Günter Dönges

Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman


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wir ihn …?« Artie hielt es nicht für nötig, seinen Satz zu beenden. Er konnte davon ausgehen, daß Waters ihn gut verstand.

      »Nein.« Waters schüttelte den Kopf. »Nur kein Aufsehen hier in der Gegend. Erst mal feststellen, wer an-gerufen hat. Und dann ab mit ihm nach London oder Plymouth. Hier in der Gegend sollen keine Leichen rumliegen. Alles klar?«

      Artie nickte und ging.

      Stephan Waters baute sich vor dem dreigeteilten, säulenverzierten Fenster auf und sah auf den Far-Fjord hinunter. Er fragte sich, wie er sich weiter verhalten sollte. Er saß hier an der äußersten Südspitze Englands in einer erstklassig ausgebauten Festung und hatte sich bisher sicher gefühlt. Doch dieser Anruf machte ihn bereits nervös. Waters kannte schließlich die Gegenseite.

      Hatte es einen Sinn, England schleunigst den Rücken zu kehren? Geld hatte er genug, um sich irgendwo in der Welt zu verkriechen. Vielleicht gab es Landstriche und Festungen, die noch sicherer waren als dieses Castle hier.

      Doch Waters verwarf diesen Gedanken.

      Flucht war sinnlos. Das Syndikat würde sich kaum abschütteln lassen. Nein, jetzt und hier mußte die Sa-che durchgestanden werden. Und vielleicht konnte er versuchen, sich mit der aufgebrachten Konkurrenz zu arrangieren. Man mußte es auf einen Versuch ankommen lassen. Waters war nur irritiert, was den Telefonan-ruf betraf.

      Warnungen dieser Art paßten nicht zum Syndikat. Die Vollstrecker von Unterweltsurteilen pflegten un-auffällig und überraschend zu arbeiten. Vorwarnungen hatte es bisher noch nie gegeben.

      Stephan Waters verließ sein Zimmer und wanderte durch das Castle. Es war ein langer Weg, bis er alle Räume kontrolliert hatte. Er prüfte die Sicherheitsvorkehrungen, die er hatte einbauen lassen. Als er wieder in seinem großen Arbeitszimmer war, hatte er zum ersten Mal in seinem Hiersein das Gefühl, ein Gefangener zu sein in einem luxuriösen, goldenen Käfig.

      *

      Josuah Parker hielt sich in der Halle des »Atlantik« auf und beobachtete über den Rand der Zeitung hin-weg die ein- und ausgehenden Hotelgäste. Er hatte sich von seiner Herrin beurlauben lassen. Er ging von der Vermutung aus, daß früher oder später hier im Hotel ein junger Mann erschien, der sich durch ein leicht dümmliches Gesicht auszeichnete. Nach dem Anruf im Schloß hatte Waters gewiß feststellen lassen, von wo aus angerufen worden war.

      Parkers Zeitplan war fast perfekt.

      Mit einer Verspätung von sechs Minuten erschien der bewußte junge Mann.

      Man hatte also herausgefunden, daß im »Atlantik« der geheimnisvolle Anrufer wohnte. Nun ging es da-rum, wer es war. Waters reagierte schnell. Der Anruf schien ihm nicht sonderlich behagt zu haben.

      Der junge Mann wies sich an der Rezeption aus. Wahrscheinlich arbeitete er mit einem gefälschtem Aus-weis. Der Chefportier ließ sich prompt düpieren und kam sogar aus seiner Empfangsloge hervor. Er führte den jungen Mann in einen schmalen Korridor und geleitete ihn zur Telefonvermittlung.

      Josuah Parker erhob sich aus dem Sessel und schritt gemessen zum Hoteleingang. Von hier aus beobachte-te! er den unscheinbar aussehenden Minicooper, der rechts auf einem Parkplatz stand. Ein zweiter junger Mann mit ebenfalls dümmlichem Gesicht saß am Steuer und rauchte.

      Josuah Parker ahnte, was kommen würde. Daher ging er zurück in die Hotelhalle und begab sich in eine der drei Telefonzellen. Er wählte die mittlere und schaute durch den Glaseinsatz der Tür hinüber zur Rezep-tion.

      Der junge Mann erschien schon wieder auf der Bildfläche. Sein dümmliches Gesicht zeigte einen zusätzli-chen, verwirrten Ausdruck. Der Mann hatte wohl gerade erfahren, daß eine gewisse Lady Agatha Simpson seinen Herrn und Meister angerufen hatte.

      Der Profi trabte auf die Telefonzellen zu, genau wie Parker es erwartet hatte. Er wollte jetzt wohl Waters informieren und sich neue Instruktionen holen.

      Parker hatte vorgesorgt.

      Nachdem der junge Mann rechts von ihm in der Zelle verschwunden war, schaltete der Butler den kleinen Verstärker ein. Er preßte die Membrane eines Stethoskops gegen die Trennwand und den Ohrclip in seinen Gehörgang. Mit einem kleinen Knopf regulierte er die Lautstärke des Geräts, das eine klare und unverzerrte Übertragung lieferte.

      Der junge Mann wählte eine Telefonnummer und bekam seine Verbindung.

      »Artie hier«, meldete er sich, »ich hab’ ’ne tolle Überraschung für Sie. Wissen Sie, wer angerufen hat? Diese Lady Simpson. Ja, ganz klarer Fall. Bestimmt, sie ist es gewesen. Irrtum ausgeschlossen. Was sollen wir jetzt machen?«

      Der junge Mann legte eine Pause ein und ließ sich instruieren.

      »In Ordnung«, sagte er, als er wieder an der Reihe war. »Wir stauchen sie also leicht zusammen. Nein, nein, wir passen schon auf. Nur ’n kleiner Schock für das alte Mädchen, damit sie schleunigst abrauscht. Na-türlich, Chef! Doch, sie ist wirklich ’ne Lady. Der Chefportier kennt sie. Irrtum ausgeschlossen.«

      Nun war Waters wieder an der Reihe.

      »Ich ruf in zehn Minuten zurück«, schloß dann der junge Mann, »die Sache ist so gut wie erledigt. Ende!«

      Artie verließ die Telefonzelle und sah sich einem Butler gegenüber, den er völlig übersah. Der junge Profi kam überhaupt nicht auf den Gedanken, dieser Butler könnte jener Mann sein, der diese ältere Lady zum Castle begleitet hatte.

      Als ihm das sprichwörtliche Licht aufging, war es allerdings schon zu spät für ihn.

      *

      Vorerst blieb der junge Profi ahnungslos.

      Er hatte es ja schließlich mit einer Frau zu tun, wie er eben erst in der Telefonzentrale erfahren hatte. Sein Trick, sich als Kriminalbeamter auszugeben, hatte vollen Erfolg gehabt. Man hatte ihm bereitwillig Auskunft erteilt.

      Leichtsinnigerweise verzichtete er darauf, seinen Partner aus dem Minicooper mitzunehmen. Den Schock, den er Agatha Simpson zugedacht hatte, konnte er ihr auch allein verpassen. So wenigstens dachte er opti-mistisch.

      Fast wohlgestimmt stieg er in den Lift und trat höflich zur Seite, als der Butler ihm folgte. Belustigt nahm er diesen schwarzgekleideten Mann zur Kenntnis. Das Alter des Butlers war nur schwer zu schätzen. Er konnte Ende Vierzig, aber auch sehr gut bereits weit in den Fünfzigern sein. Der junge Profi hatte es mit einem Gesicht zu tun, das nahezu unbeweglich war. Die Augen waren grau und verrieten wache Intelligenz.

      Der Butler trug einen schwarzen Zweireiher, darunter eine Weste, gestreifte Beinkleider und schwarze, derbe Schuhe. Er hatte eine schwarze Melone auf dem Kopf und einen altväterlich gebundenen Regen-schirm, der über seinem linken Unterarm hing. Der Mann war die Korrektheit in Person.

      »Welche Etage darf ich für den Herrn drücken?« erkundigte sich der Butler, seine schwarze Melone lüf-tend.

      »Dritter Stock«, erwiderte der junge Mann, der in den vierten wollte, um ungestört zu bleiben, da er an Zuhörern oder Zuschauern nicht interessiert war.

      Josuah Parker drückte den gewünschten Etagenknopf und wendete dem jungen Profi halb den Rücken zu. Dabei passierte dem Butler ein Mißgeschick. Mit dem rechten, eisenbeschlagenen Absatz seines linken Schuhs trat er dem Mann sehr nachdrücklich auf die Zehen.

      »Oh, das ist mir aber äußerst peinlich«, entschuldigte sich der Butler, während der Profi weiß im Gesicht wurde. »Sollte ich Sie möglicherweise inkommodiert haben?«

      Der Profi wußte nicht, was der Butler meinte, denn er hatte mit seinen mißhandelten Zehen zu tun. Er hob den Fuß und sog dabei pfeifend und scharf die Luft ein. Er hatte das deutliche Gefühl, daß seine Zehen total zerquetscht waren.

      »Sie – Idiot!« keuchte der junge Profi.

      »Sie sehen mich erschüttert«, behauptete Parker und schaltete sich ungefragt als Nothelfer ein. Er griff nach dem linken Unterarm des Mannes, um wenigstens dessen Gleichgewicht zu gewährleisten.

      Parker schien dabei etwas zu hart zugegriffen