Günter Dönges

Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman


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ist doch eine ausgemachte Frechheit!« Lady Agathas Stimme grollte.

      »Ich habe mir das Kennzeichen des Wagens eingeprägt«, sagte die junge attraktive Begleiterin. Sie hieß Kathy Porter, war Myladys Gesellschafterin und erinnerte ein wenig an ein scheues, empfindsames Reh. »Worum ich auch gebeten haben möchte«, antwortete Lady Agatha. »Wo steckt denn Mister Parker? Immer, wenn man ihn mal wirklich braucht, ist er nicht zur Stelle …«

      *

      Nachdem Mike Rander, der junge, erfolgreiche Anwalt, sich notgedrungen in seine Londoner Anwalts-kanzlei zurückgezogen hatte, um der vielen Fälle einfach Herr zu werden, war Josuah Parker in die Dienste von Lady Agatha Simpson getreten.

      Widerwillig, wie korrekterweise gesagt werden muß.

      Jahrelang war Parker zusammen mit seinem jungen Herrn durch die Welt gezogen und hatte teilweise haarsträubende Kriminalabenteuer erlebt. Dies alles war aber nichts gegen die Zwischenfälle, die Lady Aga-tha förmlich provozierte.

      Die streitbare Dame, so um die sechzig Jahre alt, stand mit beiden Beinen im Leben. Nach dem Tod ihres Mannes, des Lord John Simpson, war sie die Alleinerbin eines riesigen Vermögens geworden. Sie besaß hochkarätige Anteile an Brauereien, Fabriken, Werften und Reedereien. Lady Agatha war mit dem Hoch- und Geldadel Englands eng verschwistert und verschwägert. Man schätzte und fürchtete sie gleichzeitig. Als Detektivin war sie geradezu berüchtigt, was ihr ungeniertes Benehmen anbetraf. Sie konnte fluchen wie ein Fuhrknecht, ordinär sein wie die Wirtin einer Kaschemme oder eine unnahbare herzogliche Würde verbrei-ten, die lähmend wirkte.

      Lady Agatha hatte ihre Vermögensanteile in eine Stiftung umgewandelt, aus deren Erlös begabte junge Menschen kostenlos studieren konnten. Als Realistin hatte sie selbstverständlich ihre persönlichen Belange nicht vergessen. Sie verfügte über das Geld, um das zu tun, was sie zu tun wünschte.

      Parker stand also seit einiger Zeit in ihren Diensten und hatte seitdem Hochbetrieb, um Mylady vor Scha-den zu bewahren. Sie ging keinem Ärger aus dem Weg und hatte die seltsame Gabe, immer wieder auf inte-ressante Kriminalfälle zu stoßen. Sie war Amateurdetektivin aus Leidenschaft, die einfach nicht zu bremsen war.

      Als Lady Agatha zurück ins Hotel kam, sah der Butler sofort, daß sich wieder mal ein peinlicher Zwi-schenfall ereignet hatte.

      »Sie sehen mich empört«, stellte Lady Simpson fest und nahm ihren unmöglichen Kapotthut ab.

      »Mylady werden dafür Gründe haben«, gab der Butler vorsichtig und abwartend zurück.

      »Ich bestehe darauf, daß Sie diese Flegel zur Ordnung rufen«, grollte sie.

      »Wie Mylady befehlen.« Parker blieb reserviert.

      »Es geht mir nicht um das Geld«, erklärte Lady Agatha. »Es sind die schlechten Manieren, die mich är-gern.«

      »Könnten Mylady vielleicht mit Einzelheiten dienen?« erkundigte sich Parker gemessen.

      »Zuerst brauche ich eine Erfrischung«, verlangte Agatha Simpson und ließ sich in einem Sessel nieder.

      »Ich werde sofort Tee kommen lassen«, versprach der Butler.

      »Tee! Ich brauche eine Erfrischung …«

      Josuah Parker hatte verstanden.

      Würdevoll und gemessen begab er sich hinüber zu dem Wandtisch, wo Flaschen und Gläser standen. Er füllte ein Glas mit Whisky und servierte es auf einem Silbertablett.

      »Das ist es, Mister Parker!« Sie nickte beifällig und nahm einen mehr als herzhaften Schluck. Dann strahlte sie ihren Butler aus funkelnden, unternehmungslustigen Augen an. »Ein zumindest eigenartiges Individuum, das mir da begegnet ist … Was sagen Sie dazu, Kindchen?«

      Lady Agatha drehte sich zu Kathy Porter um, die das kleine Paket auspackte.

      »Ich glaube, Mylady, daß die drei jungen Männer Schußwaffen trugen«, erklärte Kathy Porter. »Sie schienen eine Art Leibwache zu sein.«

      »Das finde ich auch!« Agatha Simpson nickte bestätigend und erfreut.

      »Vielleicht haben Mylady sich nur getäuscht.«

      »Kathy und ich haben doch Augen im Kopf«, grollte die Detektivin. »Sie wollen diese Geschichte doch nur wieder herunterspielen, Mister Parker. Ich kenne Ihre Methode.«

      »Die Vase ist zerbrochen«, meldete Kathy Porter, die das kleine Paket geöffnet hatte. Sie hielt einige Scherben hoch, die zu einer Jugendstilvase gehörten.

      »Dieser Flegel behandelte mich wie eine Bettlerin«, ärgerte sich Lady Agatha. »Ich glaube, ich werde Sie zu diesem Individuum begleiten. Sie könnten sonst vielleicht etwas zu höflich sein.«

      »Mylady bestehen darauf?« Parkers Gesicht blieb maskenhaft unbeweglich.

      Innerlich gestattete er sich jedoch ein leichtes Beben. Er wußte schon jetzt ganz genau, was auf ihn zukam. Mylady konnte ausgesprochen aggressiv werden, wenn man ihr zu nahe trat. Und dies war hier schließlich der Fall gewesen.

      »Ich weiß, daß Ihnen mein Vorschlag nicht gefällt, Mister Parker«, stellte Agatha Simpson wegwerfend fest, »aber das stört mich überhaupt nicht. Ich werde mitkommen! Mit Höflichkeit allein erreicht man bei diesen Flegeln selten etwas …«

      *

      Josuah Parker stoppte sein hochbeiniges Monstrum und stieg aus dem Wagen. Er öffnete die hintere Tür und lüftete respektvoll seine schwarze Melone.

      Das Fahrtziel war erreicht.

      Leider war es eine Kleinigkeit gewesen, den Besitzer des Rolls-Royce ausfindig zu machen. Er hieß Ste-phan Waters und wohnte ganz eindeutig in dem turm- und zinnenbewehrten Castle, das über eine Hängebrü-cke zu erreichen war.

      Das Castle aus alter Zeit befand sich in tadellosem Zustand. Die Renovierung mußte ein kleines Vermögen gekostet haben. Die Trossen der Zugbrücke waren schneeweiß gestrichen. Diese Farbe harmonierte sehr gut mit dem ehrwürdigen Gemäuer, das auf der abgeflachten Kuppe einer Art Felsnadel stand. Nur diese Hän-gebrücke allein gab den Zugang zum Castle frei. Die Flanken der Felsnadel waren steil und nur von Hochal-pinisten mit entsprechender Ausrüstung zu besteigen.

      Hinter dem Schloß, das mehr einer alten Festung glich, war die breite, bayartige Mündung des Fal zu se-hen, eines an sich kleinen Flusses, der sich dann bei Falmouth in den Atlantik ergoß. Man befand sich, um die Beschreibung abzurunden, im Süden Cornwalls in England, einem Landstrich, der fast mittelmeerähnli-chen Charakter aufwies.

      »Ein beneidenswert schönes Castle«, sagte Agatha Simpson, »ich möchte nur wissen, wie dieser Lümmel an dieses Schloß gekommen ist. Nun, ich werde ihn danach fragen, Mister Parker. Fahren wir weiter.«

      Butler Parker sah keine Möglichkeit, Myladys Wunsch zu torpedieren. Nachdem Agatha Simpson zurück in den Fond des hochbeinigen Wagens gestiegen war, setzte sich Parker an das Steuer des ehemaligen Lon-doner Taxis, das nach seinen speziellen Wünschen gründlich umgebaut worden war. Dieser Wagen war eine technische Überraschung auf Rädern und zeichnete sich vor allen Dingen durch einen sehr leistungsstarken Motor aus.

      Josuah Parker wußte mehr als Lady Simpson. Er besaß bereits einige Informationen über diesen Stephan Waters und hütete sich bisher, ihr davon Mitteilung zu machen. Der Besitzer des Castle war eine sehr dubio-se Gestalt, die vor Jahren in der Unterwelt von London eine gewichtige Rolle gespielt hatte. Wie gesagt, davon hatte Parker seiner energischen Herrin nichts gesagt und hoffte inständig, daß sie ahnungslos blieb.

      Der Weg von der sanften Bergkuppe hinunter zur Hängebrücke war schmal, aber gut gepflegt. Vor der Hängebrücke gab es eine Art Vorburg, deren Fallgitter hochgezogen war. Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum durch den Torbogen und mußte dann anhalten. Ein starkes Gitter versperrte die Fahrt über die Hängebrücke hinüber zum eigentlichen Schloß.

      Bevor Josuah Parker sich nach einem geeigneten Meldemittel umsehen konnte, erschien ein junger Mann mit dümmlichem Gesicht. Es war der Zwilling jenes Mannes,