(sie hat bei den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking für Österreich die Bronzemedaille über 100 Meter Brust geholt), mit Nora Baumbergerová, besser bekannt als Dolly Buster, und mit der Schauspielerin Doris Schretzmayer.
Als bekannt wird, wer mein »Schrittmacher« ist, konzentriert sich das Interesse auf das »Mannsbild« Gerhard. Die Damenwelt beneidet mich jetzt noch mehr, dass ich mit diesem Mann zusammen sein darf. Auch wenn er mir nur die Tanzschritte beibringen muss, soll, kann.
Ich muss zugeben, dass ich die Vorzüge dieser Verbindung nicht sogleich erkannt habe. Mehr beschäftigt mich der Gedanke, wie ich das tägliche Trainingspensum und diese enge Zusammenarbeit mit einem »fremden« Mann meistern soll. Gerhard als Tanzlehrer und ich als Tanzschülerin – dazwischen liegen 22 Jahre Altersunterschied, 22 Jahre an Lebenserfahrung, 22 Jahre an Tiefschlägen, 22 Jahre an »Hoch«zeiten, 22 Jahre – eine ganze Generation. Eine Generation, die anders denkt, anders aufwächst, andere Lebensmodelle ausprobiert (Fernbeziehungen, Nahbeziehungen, manche wohnen gemeinsam, manche leben getrennt, am selben Ort, in einer anderen Stadt; Kinder werden selbst geboren oder von anderen ausgetragen und zur Welt gebracht, Kinder werden adoptiert etc.).
Ihr gegenüber steht die Generation der »Uhus« (die Unterhundertjährigen), denen ich mich zugehörig fühle. Die meisten von uns sind allerdings auch ganz schön fidel. Wir sitzen nicht mehr still und brav auf der Ofenbank. Vorbei sind für uns die Zeiten, wo man spätestens ab fünfzig dazu verurteilt war, im grauschwarzen Trauerlook den Lebensabend abzuwarten. Die Uhus sind wenig geneigt, ihre Tage in der guten Stube zu fristen, bis Kinder oder Enkel sich erbarmen, sie aus der Isolation zu reißen und zum Nachmittagskaffee abzuholen. Wir flotten Alten sind gesellig und kontaktfreudig. Wir betreiben Sport, gehen wandern oder auch tanzen. Keineswegs haben die Jungen den Zeitgeist für sich gepachtet. Auch wir wissen genau, wo’s langgeht. Auch Sparen und Darben für die Erben ist nicht länger angesagt. Ade »Jeunesse dorée«! Die Gründe für den Wandel im Leben der Oldies sind vielfältig. Sie verfügen schon rein physisch über bessere Voraussetzungen als ihre Elterngeneration. Sie sind durch die wesentlich fortgeschrittene medizinische Versorgung gesünder als je zuvor. Viele wollen nach dem Abschied vom Berufsleben nicht Trübsal blasen, sondern mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse eingehen. Es ist die Zeit der Reife(n).
Wir flotten Alten sind gesellig und kontaktfreudig.
Ein neuer Reifeprozess steht mir bevor. Das ist mir völlig bewusst, als ich das erste Mal den Trainingsraum betrete und vor Gerhard stehe. Wie soll ich Ihnen dieses Gefühl beschreiben, wenn man am Start einer neuen Erfahrung steht?
Früher wäre ich auf die Zustimmung und Fixierung meines Gegenübers, in diesem Fall Tanzpartner Gerhard, ausgerichtet gewesen. Hätte ihm bereitwillig schon zu Beginn der Beziehung ein weitgehendes Bestimmungsrecht über mein Verhalten eingeräumt. Und ich hätte mich zumindest vordergründig den Bedingungen meines Partners angepasst. Doch heute, nach vielen Gesprächen und Diskussionen über das menschliche Verhalten und der Lektüre diverser Bücher, die mehr oder weniger gute Ratschläge zwischen den Zeilen offenbart haben, bin ich vollkommen frei von Angst, ich könnte durch mein Nichtkönnen in Ungnade fallen. Denn ich funktioniere nicht mehr. Ich spüre und lebe. Und das ganz bewusst.
Mir fällt das Interview mit der ehemaligen sowjetischen Kosmonautin Walentina Tereschkowa ein, der ersten Frau im Weltall (und bis zum Raumflug von Swetlana Sawizkaja im Jahre 1982 auch die einzige), das ich am 15. Oktober 1993 (also vor 21 Jahren) anlässlich der Astronautentagung in Krems geführt habe. Es war an einem herrlichen Sonnentag mitten im Herbst auf einem Schiff, mit dem wir die Donau entlangschipperten. Ich erinnere mich noch genau an mein Gespräch mit dieser eindrucksvollen Persönlichkeit.
Als 26-Jährige startete Walentina am 16. Juni 1963 an Bord von »Wostok 6« als zehnter Mensch überhaupt in den Weltraum. Der zwei Millionen Kilometer lange Trip dauerte drei Tage, genauer gesagt: zwei Tage, 22 Stunden, 50 Minuten, 49 Erdumkreisungen und 47 Sonnenaufgänge.
Als man sie mit Küssen an der Startrampe des Kosmodrom in Baikonur verabschiedete, rief sie: »Hey, Himmel, nimm deinen Hut ab, ich bin auf dem Weg!« Ihr Puls lag während des Starts bei 140.
Meinen Puls vor dem ersten Tanztraining habe ich nicht gemessen – Ruhepuls war es mit Sicherheit keiner. Mit Ruhepuls ist die Zahl der Herzschläge pro Minute in Ruhe, also im Liegen oder Sitzen, ohne körperliche Belastung, gemeint, und davon war ich wirklich weit entfernt.
Es ist ein Wechselbad der Gefühle: Auf der einen Seite spüre ich eine ungeheure Vorfreude auf das Kommende, das Neuland, das ich betreten darf und kann. Auf der anderen Seite hatte ich Ausreden parat, warum ich diese Herausforderung im Ballroom nicht meistern werde können und somit das Versagen vorhersehbar sei:
Ich bin in meinem Trott und komme da nicht heraus.
Ich bin nicht talentiert genug.
Ich habe nicht genug Zeit, um die Tänze zu erlernen.
Ich bin zu alt.
Ich bin nicht fit genug.
Ich werde ausgelacht.
Ich kann nicht …
Ich kann nicht …
Ich kann nicht …
»Hey, Himmel, nimm deinen Hut ab,
ich bin auf dem Weg!«
Wie heißt es in dem Bestseller Alles ist erreichbar von Raymund Hull: »Um ein neues Haus auf dem Grundstück zu bauen, auf dem ein altes steht, muss man zuerst das alte abreißen. Sie müssen das mit Ihrem Geist ebenso machen, wenn Sie das Gebilde der Armut durch ein Gebilde des Wohlstandes ersetzen wollen.
Dazu müssen Sie zunächst alle Ausreden für Ihre Armut abschütteln. Eine Ausrede für Armut, die im Geist verankert ist und öfters laut gesagt wird, wird zum zwingenden Grund für Armut, eine Kette, die Sie arm macht.«7
Wir sind arm, aber reich an Ausreden.
Das lässt sich auf jeden Bereich umlegen, natürlich auch aufs Nicht-Tanzen-Können und aufs Tanzen-Können. Und da liegt auch die Gefahr: Je mehr Ausreden ich finde, desto überzeugter werde ich, dass das betreffende Ziel, das ich habe, außerhalb meiner Reichweite liegt.
Viele berühmte Menschen wären nie erfolgreich geworden, hätten sie sich nichts zugetraut und nicht getraut:
Da das Auto zufällig von einem Mann erfunden wurde, blieb die Frau auf dem Pannenstreifen zurück. Doch dann setzte die erste Pionierin der Automobilgeschichte zum Überholen an. Berta Benz bewies durch ihre erste Fernfahrt in einem Automobil die Eignung des neuen Motorwagens, den ihr Mann erfunden hatte. Den pferdelosen Wagen wollte niemand kaufen, deshalb startete sie 1888 zur ersten Überlandfahrt der Automobilgeschichte, und zwar heimlich. Die Hutnadel und auch das Strumpfband der 39-Jährigen kamen zum Einsatz, um so manche Tücke der Technik zu bekämpfen. Diese Fahrt war der Auftakt zum Erfolg des Motorwagens.
Viele berühmte Menschen wären nie erfolgreich geworden, hätten sie sich nichts zugetraut und nicht getraut.
Der 55-jährige Thomas Quasthoff ist contergan-geschädigt. Er kam zwergwüchsig und mit verkrüppelten Armen und Beinen auf die Welt. Heute ist er 134 Zentimeter klein und hat in der Musikwelt Großes erreicht. Als Baritonsänger feierte er an den renommiertesten Opernhäusern der Welt wie der Carnegie Hall, der Wiener Staatsoper oder der Mailänder Scala Erfolge, bis er 2012 seine beispiellose Karriere beendete.
»Es lohnt sich nicht, den kranken Beinen nachzutrauern, wenn dabei das ganze Leben davonläuft«, sagte Margarete Steiff, die Gründerin des berühmten Stofftierunternehmens Steiff. Sie erkrankte als Kind an Kinderlähmung und war ihr ganzes Leben lang auf den Rollstuhl angewiesen. Auch ihre rechte Hand konnte sie nicht benutzen. Über ihr Schicksal klagte sie nie, Selbstmitleid war ihr fremd. Margarete Steiff packte die Chance, die ihr das Leben bot, und lebte ein erfülltes und erfolgreiches Leben auch als Unternehmerin.
Dergin Tokmak erkrankte als Kind an Kinderlähmung. Das hat ihn jedoch nicht daran gehindert, unter dem Künstlernamen Stix Karriere als Tänzer und Akrobat zu machen. Der deutsche Ausnahmekünstler bewegt sich auf Krücken so schnell und wendig, dass er von 2004 bis 2011 in der Rolle des »hinkenden