Günter Dönges

Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman


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gestorben“, sagte der Gerichtsmediziner und deutete auf den großen, etwas korpulenten Mann, der auf der Bahre des Leichenschauhauses lag. „Wollen Sie Einzelheiten hören?“

      „Ich glaube Ihnen, daß Lister tot ist“, grollte Lady Simpson, die zusammen mit ihrem Butler und Chefinspektor Sounders zum Leichenschauhaus gefahren war.

      „Ließe es sich aber ermöglichen, die persönlichen Habseligkeiten des Verbuchenden zu inspizieren?“ bat Parker, sich an Sounders wendend.

      „Kommen Sie, Morrison ist bereits an der Arbeit!“

      Sie alle waren froh, den bis zur Decke gekachelten Raum verlassen zu können, in dem es süßlich nach Desinfektionsmitteln roch. Lady Simpson hatte sich sicherheitshalber ein Riechfläschchen mitgenommen, an dem sie jetzt ausgiebig schnüffelte. Sie nickte anerkennend, als Josuah Parker eine flache, lederumhüllte Taschenflasche aus einer der Innentaschen seines Covercoats zauberte. Er schraubte den Verschluß ab, der sich als kleines Trinkgefäß benutzen ließ.

      „Cognac, Mylady“, sagte Parker.

      „Ich bin eben eine schwache Frau“, stellte Lady Agatha fest und kippte sehr jugendlich den ersten Schluck hinunter. Sie reichte den kleinen Trinkbecher dem Butler zurück. „Rationieren Sie nicht unnötig, Mr. Parker! Mir ist immer noch nicht sehr gut!“

      Der Butler gab Mylady einen zweiten Kreislaufbeschleuniger, worauf ihre Wangen sich leicht rosig färbten.

      „Aller guten Dinge sind drei“, meinte sie dann fröhlich. „Gießen Sie nicht zu knapp ein, Mr. Parker!“

      Josuah versorgte sie mit einer weiteren Erfrischung, worauf sie Sounders unternehmungslustig anschaute.

      „Sie sind ja im Dienst“, meinte sie dann. „Ich will Sie nicht unnötig verführen, Sounders.“

      „Keine Sorge Mylady“, antwortete Sounders und grinste. „Seit gut einer Stunde ist mein offizieller Dienst vorüber. Mr. Parker, Sie können mich also auch verwöhnen.“

      Parker reichte Sounders einen Cognac, den er genießerisch über seine Zunge gleiten ließ.

      „Keine Orgien“, entschied Lady Simpson, als er dem Butler auffordernd das Gefäß zurückreichte. „Daß Männer immer so übertreiben müssen, wenn es um Alkohol geht!“

      Sie marschierte voraus und steuerte eine Tür an, hinter der sich eine Art Asservatenkammer befand. Hier inspizierte Detektiv-Sergeant Morrison bereits die Kleidung des Toten.

      „Sie haben doch hoffentlich Mikrofilme entdeckt, junger Mann, oder?“ Lady Simpson sah Morrison funkelnd und abwartend an.

      „Nichts, Mylady“, sagte der Detektiv-Sergeant. „Ich habe jede Naht der Kleidung abgesucht.“

      „Und die Schuhe? Ein beliebtes Versteck für Kleinbildpatronen.“

      „Die will ich mir gerade vornehmen, Mylady.“

      „Dann tun Sie’s endlich!“

      Sie trat vor den Tisch, auf dem die Habseligkeiten aus den Taschen der Toten lagen. Es handelte sich um eine Brieftasche, um eine Uhr mit dünner Goldkette, um einen Schlüsselbund, um eine schmale Ledermappe, in der sich Kreditkarten befanden, und schließlich noch um ein kleines Päckchen, das von Morrison schon geöffnet und ausgepackt worden war. Neben diesem Päckchen, das kaum größer war als eine Zigarettenschachtel, lag eine Ansteckbrosche, deren Brillanten funkelten und glitzerten.

      Magisch angezogen von diesem Schmuckstück, beugte Mylady sich über die Brosche und nickte anerkennend.

      „Ein teures Stück“, stellte sie fachmännisch fest, „ich schätze es auf wenigstens fünfhundert Pfund.“

      „Für eine Frau“, sagte Sounders.

      „Ihre Schlußfolgerung ist ja fast bestürzend“, raunzte Lady Simpson ihn an. „Sie hätten den Cognac besser nicht getrunken, Sounders, selbst dieser eine war schon zuviel für Sie.“

      Detektiv-Sergeant Morrison grinste, worauf er von Sounders einen äußerst giftigen Blick erntete.

      Parker durchsuchte inzwischen die Brieftasche mit geübten Fingern, bevor Sounders sich an diese Arbeit machen konnte. Nur Lady Simpson bemerkte, daß ihr Butler mit schnellen Fingern etwas verschwinden ließ, aber sie sagte selbstverständlich nichts.

      *

      „Sie sind nicht gerade fair.“ Kathy zwang sich zur Ruhe. Sie tat so, als sei der lange, nadelspitze Degen überhaupt nicht vorhanden, gab sich gelassen und lächelte sogar ein wenig abfällig.

      Der empfindsame Künstler, in dessen Augen Mordlust war, blieb verblüfft stehen.

      „Fair?“

      „Sie geben mir nicht die geringste Chance“, redete Kathy Porter weiter. „Sie erinnern mich an einen Schlächter.“

      „Oh, meine Liebe, das sollten Sie aber nicht sagen“, antwortete der Mann betroffen. „Wie stellen Sie sich Ihre Chance denn vor?“

      „Haben Sie keinen Degen für mich?“

      Er lächelte amüsiert und strich sich mit der freien Hand über das schmale Oberlippenbärtchen, musterte Kathy, als habe er eine völlig andere Frau vor sich, und verbeugte sich, wobei er mit dem Degen salutierte.

      „Sie sollen Ihre Chance haben“, meinte er dann. „Drüben in der Requisitenkammer werden Sie etwas Passendes finden.“

      Kathy ging auf den Künstler zu, hoffte, nahe genug an ihn heranzukommen, doch er traute ihr nicht über den Weg, ging einen Schritt zurück und ließ sie passieren. Kathy stieg durch das große Loch im Rundhorizont und fand in dem zimmergroßen Kleiderschrank tatsächlich einige Krummschwerter, Säbel und Degen. Sie entschied sich für ein Florett und kam zurück ins grelle Licht des Ateliers.

      Sie wirkte ein wenig verlegen und unbeholfen und schien mit dem Florett kaum etwas anfangen zu können. Der Künstler salutierte, fiel dann plötzlich aus und startete einen ersten Scheinangriff.

      Nein, er wollte sie nicht sofort töten, er wollte sich erst noch an ihrer Angst und Unbeholfenheit weiden. Kathy spürte das, gab sich noch ungeschickter und schien überhaupt zum ersten Mal in ihrem Leben ein Florett in der Hand zu haben.

      Sie versuchte zu parieren, verfehlte ihn, wich ängstlich zurück, schrie leise auf, als er erneut ausfiel, und … parierte diesmal hart und elegant zugleich, wie sie es auf der Fechtschule gelernt hatte. Sie ließ dem Mann keine Sekunde, sich erneut aufzubauen, drang mit Finten vor, zwang ihn zum Rückzug und beschäftigte ihn ununterbrochen.

      Das Lächeln hatte sich längst verloren und war einer Grimasse gewichen. Der Empfindsame hatte bereits gemerkt, daß er es mit einer Gegnerin zu tun hatte, die mit dem Florett umzugehen verstand. Er kam nicht mehr dazu, seinem Entzücken Ausdruck zu verleihen, geriet in Schweiß, wehrte sich und zeigte dabei, daß er vom Fechthandwerk herzlich wenig verstand.

      Kathy bugsierte ihn geschickt zurück ins Kabelgewirr auf dem Atelierboden und schlug ihm dann den Degen aus der Hand. Der Chef der beiden Killer schrie wütend auf und wollte sich auf Kathy stürzen, wurde jedoch von der Florettspitze gestoppt, die sie gegen seinen Hals drückte.

      Kathy hatte es geschafft.

      Schwer ging ihr Atem, sie war sich ihrer Blöße kaum bewußt. Sie schaute kurz hinüber zu Herbert, der sich gerade etwas bewegte und aufstehen wollte, jedoch kraftlos wieder in sich zusammenrutschte. Nein, dieser Mann war vorerst keine Gefahr für sie.

      „Sie haben mich gemein getäuscht“, beschwerte sich der Künstler wütend. „Das werde ich Ihnen nicht verzeihen!“

      „Ich könnte Sie töten“, erwiderte Kathy.

      „Das werden Sie nicht wagen!“

      „Wird sie auch nicht, Chef“, ertönte leider in diesem Moment eine Stimme hinter Kathy. Sie gehörte dem zweiten Killer. Er schob sich in Kathys Blickfeld und zeigte ihr den Lauf seiner Schußwaffe, der mit einem Schalldämpfer