widersprechen«, lautete Parkers Antwort. »Ich möchte aller-dings erneut darauf hinweisen, daß Mylady sich in große Gefahr begeben.«
»Ich werd’s schon überleben.« Agatha Simpson marschierte auf ihren stämmigen Beinen hinüber zum Haus.
Parker, der ihr gefolgt war, schloß die Haustür auf. Er hatte sich den Schlüssel vom Verwalter der Kapi-tänshäuser mitgeben lassen. Er hatte auch die geschäftlichen Verhandlungen erledigt. Um solche Kleinigkei-ten kümmerte sich die Detektivin nie.
Lady Agatha war entzückt, wie sie mehrfach behauptete. Das Fachwerkhaus war voll eingerichtet, alles al-te Mahagoni-Möbel mit Messingbeschlägen. Man fühlte sich behaglich wie in der Kajüte eines Hochseekapi-täns.
Die Verteilung der wenigen Räume war schnell geregelt. Parker bezog ein kleines Kabinett im Erdgeschoß gleich neben der Küche. Die beiden Damen komplimentierte er hinauf ins Obergeschoß. Er hielt sie dort für sicherer.
Als Parker zurück zum Wagen ging, hörte er über der Bay das Geräusch! eines Hubschraubers, der tief über das Wasser flog. Die Maschine kam direkt aus der Richtung des Schlosses, in dem Stephan Waters wohnte. Parker! achtete nur kurz auf den Helikopter und widmete sich dann dem wenigen Gepäck, das er ins Haus trug. Anschließend ließ er seinen hochbeinigen Wagen seitlich neben dem Haus in einer Fach-werkremise verschwinden.
Parker war, wie er bereits deutlich zu erkennen gegeben hatte, mit dem! Entschluß Myladys nicht einver-standen. Er hätte Agatha Simpson und Kathy Porter in wenigen Stunden zurück nach Torquay bringen kön-nen, wo sich Lady Simpsons Sommerwohnsitz befand. Dort hätte er, was die Sicherheit anbetraf, gewisse Garantien geben können.
Die Detektivin hatte auf diese Rückfahrt verzichtet. Sie wollte ganz in der Nähe dieses Flegels bleiben, um ihre Forderungen an Waters einzutreiben. Agatha Simpson galt nicht umsonst als eine sehr skurrile Dame, die jeder Norm widersprach.
Nun befand man sich also südlich von Falmouth in einer sich genau westlich erstreckenden Seitenbucht der Bay und konnte von hier aus das Castle auf der Felsnadel genau beobachten. Parker stellte mit einiger Befriedigung fest, daß die Wasserfläche zwischen dem Kapitänshaus und dem Castle erfreulich groß war. Lady Simpson konnte als nicht unmittelbar tätig werden.
Die Hänge dieser Bucht zeigten eine subtropische Vegetation. Der Golfstrom war die ununterbrochen tä-tige, riesige Zentralheizung, die die Südwestspitze von Cornwall mit Wärme versorgte. Zitronen- und Apfel-sinenbäume waren hier eine Selbstverständlichkeit. Selbst Bananenstauden waren reichlich vorhanden.
Der dicht bestandende Garten, der das Haus umgab, stand in voller Blüte und wirkte in seiner Üppigkeit wie ein kleiner Dschungel. Parker gab sich diesem Bild des Friedens für einen Moment voll hin. Er sah hin-unter auf die Bay und beobachtete einen Fischkutter, der seewärts tuckerte. Dann aber schaute er unwillkür-lich hinüber auf das Castle und besann sich auf die harte Gegenwart.
Er hatte Mylady gegenüber nicht übertrieben. Agatha Simpson wollte sich wegen einer Bagatelle mit ei-nem Gangster anlegen, der noch vor wenigen Jahren gefürchtet war. Ahnte sie überhaupt, auf was sie sich da einließ? Hatte sie jeden Sinn für Gefahr verloren?
»Besorgen Sie ein gutes Fernrohr«, ließ die Detektivin sich in diesem Augenblick vernehmen. »Ich möchte dieses Subjekt immer vor Augen haben.«
»Wie Mylady wünschen.« Parker seufzte innerlich auf.
»Und lassen Sie sich einfallen, wie wir diesen Lümmel gründlich nervös machen können!« Sie deutete zum Castle hinüber.
»Ich werde mich bemühen, Mylady«, entgegnete der Butler, »aber wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf, so sollte man vielleicht noch eine gütliche Einigung in Betracht ziehen.«
»Und wie stellen Sie sich die vor?«
Agatha Simpson schien mit diesem Vorschlag nicht sehr einig zu gehen.
»Wenn Sie erlauben, werde ich mich mit Mister Waters noch mal in Verbindung setzen.«
»Gut, machen wir einen allerletzten Versuch«, räumte Lady Simpson ein. »Aber wenn ich erneut beleidigt werde, sind wir an der Reihe.«
Parker atmete innerlich auf.
*
Stephan Waters stand auf dem Balkon. Während er in kurzen Abständen immer wieder hinunter zur Bay und hinauf zum Himmel sah, um das Herankommen eines Hubschraubers früh genug zu beobachten, sah er sich die Einschläge im Gemäuer an.
Die Geschosse hatten den mächtigen Quadern natürlich kaum geschadet, doch sie hatten immerhin Schrammen ins Mauerwerk gerissen. Daß man ihn hatte ermorden wollen, stand für Stephan Waters hun-dertprozentig fest.
Der untersetzte, kompakte Mann hatte sich inzwischen wieder gefangen. Er fragte sich, in wessen Auftrag aus dem Hubschrauber geschossen worden war. Ging das US-Syndikat jetzt zur Sache über? Oder gab es noch andere Gruppen aus der Londoner Unterwelt, die sich an ihm rächen wollten?
Eine erste grobe Auswahl zu treffen, war für Waters sehr schwer. Er hatte einfach zu viele Gegner in Lon-don zurückgelassen. Jahrelang hatte er in der Stadt mit brutaler Faust regiert. Und immer wieder gelang es ihm, nach außen hin die weiße Weste zu wahren. Die Polizei konnte ihm nie etwas nachweisen.
Waters spürte, daß die Idylle beendet war. Er hatte sich eingeredet, einen Schlußstrich unter die Unter-weltsjahre ziehen zu können. Die Vergangenheit hatte ihn aber schon wieder eingeholt. Jetzt ging es wahr-scheinlich auf Leben und Tod. Er mußte sich seiner Haut wehren. Wer immer ihm ans Fell wollte, würde schnell merken, daß Stephan Waters noch den alten, scharfen Biß besaß.
Sein erster Entschluß, auf keinen Fall die Flucht zu ergreifen, war endgültig. Flucht war sinnlos. Hier vom Schloß aus konnte er nicht nur alle weiteren Angriffe abwehren, sondern auch zum Gegenangriff übergehen. Mit Geld ließ sich viel erreichen. Und Geld besaß er tatsächlich in mehr als ausreichender Menge. Die Jahre als Gangsterboß in London hatte er genutzt.
Er hörte das Läuten des Telefons in seinem großen Wohnraum, verließ den Balkon und ging an den Appa-rat. Er meldete sich und hörte auf der Gegenseite nur ein deutliches Atmen.
»Wer ist da?« fragte Waters scharf.
»Wirklich keine Ahnung?« Undeutlich und verzerrt klang die Stimme, die er erst vor wenigen Stunden gehört haben mußte.
Wenigstens kam ihm das so vor.
»Lady Simpson?« fragte er spontan.
Auf der Gegenseite war ein ersticktes Kichern zu hören.
»Sie sind ein Witzbold, Waters«, reagierte die Stimme.
»Wer spricht denn da?« Waters wurde wütend.
»Denken Sie darüber mal nach«, schloß die Stimme am anderen Leitungsende. »Ich bin’s gewöhnt, meine Rechnung zu präsentieren.«
Waters starrte auf den Hörer, nachdem die Verbindung getrennt worden war. Dann knallte er den Hörer in die Gabel und massierte sich nachdenklich seinen Nasenrücken.
Wie war das gewesen? Rechnung präsentieren!? Sollte diese Lady erneut angerufen haben? Waters war verunsichert. Ob diese komische Lady mit ihrem Butler und der Gesellschafterin vielleicht zum Syndikat gehörte?
*
Parker betrat nach etwa anderthalb Stunden wieder das Ferienhaus und machte einen recht zufriedenen Eindruck.
»Schon zurück?« erkundigte sich Agatha Simpson, die sich unten im Wohnraum befand.
»Die Verhandlung mit Mister Waters gestaltete sich erfreulich kurz«, schwindelte Parker. »Er konnte sich meinen Argumenten nicht länger verschließen, Mylady.«
»Und?!« Die streitbare Dame sah ihren Butler wachsam an.
»Mister Waters bittet um Entschuldigung für sein unmögliches Betragen und erstattet Ihnen hiermit die restlichen, geforderten 45 Pfund.«
Parker war hochherrschaftlicher Butler genug, um die