junge Braut am längsten auf ihrem Weg in die neue Heimat begleiten durfte, in Spiegelschrift verfasste er Aufzeichnungen über die Reise bis an den Comer See.
Maximilian hatte wahrscheinlich noch nicht einmal das übliche Medaillon mit dem Konterfei seiner neuen Gemahlin zu Gesicht bekommen, da rollten schon 25.000 Dukaten in seine gähnend leeren Geldtruhen, denen nach zwei Monaten weitere 75.000 folgen sollten. Damit aber war nur eine Anzahlung geleistet, denn schon nach dem Jawort der Braut kassierte der abwesende Bräutigam nochmals 100.000 Goldstücke, die nächsten 100.000 aber sollten erst nach dem tatsächlichen Vollzug der Ehe folgen. Dass Ludovico nach seiner Belehnung zum Herzog von Mailand nochmals für diese Ehre 100.000 Dukaten flüssig machen würde, war für Maximilan beinahe eine Selbstverständlichkeit. Der König wäre praktisch mit einem Schlag ein reicher Mann gewesen, hätte er dieses Geld, das ihm wie ein Geschenk des Himmels hätte vorkommen müssen, besser angelegt. Aber Maximilian zerrann auch dieses Vermögen gleichsam in den Fingern, allein der Schuldenberg, den er abzutragen hatte, verschlang schon Unsummen.
Obwohl Maximilian wusste, dass der oberitalienische neue Oheim ein splendider Mann war, konnte er nicht ahnen, dass die Aussteuer, die Bianca Maria mit in die Ehe über die Alpen brachte, noch einmal einen Wert von 400.000 Gulden hatte. Allein die Edelsteine, die man der Braut zum Geschenk gemacht hatte, bedeckten einen ganzen Tisch. Zur Freude der Mailänder Bevölkerung stellte man den kostbaren Trusseau öffentlich aus, wobei die einfachen Leute über die riesigen Ballen Samt und Seide staunten, die die junge Frau mitnehmen sollte. Unterhemden und Nachthemden aus feinstem Linnen, eines reizvoller als das andere, wurden den Gästen gezeigt, 72 Paar seidene Schuhe, Bettwäsche, die genauso mit Edelsteinen besetzt war wie die Tischwäsche, die Dutzende Truhen füllte, Tausende Handtücher, schwere Gold- und Silbergeräte, dazu auch sehr intime Dinge wie drei Nachttöpfe aus massivem Silber. Für alle Eventualitäten in der Zukunft sollte gesorgt sein.
In Mailand hatte man an alles gedacht, nur nicht, dass der Bräutigam sehr viel Zeit verstreichen lassen würde, ehe er sich bequemte, seine junge Ehefrau nur zu begrüßen. Immer wieder wurden die Orte geändert, an denen das Beilager stattfinden sollte, schließlich – als es nicht mehr anders ging – zog Bianca Maria im Dezember 1493 in Innsbruck ein, wo sie allerdings auch vergebens nach dem Bräutigam Ausschau hielt. Erst Wochen später geruhte Maximilian, sich von seiner neuen Geliebten zu trennen und sich nach Hall zu begeben, wo er Bianca Maria nur kurz begrüßte, um sich eine halbe Nacht anschließend mit dem Bischof von Brixen und dem Mailänder Botschafter zu unterhalten. Plötzlich allerdings sprang er auf, so als würde er sich an etwas erinnern, verabschiedete sich kurz und verschwand in den Gemächern seiner jungen Frau, wo er sich eine Stunde aufhielt. So als wäre nichts gewesen, ging er am nächsten Morgen seinen Alltagsgeschäften nach, ohne sich weiter um seine Gemahlin zu kümmern.
Und so sollte es auch bleiben. So sehr sich Bianca Maria auch bemühte, die Liebe ihres Mannes zu gewinnen, so sehr zeigte es sich, dass dies ein hoffnungsloses Unterfangen war. Seine junge Frau war für Maximilian zu ungebildet, zu geschwätzig, zu naiv, zu schlampig, kurz, sie konnte ihm nicht das Geringste recht machen. Nicht einmal ein Kind konnte sie ihm schenken, obwohl sie etliche Fehlgeburten überstand. Anfangs war es nur große Traurigkeit, die die junge Frau über ihren stets abwesenden Gemahl empfand. Als sie aber Maximilians finanzielle Schwierigkeiten am eigenen Leib erfahren musste, indem man sie in einzelnen Städten als Pfand zurückbehielt, da überfielen sie schwere Depressionen. Sie begann sich zu vernachlässigen, in schäbigen Kleidern und halb verhungert fristete sie ihr Dasein, ohne Mann und Kind zog sie im Land umher und nirgendwo erkannte man in der heruntergekommenen Frau mit dem eisgrauen Haar die einstmals steinreiche Gemahlin des Kaisers.
Von Fieberattacken geschüttelt ging Bianca Maria unaufhaltsam dem Tod entgegen. Man benachrichtigte zwar den fernen Ehemann über den lebensbedrohlichen Zustand seiner Gemahlin, Maximilian schickte aber nicht die kleinste Zeile, um der Frau, die durch ihn so unglücklich geworden war, noch eine letzte Freude zu bereiten. Die Neujahrsglocken des Jahres 1511 waren zugleich die Sterbeglocken für die Kaiserin, die an gebrochenem Herzen gestorben war. In den Sternen war alles geschrieben gewesen!
Der Traum seines Lebens wurde vor 500 Jahren beinah wahr …
… und doch fehlte der Papst, die wichtigste Person, als sich Maximilian I. in Trient zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ausrufen ließ. Aber Julius II. wäre der Letzte gewesen, der seinem Erzfeind die Kaiserkrone aufs Haupt gesetzt hätte.
Von allem Anfang an waren die Differenzen zwischen Maximilian und Julius II. groß gewesen, als das Ergebnis der Konklave bis nach Norden durchgesickert war, und sie verstärkten sich, je mehr Zeit ins Land strich. Denn der neue Papst hatte nicht nur die Absicht, die Kirche an Haupt und Gliedern zu erneuern, sondern vor allem das Territorium des Kirchenstaates zu vergrößern, wobei ihm jedes Mittel, jeder Wortbruch recht waren. Natürlich hatte er als Vertreter Gottes auf Erden die Möglichkeit, sowohl den allerchristlichsten König von Frankreich als auch den deutschen König in Schach zu halten, so dass Maximilian schon bald erkennen musste, dass Julius II. ihn niemals in Rom zum Kaiser krönen würde.
Maximilian hatte schon unmittelbar nach dem Tod seines Vaters Friedrich III. im Jahre 1493 begonnen, mit Rom in Verbindung zu treten, aber Papst Alexander VI. Borgia war ein moralisch abgrundtief verkommener Mann, der Maximilian in tiefster Seele so zuwider war, dass er sich dahingehend äußerte, der Papst wäre »ein Mensch, der Prügel verdiene«.
Maximilian hatte mit seinen derben Ausdrücken, mit denen er den Papst bedachte, nicht an die Mächtigkeit des Borgia gedacht, denn Alexander hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich mit dem französischen König Ludwig XII. zu verbünden, der ebenfalls keinen Kaiser im Nachbarland dulden wollte. Daher war Maximilian gezwungen, seine Ambitionen auf den Kaiserthron zunächst hintanzustellen. Aber die Zeit schien dennoch nicht fern zu sein, da Alexander, der bei lebendigem Leibe verfaulte, direkt in die Hölle fuhr!
Ein neuer Papst würde neue Chancen bringen, so dachte Maximilian hoffnungsfroh, als Pius III. aus dem Konklave hervorging. Der überraschende Tod dieses integren Mannes im Jahre 1503 machte jedoch alle Pläne zunichte, denn sein Nachfolger, » il papa terribile«, Julius II. della Rovere ließ von allem Anfang an erkennen, dass er die Stellung Maximilians in keiner Weise aufzuwerten gedenke. Allzu flink waren die Einflüsterer in Rom schon unterwegs gewesen und hatten den deutschen König in allen Varianten schlechtgemacht. Dazu kam, dass der Doge von Venedig, der verschiedene feindselige Aktionen des Habsburgers nicht vergessen hatte, keinesfalls gewillt war, Maximilian mit einem größeren Gefolge durch sein Gebiet ziehen zu lassen. Wollte der König nach Rom, dann sollte er mit kleinster Begleitung reisen, alles andere würde der Doge als Provokation ansehen.
Maximilian konnte schon sehr bald erkennen, wie ungünstig die Sterne für einen Romzug standen, denn ohne bewaffnete Mannen an seiner Seite war es unmöglich, die verschiedenen Stadtstaaten Italiens zu passieren. Jede Stadt machte Politik auf eigene Faust, die Stadtstaaten wechselten ihre Bündnisse von Tag zu Tag, beinah von Stunde zu Stunde, und wer heute noch Freund des deutschen Königs war, der konnte ihm schon morgen in den Rücken fallen. Das Wort Bündnistreue schien für alle Beteiligten ein Fremdwort, Geldgeschenke, Landversprechungen sowie Machterweiterung auf Kosten anderer waren die Beweggründe für die meisten kleinen Stadtherrscher, ihr Mäntelchen ständig nach dem günstigsten Wind zu hängen.
Der Griff nach der Kaiserkrone wirkte zunächst nur wie eine persönliche Eitelkeit, war aber für Maximilian von großer politischer Bedeutung, da er die Absicht hatte, seinen Sohn Philipp zum deutschen König wählen zu lassen. Dies würde aber nur möglich sein, wenn er selber die Kaiserkrone trug. Insgeheim führte Maximilian schon lange Verhandlungen mit den Kurfürsten und hatte dabei festgestellt, dass das Wahlgremium nicht abgeneigt schien, tatsächlich Philipp in Frankfurt zu wählen. Aber die Voraussetzungen mussten erst gegeben sein! Die Situation änderte sich allerdings, als Philipp im Jahr 1506 ganz plötzlich in Spanien starb. Er hinterließ zwar zwei Söhne, aber der ältere, Karl, war zu der Zeit, als der Vater starb, erst sechs Jahre alt war.
Jetzt hätte Maximilian Zeit gehabt, die Kaiserangelegenheit in Ruhe zu betreiben. Aber so etwas war nicht in seinem Sinn! Außerdem hatte er die erste Jugend schon längst hinter