr Lächeln erstarrt. Seit sie bei den Bröggers ist, hat sie ihre Mutter nie mehr so genau betrachtet. Sie sieht, dass diese stark an Gewicht verloren hat.

      „Mama, geht es dir nicht gut?“

      Amalia versucht zu lächeln, doch es gelingt ihr nicht so recht.

      „Marie, ich glaube, dass mir etwas am Herzen fehlt. Ich fühle mich sehr erschöpft.“

      „Mama, vielleicht kommt die Müdigkeit auch vom Rheuma? Und wir sind sieben Kinder, du sorgst so gut für uns! Meine Chefin bekommt erst das vierte Kind. Sie ist auch oft müde, obwohl sie eine Putzfrau und mich für die Kinder hat.“

      Der Mama rinnen die Tränen über ihre Wangen, sie schluchzt und sagt:

      „Aber Marie, ich bin noch nicht einmal 50 Jahre alt und fühle mich schon so verbraucht.“

      „Amalia, du hast so viel geleistet und machst immer noch viel. Ich werde mit Gertrude reden, damit sie noch ein bis zwei Jahre daheim bleibt, um dir zu helfen“, meint August. Dankbar sieht Amalia ihren Mann an.

      Auch Marie versucht, ihre Mutter zu trösten: „Ich werde am Abend auch wieder pünktlicher heimkommen. Heute hat mich Herr Brögger gefragt, ob ich, wenn mit dem Baby alles gut geht, bei ihm im Geschäft eine Lehre als Verkäuferin anfange. Sie nehmen dann ein anderes Kindermädchen.“

      Die Eltern freuen sich darüber und die Mama sagt:

      „Marie, du bist begabt und liebenswert. Einen Lehrberuf zu erlernen ist für ein Mädchen schon etwas Besonderes. Doch nun sagen wir Gott danke für alles und gehen schlafen.“

      Am 15. April 1915 beginnt Marie ihre Lehre. Vorher muss sie Theresia versprechen, dass sie in der Mittagszeit immer in die Wohnung kommt. Frau Brögger drückt ihr auch noch schnell das Baby in den Arm und sagt:

      „Ja, Marie, du isst bei uns zu Mittag, die Kinder mögen dich so gerne und das Baby soll dich ja auch kennenlernen.“

      Marie bedankt sich, läuft die Treppe hinunter und betritt zum ersten Mal die Firma Bischoff/Brögger.

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      Ich sitze am Schreibtisch

      draußen fällt Schnee

      mein Blick fällt

      auf das Bild

      von Schwester Angela

      auf meinem Schreibtisch –

      ich stelle mir vor

      wie sie zum ersten Mal

      die vielen Kleider

      im Geschäft sah –

      ein junges Mädchen

      aus einfachem Haus

      mit viel Liebe

      für die Menschen

      in ihrem Innersten

      eine tiefe Sehnsucht

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      Herr Brögger stellt Marie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor und sagt:

      „Das Fräulein Marie fängt heute bei uns die Verkäuferinnenlehre an. Ich bitte Sie, ihr wohlwollend zur Seite zu stehen und ihr alle notwendigen Dinge zu erklären. Sie war ein halbes Jahr zur vollsten Zufriedenheit unser Kindermädchen. Also, viel Glück bei uns, Marie!“

      Die Mitarbeitenden reichen Marie die Hand. Mit ihrem warmen Lächeln findet sie sofort Zutrauen. Eine langjährige Mitarbeiterin führt sie durch das Geschäft und die Lagerräume. Marie ist überrascht von der Größe des Betriebes. Noch nie hat sie so viele Kleider und Anzüge gesehen.

      Eine spannende Zeit beginnt. Durch ihr liebenswertes, fröhliches Wesen ist sie sowohl bei Kolleginnen und Kollegen als auch bei der Kundschaft beliebt.

      Marie freut sich jeden Tag auf die Mittagszeit. Theresia empfängt sie bereits an der Wohnungstüre und erzählt Marie ihre Fortschritte, aber auch ihre kleineren und größeren Probleme mit ihren Freundinnen. Auch Theresias kleinere Geschwister machen ihre Späße mit Marie. Bald streckt ihr auch das Baby seine Ärmchen entgegen.

      Gegen Ende ihrer Lehrzeit erfüllt sich Marie ihren lang gehegten Wunsch und kauft sich ein Fahrrad. Laut singend fährt sie am Abend von Finnentrop nach Bamenohl. Ihre zwei jüngeren Brüder, die inzwischen 17 und 13 Jahre alt sind, sehen Marie schon von weitem und laufen ihr entgegen. Das ist ein Hallo! Gleich wollen sie das Radfahren ausprobieren. Doch Wilhelm stürzt mit dem Fahrrad und schürft sich die Hände auf. Auch bei Franz gelingt das Fahren nicht sofort. Lachend kommen alle drei zum Haus. Inzwischen ist Amalia ebenfalls im Dienst. Nur Gertrud ist daheim geblieben, da sich Mamas Gesundheitszustand immer mehr verschlechtert hat.

      Beide kommen vors Haus und bewundern das Fahrrad von Marie.

      „Stellt euch vor, Herr Brögger hat mir die Hälfte bezahlt, weil ich trotz meines Berufes immer bei seinen Kindern aushelfe und ihnen, bevor ich heimfahre, Geschichten erzähle“, sprudelt es aus Marie heraus.

      Inzwischen ist Frau Brögger mit dem fünften Kind schwanger. Auch wenn es am Abend bei der Familie noch viel zu tun gäbe, nimmt sich Marie vor, jetzt mit dem Rad früher nach Hause zu kommen,