Pfeil schwirrte durch die Luft und bohrte sich in das Gesäß des Boxers, der sich blitzschnell aufrich-tete und bestürzt nach der getroffenen Körperstelle langte. Als seine Finger den Pfeil fühlten, blieb der Ko-loß wie versteinert stehen und machte einen verwirrten Eindruck. Er wußte im ersten Moment mit diesem Geschoß nichts anzufangen. Dann zerrte er es jedoch entschlossen aus der Gesäßhälfte und stierte es entsetzt an.
Was durchaus verständlich war, wie eingeräumt werden muß!
Dieser Boxer kannte Schußwaffen aller Art, Schlagringe und sonstige Gebrauchsdinge des täglichen Be-darfs, doch mit einem bunt gefiederten Pfeil wußte er nichts anzufangen. Er dachte nur automatisch an Gift.
Dieser Gedanke löste bei dem Gorilla Aktivitäten aus.
Da die kleine Wunde höllisch brannte – der Pfeil war selbstverständlich chemisch präpariert – begann der Massige mit einem kleinen Tanzsolo, hüpfte fast neckisch herum und zeigte dabei eine erstaunliche Bega-bung. Als das höllische Brennen knapp unter der Haut noch stärker wurde, hüpfte der Gorilla hinüber zum Rasen und setzte sich für Bruchteile von Sekunden. Anschließend rutschte er mit seinem Gesäß über das gepflegte Grün und stieß dabei heulende Töne aus, die nicht unbedingt melodisch zu nennen waren.
Der Boxer fand schnell heraus, daß die Herumrutscherei keine wesentliche Linderung brachte, sprang wieder hoch und jagte quiekend davon, um irgendwo in der Dunkelheit dieser Wohngegend zu verschwin-den. Er schien vergessen zu haben, daß er und sein Partner mit dem Wagen gekommen waren.
»Sie hätten diesem Strolch zwei Pfeile verpassen sollen«, stellte Lady Simpson grimmig fest. Sie stand neben ihrem Butler und hatte dem Schauspiel mit großer Freude zugesehen. Die resolute Dame war maßlos wie immer. »Sie und Ihre Gefühlsduseligkeit, Mister Parker. Das wird noch mal böse enden!«
*
Bernie Alton, der Gangsterboß, der selbst in Kreisen der Unterwelt als tückisch und brutal galt, wohnte in einem ansehnlichen Backsteinhaus, dessen überdachter Eingang von zwei großen Porzellanhunden bewacht wurde.
Der Mann hatte sich eine gute Wohngegend ausgesucht, in der man gewiß nicht wußte, welchem Beruf er nachging. Die Ziergitter vor den Fenstern entsprachen seinem Schutzbedürfnis. Josuah Parker ging davon aus, daß dies nicht der ganze Schutz dieses mißtrauischen Mannes war. Hinter der Haustür warteten mit Si-cherheit einige handfeste Männer, die Dienst rund um die Uhr machten und ihren Boß bewachten.
Josuah Parker hatte vor, dem Gangsterboß eine Art Höflichkeitsbesuch abzustatten. Es drängte ihn, sich mit diesem Mann mal ausführlich zu unterhalten. Zu seinem Leidwesen allerdings beteiligte Agatha Simpson sich an dieser Ausfahrt. Sie hatte gerade zusammen mit ihm den Wagen verlassen und bebte vor Eifer und Aktivität. Die Detektivin freute sich bereits darauf, Bernie Alton einige Argumente unter die Nase zu reiben.
Der Butler klingelte diskret und beobachtete dann das kleine Quadrat in der Tür. Es war geschnitten wor-den, damit die Türwache einen Blick auf die Besucher werfen konnte. Wie gesagt, Bernie Alton war ein mißtrauischer Mensch, der nicht jeden ins Haus ließ.
Prompt öffnete sich die kleine Tür. Das Gesicht eines energisch und wachsam aussehenden Mannes war zu sehen. Er bewegte den Mund, um eine Frage zu stellen, doch er brachte sie nicht mehr heraus.
Er gurgelte …
Und das hing ursächlich mit der Riesenportion Senf zusammen, die Parker diesem Mund verpaßt hatte. Sie stammte aus einer jener scheußlichen Plastikdruckflaschen, wie sie leider immer häufiger selbst in guten Lokalen anzutreffen sind. Praktisch waren diese Behälter durchaus. Nachdem man den Verschluß entfernt hatte, brauchte man nur mehr oder weniger energisch auf die Weichplastik zu drücken, um den Senfstrom auf den Teller zu befördern.
Parker hatte hart und jäh zugedrückt.
Die Riesenportion Senf schoß blitzschnell hervor, klatschte durch das Guckloch in der Tür und füllte den Mund des Fragenden. Er gurgelte inzwischen nicht mehr, hustete aber und weinte dicke Krokodilstränen, da Parker sich für einen besonders scharf gewürzten Spezialsenf entschieden hatte.
Die Türwache wurde derart überrascht, daß sie vergaß, das kleine Quadrat in der Tür zu schließen.
Ein zweites Gesicht erschien …
Josuah Parker bemühte erneut die »Druckschleuder« und füllte die Augenpartien des zweiten Mannes großzügig mit dem gelben, halbflüssigen Würzmittel. Der Getroffene belohnte Parkers Freigebigkeit mit lau-tem Aufschrei, griff nach seinen Augen und rieb sie in völliger Verkennung der Situation.
Was ihnen überhaupt nicht bekam!
Die gelbe Paste drang nur noch tiefer ein, reizte die Schleimhäute und sorgte, was die Menge anbetraf, für einen Tränensturz, der fast an einen Mini-Niagara erinnerte.
Die kleine quadratische Klappe in der sonst glatten Tür blieb immer noch geöffnet. Parker konnte nicht widerstehen. Er warf eine Glasampulle durch die Klappe und verließ dann den überdachten Treppenaufgang. Er war noch auf den letzten Stufen, als weißgelber Qualm durch die quadratische Klappe nach außen wallte. Die Glasampulle, die er einer Art Pillendose entnommen hatte, war auf dem Boden zersplittert. Der wäßrige Inhalt hatte sich mit dem Sauerstoff der Luft vermischt und entsprechend reagiert. Die Nebelwolken, die daraufhin hochstiegen, sorgten für zusätzliche Belustigung der Türwache.
Die beiden Männer waren verständlicherweise leicht gereizt, nachdem sie sich von ihrer ersten Pein und Überraschung erholt hatten. Sie gaben sich voll und ganz dem Wunsch hin, den Störenfried durch ihre pri-vate Mangel zu drehen. Sie entriegelten die schwere Sicherheitstür, entfernten die Ketten und ließen einen soliden Querbalken hochfahren. Dann rannten sie nach draußen und schauten sich aus entzündeten Augen nach dem nächtlichen Besucher um.
Sie sahen ihn knapp vor sich und verzichteten darauf, ihre Schußwaffen einzusetzen. Einmal geschah das, weil Bernie Alton die Ruhe dieser Straße nicht unnötig stören wollte, zum anderen auch, weil ihnen dieser Mann so gut wie sicher war. Der Vorsprung des Besuchers betrug höchstens zehn Meter.
Die beiden Männer nahmen die Verfolgung auf, fest entschlossen, sich für diesen Überfall zu rächen.
*
Sie kamen nicht weit, denn sie mußten an Agatha Simpson vorbei, die sich listigerweise knapp neben der Tür erwartungsvoll und grimmig aufgebaut hatte. Wie eine Walküre stand sie dort und schwang unterneh-mungslustig ihren Pompadour samt dem darin befindlichen »Glücksbringer«.
Der war ein echtes Hufeisen, andeutungsweise mit Schaumgummi umwickelt, eine Waffe, die sich sowohl durch Einfachheit als auch durch Wirkung auszeichnete. In der Hand der resoluten Lady war der harmlos aussehende Glücksbringer, ein Narkosegerät von überragender Qualität.
Die Detektivin zeigte sofort ihr wahres Können.
Als der erste Mann sie passierte, langte sie mit ihrem Handbeutel energisch zu. Der Türwächter wurde über dem Ohr getroffen, hob ab, segelte anderthalb bis zwei Meter durch die Luft und landete dann etwas un-glücklich auf den Steinplatten des Gehwegs.
Der zweite Mann bekam diesen Zwischenfall wegen der wallenden Nebelschwaden nicht ganz mit. Er stutzte allerdings, weil sein Partner ohne jede Vorankündigung diesen völlig sinnlosen Flug ausführte. Als ihm dann der Gedanke kam, daß das einen Grund haben müsse, war es für ihn bereits zu spät. Agatha Simpson legte ihm ihren »Glücksbringer« nachdrücklich auf den Schädel.
Nun, der Mann landete ganz sicher nicht ungespitzt im Boden. Das zu behaupten wäre sinnlos und über-trieben gewesen. Doch er schrumpfte sichtlich und verlor einige Zentimeter an Wuchs und Größe. Er ächzte und legte sich dann wie ein nasses Handtuch über einen der beiden Porzellanhunde. Lady Simpson trat aus der Deckung hervor und vergewisserte sich gründlich, daß dieser Mann sich nicht nur kurzfristig ausruhte.
Während ihr Butler zur Haustür zurückkehrte, betrat die ältere Dame den Hausflur, aus dem die dicksten Nebelschwaden inzwischen abgezogen waren. Sie sah mit einem schnellen und erfahrenen Blick, daß es lei-der noch eine zweite