Nichtkönnen konfrontiert. Es gibt kein Entrinnen, ich habe einen Vertrag unterschrieben und jetzt heißt es zu meiner Entscheidung stehen: Ich bin die Lernende, ich bin die Tanzschülerin.
Trotz allem versuche ich Haltung zu bewahren. »Arme hoch«, »Kopf gerade«, »Schultern nach unten«, was weiß ich … Eine majestätische Haltung ist gefragt. Eine Queen will Gerhard aus mir machen. Denn so wie die Queen geht, erregt sie allein Aufmerksamkeit durch ihre Haltung und ihren Schritt. Ich soll Haltung bewahren, dabei aber nicht steif sein. Ich soll das Wechselspiel zwischen Spannung und Entspannung vertiefen. Soll locker sein, aber mich nicht fallen lassen. Zudem ist nicht nur Anmut und Eleganz gefragt, sondern auch die Seele soll dabei sein. Ich spüre bereits, dass meine Seele nach außen drängt, aber auf Knopfdruck geht das dann doch nicht. Also, Seele, zeige dich!
Meine Begeisterung, meine Neugier, absolutes Neuland betreten zu können, hilft mir dabei. Auch nach unzähligem Scheitern probiere ich immer und immer wieder. Ich möchte es können, ich möchte es lernen. Doch wie geht lernen??
Ich möchte es können, ich möchte es lernen.
Doch wie geht lernen??
WIE GEHT LERNEN?
Die mir bekannte Methode funktioniert bei meinen stundenlangen Livesendungen über die Royals dieser Welt. Ich recherchiere den jeweiligen Themenkreis, mache mir Aufzeichnungen in einem Notizbuch und weiß dann ganz genau, welches Thema auf welcher Seite steht. Dank meinem guten visuellen Gedächtnis kann ich die Informationen speichern.
Zudem unterstreiche ich die wichtigsten Teile des Textes, markiere Unerlässliches mit verschiedenen Farben. Das genügt, um mich an jede Einzelheit zu erinnern. Vor der Sendung lese ich den ganzen Text einmal komplett durch und schreibe die Kernaussagen handschriftlich in meinen eigenen Worten auf, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass ich sie auf diese Weise noch besser im Kopf behalten kann.
Nicht mehr aus dem Kopf bekomme ich das Erlernte, wenn ich es kurz vor dem Einschlafen nochmals Revue passieren lasse.
Einen Stapel Karteikarten bearbeite ich noch zusätzlich – für mich ist das eine besonders effiziente Lernmethode. Ich merke mir dadurch Fakten wie Verwandtschaftsverhältnisse, Daten wie Hochzeitstage, Zahlen wie die Höhe der Apanagen besonders gut. Auf jedes Kärtchen (verschiedene Farben sind auch hier sehr hilfreich) kommt ein Stichwort zu einem bestimmten Thema und schon schaffe ich es mit geringem Zeitaufwand, mir das neue Unbekannte einzuprägen.
Ganz erfreut bin ich über Interviewanfragen kurz vor einer Sendung. Jedes Interview ist für mich eine Art Test, und der ist eine hervorragende Lernmethode, um meinen Wissensstand zu überprüfen. Anhand meiner Antworten auf die Fragen kann ich herausfinden, wo ich schon sattelfest bin und wo ich in puncto Wissen noch Nachholbedarf habe. Manchmal gibt mir die Interviewerin oder der Interviewer durch die Fragestellung einen Hinweis, welches wichtige Detail ich übersehen oder gar nicht beachtet habe.
Auch die Fans der Royals helfen mir mit einer ganz bekannten Lernmethode, dem Brainstorming. Sie sammeln Ideen zu einem bestimmten Thema und lassen sie mir mittels Mail oder Brief zukommen. So werden andere Ideen und Perspektiven eingebracht, wir können gemeinsam spezifische Fragen erörtern und dadurch verstehe ich die Materie besser.
Bei der Vorbereitung zum Thronwechsel in Spanien am 19. Juni 2014 hat mir ein »Gelehrter« eine Abhandlung über die Beziehungen zwischen dem spanischen Königshaus und Österreich geschickt. Ein anderer Kenner der royalen Szene hat mir den im Detail ausgearbeiteten Stammbaum des neuen Königs Felipe VI. zukommen lassen.
Eselsbrücken liebe ich, denn dank ihnen habe ich einen sofortigen Lernerfolg. Dabei bringe ich entweder das Neue mit etwas Altem in Verbindung oder ich setze auf das bekannte Konzept, das Neue in einen Reim einzubinden. Ein klassisches Beispiel gefällig? »Wer nämlich mit ›h‹ schreibt, ist dämlich.«
Aber wie setze ich das jetzt beim Tanzen um, bei einer Materie, die mir nicht vertraut ist? Ich habe alle mir bekannten und praktizierten Lernmethoden angewendet, habe sogar Zeichnungen erstellt, an welcher Stelle des Ballsaales ich welchen Tanzschritt machen soll. Obwohl ich kein Zeichengenie bin, ist nicht das Zeichnen das Problem, sondern ich weiß die Schritte nicht mehr, geschweige denn, in welcher Anordnung sie aufeinander folgen sollen. Offenbar überträgt sich meine Orientierungslosigkeit im Trainingssaal auf das weiße Blatt des Notizbuches. Es ist zum Weinen. Ich drucke mir den Songtext aus, versuche mir den Schritt zum jeweiligen Wort zu merken – keine Chance.
Am nächsten Tag gehe ich zum Training und weiß genauso viel wie am Vortag – nämlich nichts.
Alle Ratschläge habe ich beherzigt:
Ich habe mich zum Lernen aufgerafft, mich in Klausur begeben, um konzentriert zu lernen. Es ist nie notwendig, den inneren Schweinehund zu besiegen, denn ich habe ein Ziel vor Augen. Es gibt kein Aufschieben. Auch wenn das Ziel noch weit weg, fast unerreichbar zu sein scheint. Ich versuche mich selbst zu überlisten und verspreche mir Belohnungen, wenn ich ein bestimmtes Etappenziel erreichen werde, ein gutes Essen zum Beispiel.
Die Methode ist bekannt unter »Zuckerbrot und Peitsche«. Anhänger der sogenannten »operanten Konditionierung« gehen davon aus, dass Menschen ihr Verhalten ändern, je nachdem, ob sie belohnt oder bestraft werden.
Es gibt einen genauen Zeitplan, ein Trainingsziel, damit nicht am Ende des Monats für die vielen zu erlernenden Tanzschritte zu wenig Zeit bleibt. Dadurch will ich verhindern, dass mir die Zeit davonläuft, während ich mit dem Tanzstoff hinterherhechle. Das Zeitmanagement ist perfekt, um dem Druck, dem Stress, zu entgehen. Es gibt einen Wochenplan, einen Tagesplan, einen Stundenplan, Pausen etc.
Auch brauche ich keine guten Ratschläge, die da unter anderem heißen: Fange früh genug an zu trainieren. Klar weiß ich, dass es nichts nützt, drei Tage vor dem Liveauftritt den Schritt und die Choreographie zu lernen. Das ist zu knapp. Doch mehr Zeit haben wir nicht – die Hektik und die Panik verfolgen mich, ohne dass ich ihnen entkommen kann.
Die Trainingsumgebung ist angenehm ruhig und somit die beste Voraussetzung für meine Konzentration. Kein Chaos (auch nicht im Kopf) lenkt ab. Ich habe die Phasen des Lernens genauestens von meinem Privatleben getrennt – das ist ganz leicht, denn es gibt sowieso kein Privatleben mehr. Ich habe mich abgeschottet, habe alles aus meinem Leben geräumt, was nichts mit Tanzen zu tun hat – wie eine Art »Antivirusprogramm« (normalerweise hält man damit den Computer gesund), das mich vor »schädlichen« Einflüssen von außen schützen soll. Mein Leben ist wie leergeräumt, es ist Platz nur für ein Thema: das Tanzen, und das in rauen Mengen.
Nie trainiere ich mit vollem Bauch, ganz nach der Erfahrung »ein voller Bauch studiert nicht gern«. (Ganz im Gegenteil, ich hätte oft auf das Essen vergessen, wenn man mich nicht daran erinnert hätte.) Nach dem Essen ist der Körper mit der Verdauung beschäftigt und da kann er sich nicht voll der Gehirntätigkeit widmen. Traubenzucker habe ich zu mir genommen, um die verbrauchte Energie aufzufüllen. Also nach jeder Stunde wenig essen (Nüsse, Knäckebrot, Sushi) und genügend trinken (nicht missverstehen bitte, gemeint sind Wasser, Tee, auf gar keinen Fall Alkohol), damit der Kopf frei bleibt, die Konzentration und vor allem die Aufnahmefähigkeit gewahrt bleiben. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass man bereits nicht mehr richtig denken kann, wenn man zwei Prozent seines Körpergewichts an Flüssigkeit verliert.
Mittags esse ich meistens Sushi, eine eiweißhaltige Nahrung soll beim Munterbleiben helfen. Zu meiner Lieblingsspeise allerdings werden Nudeln – dabei habe ich nie in meinem Leben Nudeln gemocht. Und nun entwickle ich eine regelrechte Gier nach ihnen, fahre auch nach dem anstrengendsten Training in eine Osteria im zweiten Wiener Bezirk, um diese Teigwaren zu genießen. Nudeln in allen Variationen, mit
Knoblauch, Olivenöl und Peperoncino,
Tomaten und frischem Basilikum,
Fleischragout,
Pancettaspeck und Ei,
Tomaten und Peperoncino,
Kartoffeln und Fisolen,
Speck, Zwiebeln