LISBETH BISCHOFF
ICH HABE
MICH GETRAUT.
TRAU DICH
AUCH!
Mit 24 Abbildungen
AMALTHEA
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© 2015 by Amalthea Signum Verlag, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Elisabeth Pirker, OFFBEAT
Umschlagfotos: © ORF/Thomas Ramstorfer (vorne); © ORF/Hans Leitner (hinten links); Privatarchiv der Autorin (hinten rechts).
Herstellung und Satz: Gabi Adébisi-Schuster
Gesetzt aus der Clara Serif 9,9/14,4pt
Printed in the EU
ISBN 978-3-85002-906-3
eISBN 978-3-902998-67-5
ZU DIESEM BUCH
»Niemand weiß, was er kann, bevor er es versucht.«1
Dieses Buch ist
kein Selbsthilfebuch,
kein Ratgeber,
kein Allheilmittel und schon gar
keine schmerzfreie Wunderkur.
Dieses Buch ist
eine Anleitung zum Mutigsein,
eine Inspirationsquelle,
eine Aufforderung, aber vor allem
eine Munition für ein neues Selbstwertgefühl.
Ich liebe Geschichten, Geschichten, die das Leben schreibt, die mitten aus dem Leben gegriffen sind und für uns richtungsweisend sein können. Eine lehrhafte Erzählung, die eine allgemeine sittliche Wahrheit oder Erkenntnis durch einen Vergleich erhält. Wie die Parabel. Das Wort kommt aus dem Griechischen und heißt so viel wie Gleichnis, Vergleich.
Eine meiner Lieblingserzählungen stammt aus Ghana, und zwar von dem Lehrer und Missionar James Aggrey (1875–1927). Die Hauptfigur dieser Geschichte ist ein Adler und sie beginnt wie alle Märchen mit …
Es war einmal …
… ein Mann, der aufbrach, um einen Vogel zu fangen. Im Wald wurde er fündig und kam mit einem jungen Adler nach Hause. Er sperrte ihn in den Hühnerstall zu seinen Hennen und fütterte den Adler, den König der Lüfte, wie ein Huhn.
Nach geraumer Zeit kam ein Naturforscher zu Besuch, sah den Adler und rief empört: »Das ist doch kein Huhn, das ist ein Adler!« Der Mann gab ihm recht und erwiderte: »Ja, es ist ein Adler, aber ich habe ihn wie ein Huhn gehalten und daher ist er jetzt ein Huhn. Da nützt ihm auch seine Flügelspanne von drei Metern nichts mehr.«
Doch der Forscher beharrte darauf, dass der Adler ein Adler bleibe, denn immerhin habe er das Herz eines Adlers. Und das lasse ihn hoch in die Lüfte fliegen. »Nein, nein und nochmals nein«, winkte der Mann kopfschüttelnd ab. »Er wird nie wieder fliegen, denn er ist jetzt ein Huhn.«
Die beiden Männer verwickelten sich in einen Streit und beschlossen, den Vogel fliegen zu lassen. Der Forscher trug den Adler auf seinem Unterarm und forderte ihn auf: »Adler, du bist ein Adler, du gehörst in die Lüfte und nicht auf die Erde. Breite deine Flügel aus und schwing dich in die Höhe – fliege!« Doch der Adler saß auf dem gestreckten Arm, machte keine Anstalten abzuheben, sondern sah nur um sich. Als er die Hühner erblickte, die auf dem Boden nach den Futterkörnern pickten, sprang er zu ihnen hinunter.
Der Mann gab sich siegessicher: »Ich habe es ja gesagt. Der Adler ist jetzt ein Huhn.« – »Ich versuche es morgen noch einmal«, erwiderte der Forscher, »denn ich bin ganz sicher, er ist ein Adler.« Gesagt, getan. Am nächsten Tag kletterte er mit dem Adler auf ein Hausdach und beschwor ihn: »Adler, du bist ein Adler, du gehörst in die Lüfte und nicht auf die Erde. Breite deine Flügel aus und schwing dich in die Höhe – fliege!« Doch als der Adler wieder seine Stallgenossen, die Hühner, erblickte, sprang er erneut zu ihnen und scharrte gemeinsam mit ihnen in der Erde.
Wiederum lachte ihn der Mann aus und blieb bei seiner Meinung, dass der Adler durch seine Haltung zum Huhn geworden sei. Doch der Forscher beharrte auf seinem Standpunkt, dass der Adler ein Adler bleibe, denn immerhin habe er auch das Herz eines Adlers. Und das lasse ihn hoch in die Lüfte fliegen. »Noch einmal, ein einziges Mal, werde ich versuchen, den Adler fliegen zu lassen.«
Von der Neugierde getrieben, stand der Forscher am nächsten Morgen sehr früh auf, nahm den Adler, verließ mit ihm die Stadt, entfernte sich immer mehr von den Häusern, bis er an den Fuß eines hohen Berges gelangte. Er kam rechtzeitig zum Sonnenaufgang. Ein herrlicher Morgen, der Berggipfel glänzte golden. Der Adler thronte wiederum auf seinem Arm, als er zu ihm sprach: »Adler, du bist ein Adler, du gehörst in die Lüfte und nicht auf die Erde. Breite deine Flügel aus und schwing dich in die Höhe – fliege!«
Der Blick des Adlers schweifte umher. Er zitterte, als ob er wieder zu leben beginnen würde – aber er blieb auf dem Arm sitzen. Da hatte der Naturkundeforscher eine Idee: Er ließ den Adler direkt in die Sonne schauen. Und plötzlich breitete dieser seine gewaltigen Flügel aus, erhob sich in die Lüfte, immer höher und höher, und kehrte nie wieder zurück. Obwohl er wie ein Huhn gehalten worden war, war er ein Adler geblieben.2
Die Originalgeschichte endet mit einem Aufruf an die Völker Afrikas: Menschen haben uns gelehrt, wie Hühner zu denken, und noch denken wir, wir seien wirklich Hühner, obwohl wir Adler sind. Breitet eure Schwingen aus und fliegt! Seid niemals zufrieden mit den hingeworfenen Körnern.
Diese kluge und weise Geschichte möchte ich an den Anfang meines Buches stellen. Das Verhalten des Adlers hat mich bestärkt, mich aufzuschwingen, um einen neuen Weg zu gehen, um unbekanntes Terrain zu ergründen und mich auf vollkommen Unbekanntes einzulassen.
WER ICH BIN UND WIE ICH SEIN WERDE
Einen Seelen-Striptease vor einem Millionenpublikum soll ich machen? Soll ich oder soll ich nicht?
Am 6. Juni 2011 erreicht mich eine Mail der Sendungsverantwortlichen von »Dancing Stars« mit der Frage: »Wie schaut das eigentlich mit dir aus … prinzipielles Interesse für 7. Staffel?« Meine Antwort fällt kurz und bündig aus: »Danke, dass du an mich wegen ›Dancing Stars‹ gedacht hast – ich tanze wirklich gerne … aber lieber im privaten Rahmen :-)«
Ja, prinzipiell tanze ich schon gerne – so für den Hausgebrauch. Ich habe mit 16 Jahren einen Tanzkurs besucht, die Grundschritte eingeübt, dann bin ich als Teenager durch die Disco-Zeit gerockt, als Twen bereits bin ich es ruhiger angegangen und habe meine tänzerischen Bewegungsaktivitäten nur noch auf Faschingsbällen ausgelebt – bis ich dann aus beruflichen Gründen vom Tanzparkett aufs Society-Parkett gewechselt bin.
Tanzen kann ich also nicht und daher beantworte ich die Mailanfrage mit Nein. Auch ein Jahr später bleibe ich dabei und »verweigere« meine Zusage zur öffentlichen Zurschaustellung meines Nichtkönnens auf dem Tanzparkett.
Ausreden hatte ich ja genug: Zuerst musste ich alle Thronfolgerinnen und Thronanwärter, Prinzessinnen und einen Fürsten verheiraten (Kronprinzessin Victoria von Schweden mit Daniel Westling, Prinz William mit Kate Middleton, Fürst Albert mit Charlene Wittstock, Prinzessin Madeleine von Schweden mit dem Finanzberater Christopher O’Neill, Erbherzog Guillaume von Luxemburg mit Gräfin Stéphanie de Lannoy, Prinz Felix von Luxemburg mit Claire Margareta Lademacher …). Dann zelebrierte Queen Elizabeth II. 2012 ihr diamantenes Thronjubiläum mit der wohl einzigartigen Bootsparade auf der Themse und schlussendlich berichtete ich 2013 anlässlich des Thronwechsels in den Niederlanden und in Belgien mehrere Stunden live.
Doch im September 2013 gibt es keine royale Entschuldigung mehr.
Ich weiß noch genau, wann und wo ich Ja gesagt habe. Es war Dienstag, der 25. September. Ich werkte gerade an Geschichten anlässlich der neuerlichen Hüftoperation des spanischen Königs Juan Carlos. Immer noch eine Nachwirkung