Arik Brauer

Das Alte Testament


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Taube mit einem Ölzweig im Schnabel zurück.

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       Noah mit seiner Arche

      Es waren 190 schreckliche Tage für alle Beteiligten. Man ist heilfroh, als die Kiste endlich auf dem Berg Ararat an Land geht. Warum gerade Ararat? Warum nicht? All die Kurden, Armenier und Türken sind ja ertrunken, und vom Gipfel des Berges kann man das brandneue Schwarze Meer gut sehen, unter dem jetzt die ganze Schande begraben liegt.

      Schulpflichtige Kinder und auch die Analphabeten der späteren Bronzezeit wissen, dass man in einer Kiste nicht alle Tiere paarweise unterbringen kann. Wenn das also nur eine symbolhafte erfundene Erzählung ist, wie soll ein wohlmeinender Religionsschüler die Heilige Schrift verstehen? Wo ist die verpflichtende historische Wahrheit, wo Erfindung? Und wer entscheidet, welcher Text wie zu verstehen ist?

      Die berechtigte menschliche Angst vor der Gewalt des Wassers findet in vielen Religionen in Form von Erzählungen Ausdruck. Wollen wir doch einfach frech behaupten, unsere Erzählung ist die beste. Missetat – Strafe – die Substanz in einer Kiste bewahrt – das Leben geht weiter. Diese unsere Version in ihrer lapidaren Einfachheit ist von grandioser Poesie und Expression.

      Die Welt ist wieder trocken und die Menschheit baut, um sich einen Namen zu machen, einen Turm. Einen Turm bis in den Himmel, versteht sich. Obwohl jedermann weiß, dass schon der Schöpfel im Wienerwald höher ist als alle Türme der Welt, wird immer wieder versucht, sich mit einem Bauwerk dem Himmel zu nähern.

      Das Wunderbare an der biblischen Erzählung ist aber, dass der Bau durch die Verwirrung der Sprache beendet werden musste. Verwirrung, kein Erdbeben, kein Feuer, kein Krieg. Ohne gemeinsame Sprache keine Kooperation, kein Turmbau zu Babel. Sollte eigentlich Pflichtlektüre für alle Politiker und für manchen Architekten sein.

      In der Schrift ist überhaupt nicht erwähnt, wie dieser Turm ausgesehen hat. Es ging ausschließlich um seine Höhe. In der Kunst im Allgemeinen und in der zeitgenössischen Kunst im Besonderen wird oft Gewicht und Dimension eines Werkes mit seiner künstlerischen Größe verwechselt. Es musste Brueghel der Ältere kommen und mit einem Gemälde mittlerer Größe diesem Turm eine Form geben und ihn zu einem grandiosen Kunstwerk machen.

      ABRAM

      »Es kommt eine Teuerung ins Land Kanaan.«

      Abram, der Sohn Tharahs, zieht mit seiner Gattin Sarai und seinem Neffen Lot nach Kanaan. Gott verspricht Abram, ihn in diesem Land zu einem großen Volk zu machen: »(…) in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden« (1. Mose 12,3).

      »Es kam aber eine Teuerung in das Land« (1. Mose 12,10). Teuerung, da denkt man an steigende Preise in den Restaurants, den Skiliften und man erwägt, noch ein zweites Jahr mit dem alten Auto zu fahren. Im Original heißt es aber ra’av baaretz – Hunger im Land. Da muss man sich vorstellen, dass der Jordan und der Hatzbani ausgetrocknet sind, weil es seit Jahren nicht geregnet hat. Die Hügel sind braun, die letzten ausgedorrten Pflanzen von den Tieren gefressen. Die Ziegen und Kühe haben keine Milch, die Frauen und Mütter haben keine Milch. Tiere sterben, Kinder sterben. Nun beginnt man Esel, Kamele und Pferde, die Grundlage der Hirtenexistenz, aufzuessen.

      Abram, der als Ausländer eine Zeit lang in Kanaan gelebt hat, packt seine letzte Habe zusammen und wandert nach Ägypten. In Ägypten gibt es den Nil, dort gibt es Wasser, dort gibt es Brot. Abrams Frau ist eine Schönheit, und wenn man mit einer Schönheit verheiratet ist, muss man damit rechnen, dass andere, größere, stärkere Männer auch eine Schwäche für Schönheiten haben, und man bekommt unter Umständen große Probleme.

      Sie wandern durch die Wüste Sinai, wo die Hitze unerträglich ist, besonders wenn man seit Tagen zu wenig Wasser getrunken hat. Abram treibt sein Kamel neben den Esel, auf dem Sarai reitet, und beginnt freundlich, aber von oben herab ein Gespräch. »Sarai, in Ägypten musst du dich als meine Schwester ausgeben, und mit den wichtigen Männern in Ägypten musst du sehr freundlich sein. Du wirst sehen, man wird dich mit Geschenken überhäufen, die wir in unserer Situation sehr wohl gebrauchen können.« Sarai fährt auf: »Willst du mich vermieten wie eine Hure, nur damit deine blöden Viecher Futter bekommen!« Abram tut so, als würde er nachdenken, und packt dann mit seiner gut vorbereiteten Argumentation aus: »Also es gibt drei Möglichkeiten. Erstens, wir verzichten auf Ägypten und sterben unter Qualen, aber in Ehren hier in diesem Backofen. Zweitens, wir gehen als Ehepaar nach Ägypten. Die wichtigen Männer sehen dich und tun das, was sie am besten können. Sie schneiden mir den Kopf ab, vergewaltigen dich und verkaufen dich auf dem nächsten Markt an ein Bordell. Drittens, wir behaupten, du bist meine Schwester, und da du ja die schönste Frau der Welt bist, wirst du die Geliebte des mächtigsten Mannes der Welt, und das ist der Pharao. Wir leben, und unser Stamm, mit dem der Schöpfer der Welt noch so manches vorhat, bleibt bestehen.«

      Sarai tut auch so, als würde sie nachdenken, und entscheidet sich natürlich für Version drei, mit der berechtigten Hoffnung, dass es sich bei den erwähnten Geschenken nicht nur um Wasser und Ziegenfutter handeln würde, sondern auch um etliche gold glitzernde Accessoires, was auch geschieht.

      Tatsächlich war Sarai Abrams Halbschwester und die gleiche Geschichte spielt sich später noch einmal ab, mit König Abimelech von Gerar. Diesmal gibt es für die Mutter des auserwählten Volkes 1000 Silberlinge, obwohl es gar nicht »dazu kommt«, weil Gott die Sache unterbricht, als es interessant zu werden verspricht.

      Sarai wird von ihrem Mann nicht schwanger. Was tut man in der späten Bronzezeit in so einem Fall? Man hat eine fesche ägyptische Bedienerin namens Hagar. Diese schickt man zum Gatten mit dem klaren Auftrag: »Geh, lass dich von ihm bumsen und bring für mich einen Sohn zur Welt.« Gesagt, getan, aber kaum ist das Fräulein Hagar schwanger, wird sie natürlich frech. Sarai beschwert sich bei ihrem Mann und dieser Macho sagt einfach: »Mach mit ihr, was du willst.« Die liebe Sarai schickt die Hochschwangere in die Wüste. Ein Engel muss aktiv werden, um sie wieder zurückzubringen. Er verkündet ihr: »Dein Sohn soll Ismael (Gott erhört) heißen.« Er wird ein hervorragender Scharfschütze sein, seine Hand gegen jedermann erheben und im Dauerstreit mit seinem Bruder sein. Aber damit ist die Angelegenheit noch lange nicht zu Ende.

      Sarai ist 90 Jahre alt, als sie schließlich doch schwanger wird, zum Gelächter aller Anwesenden. Inzwischen ist ihr Name Sara. Sie gebärt einen Sohn und nennt ihn Isaak, hebräisch Jizchak, er wird lachen. Wer wird lachen? Abram wird lachen. Als Gott ihm verkündet, dass seine »Alte« noch gebären wird, wirft er sich zu Boden und kugelt sich vor Lachen. Jetzt natürlich heißt es für Hagar, die inzwischen einen 13-jährigen Sohn hat, endgültig auf in die Wüste. Diesmal aber hat Abram ein Problem. Es handelt sich bei dem Buben, der übrigens ein widerspenstiger Fratz ist, immerhin um seinen Sohn. Er gibt Hagar einen kleinen Reiseproviant mit auf den Weg. Als dieser aufgebraucht ist, legt Hagar ihr Kind unter einen Strauch und entfernt sich, um nicht sein Weinen zu hören und sein Sterben zu sehen.

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       Sarai, die Schöne

      Gott aber hört das Weinen des Kindes. Dieser Ismael wird der Stammvater eines 250 Millionen Seelen zählenden Volkes. Rate von welchem. Des Volkes der Araber, die sich bis heute als exzellente Scharfschützen beweisen. Ismael ist der Halbbruder Isaaks, der Onkel von dessen Sohn Jakob, der Stammvater der Juden ist. Araber und Juden sind daher nolens volens Cousins. (Seine Verwandtschaft kann man sich bekanntlich nicht aussuchen, ist wohl die Meinung aller Beteiligten.)

      Gott bietet Abrams Stamm einen Bund an: »Eure Aufgabe ist folgende: Liebet eure Nächsten wie euch selbst. Wenn ihr das schafft, bekommt ihr von mir Begabungen und Verstand. Wenn ihr euch aber an diesem Gebot mit von euch erfundenen komplizierten und lächerlichen Regeln vorbeischwindeln wollt, gebe ich euch Saures, dass die Fetzen fliegen.« Abram ist begeistert von diesem Vorschlag und bietet als zusätzliche Zier zur Nächstenliebe gleich seine Vorhaut an. Er hätte auch das Ohrläppchen opfern können, aber dann könnten auch die Frauen mit von der Partie sein und das wollte er trotz Nächstenliebe denn doch vermeiden. Die