Günter Dönges

Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman


Скачать книгу

nicht, dazu war seine Tarnung zu perfekt. Er fragte sich allerdings, wer die Insassen des Wa-gens wohl waren. Verfolgten auch sie Waters? Aus einem Grund vielleicht, den er noch nicht kannte? War es tatsächlich so, konnte er sich für seine Pläne nichts Besseres vorstellen. Dann konnte er diese Leute für seine Zwecke benutzen.

      Kildare brauchte nur noch eine halbe Stunde zu warten, bis er seinen Spaziergang antreten konnte. Die Sonne stand bereits sehr tief und schickte sich an, hinter dem hügeligen Gelände zu verschwinden. Kildare schlang sich einen Schal um den Hals und verließ das Haus. Langsam und scheinbar versonnen näherte er sich dem Grundstück und dem Fachwerkhaus.

      Vor dem Haus erschien gerade ein original hochherrschaftlicher Butler, der ein paar Blumen schnitt. Er sah den Spaziergänger und nickte steif und grüßend herüber.

      Kildare dankte knapp und schritt weiter.

      Er war Menschenkenner. Daß dieser Butler durch und durch echt war, konnte nicht bezweifelt werden. Was also mochten das für Leute sein, die sich einen Butler hielten? Ausgeschlossen, daß sie sich mit Stephan Waters anlegen wollten. Kildare kam zu dem Schluß, daß sein Mißtrauen unbegründet sei.

      *

      Parker servierte ein leichtes Abendessen, das er in der Küche des Hauses zubereitet hatte. Er war ein erst-klassiger Koch, der es überhaupt nicht gern sah, wenn Kathy Porther ihm in der Küche helfen wollte. Parker reichte zu kleinen, leicht in Butter angebratenen Kartoffeln, gebratene Scholle, eine kleine Fleischpastete und abschließend den berühmten dreifarbigen englischen Cheshire-Käse. Ein leichter Rheinwein rundete das Ganze ab.

      Selbstverständlich hatte Parker es wieder mal abgelehnt, sich zu Lady Simpson an den Tisch zu setzen, die stets zusammen mit ihrer Gesellschafterin Kathy speiste. Parker fühlte sich in seiner Stellung als Butler kei-neswegs abgewertet oder als Lakai. Genau das Gegenteil war der Fall. Er hielt sich einer besonderen Klasse zugehörig, die für freiwilliges Dienen das Kennzeichen war.

      Agatha Simpson hatte es sich längst abgewöhnt, Parker umzustimmen. Sie respektierte seine Haltung, die von Außenstehenden vielleicht als arrogant bezeichnet wurde.

      »Haben Mylady noch Wünsche?« erkundigte sich Parker, als er den Kaffee servierte.

      »Einen Schluck Whisky, Mister Parker«, bat die Detektivin, »und für morgen einen Hubschrauber.«

      »Sehr wohl, Mylady«, lautete Parkers unerschütterliche Antwort. Der Wunsch nach einem Hubschrauber brachte ihn selbstverständlich nicht aus der Fassung. Lady Simpson nannte ihren Butler übrigens hartnäckig bei dessen Namen. Sie verzichtete darauf, ihn wie üblich mit dem Vornamen anzureden. Sie wollte damit ausdrücken, wie sehr sie Parker schätzte und achtete.

      »Wollen Sie denn gar nicht wissen, wozu ich den Hubschrauber brauche?« Sie sah ihn ein wenig ärgerlich an.

      »Mylady werden es mir wahrscheinlich jetzt mitteilen.«

      »Wie werden Waters weiter nervös machen und über seinem Schloß kreisen, bis ihm die Trommelfelle platzen.«

      »Eine Maßnahme, die Mister Waters nicht sonderlich schätzen wird.«

      »Und was sagen Sie dazu?« Sie funkelte ihren Butler streitlustig an und wartete auf eine Widerrede. Ka-thy Porter schmunzelte in sich hinein.

      »Wenn Mylady erlauben, werde ich mich um einen zweistrahligen Helikopter bemühen«, erwiderte Parker würdevoll. »Man sollte den Aspekt der Sicherheit nicht übersehen.«

      »Sie sind also nicht einverstanden, wie?« Lady Simpsons Streitlust steigerte sich.

      »Ich würde mir nie erlauben, an Myladys Wünschen Kritik zu üben«, gab Parker zurück. »Darf ich noch ein wenig nachschenken?«

      »Ich werde allein fliegen«, sagte Agatha Simpson dann nachdrücklich. »Ihnen scheint die Sache keinen Spaß zu machen. Oder sollten Sie etwa Angst haben, Mister Parker?«

      »Gewisse Sorgen möchte ich nicht verhehlen«, erwiderte Parker gemessen, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Man weiß nicht, wie Mister Waters reagieren wird. Vielleicht ist er gegen Fluggeräusche der ge-planten Art allergisch.«

      »Hoffentlich!« Lady Simpson nickte hoffnungsvoll und ahnte nicht, was auf sie wartete.

      *

      Parker war zu Bett gegangen und ließ die Ereignisse des Tages Revue passieren.

      Mylady hatte sich mit einem Gangster eingelassen, mit dem auf keinen Fall zu spaßen war. Agatha Simp-son schien das aber noch nicht eingesehen zu haben. Parker nahm sich vor, auf seine Herrin besonders gut aufzupassen. Er mochte die alte, streitlustige Dame, die sich so ungewöhnlich benahm. Im Grund sorgte jetzt sie für die Abenteuer, für die früher mal sein junger Herr Mike Rander zuständig gewesen war. Wenn er es recht betrachtete, so war die Arbeit für Lady Simpson noch wesentlich aufregender als zu Mike Randers Zeiten.

      Parker, der schon eine Weile das Licht auf dem Nachttisch gelöscht hatte, nahm plötzlich unangenehm be-rührt die Augenbrauen hoch. Er hatte deutlich gehört, daß das Haus ungebetenen Besuch erhielt. Über die Eigengeräusche des alten Fachwerkhauses hinaus war da gerade ein Knarren gewesen, das auf die Belastung einer bisher entspannten Fußbodendiele deutete.

      Parker dachte natürlich sofort an Waters und die Jungprofis. War es dem Altgangster gelungen, den neuen Aufenthaltsort von Mylady ausfindig zu machen? Wollte Waters sich für die beiden Besuche am späten Nachmittag revanchieren?

      Josuah Parker war ein Meister im Verlassen von Betten. Er schaffte das, ohne Bettfedern aufwimmern zu lassen. Obwohl er ein altväterliches Nachthemd trug, sah er beeindruckend aus, würdevoll und respektgebie-tend. Parker schlüpfte in seine Hausschuhe und dann in seinen schwarzen Hausmantel. Er ergriff den Uni-versal-Regenschirm und machte sich daran, nach dem Urheber der Geräusche zu fahnden.

      Parker betrat den schmalen Korridor, der an der Küche vorbei hinüber in den großen Wohnraum führte. Er bewegte sich mit der geschmeidigen Geräuschlosigkeit eines Indianers, der sich auf dem Kriegspfad befin-det.

      Im großen Wohnraum herrschte nicht absolute Dunkelheit. Mondlicht sickerte durch die bunten Glas-scheiben der beiden Erkerfenster. In diesem diffusen Licht war eine Gestalt zu erkennen, die gerade hinter einer Standuhr verschwand. Der nächtliche Besucher wollte sicher abwarten, ob das Knarren der Diele be-merkt worden war.

      Parker faßte sich ebenfalls in Geduld.

      Er blieb knapp neben der Korridormündung stehen und wartete darauf, daß der Besucher wieder aktiv wurde.

      Was erstaunlich lange dauerte.

      Parker wußte längst, daß er es mit einem erfahrenen Mann zu tun hatte, mit einem Profi, der sich ebenfalls Zeit ließ. Dieser Besucher überstürzte nichts.

      Nach fast drei Minuten erschien der Eindringling endlich wieder im Blickfeld des Butlers.

      Parker erkannte eine schlanke, große Gestalt, die um den Kamin herumkam und zum Wandsekretär steuer-te. Parker entschied sich für seine Gabelschleuder, die er vorsichtig aus der Seitentasche seines Hausmantels zog. Er legte eine Tonmurmel in die Lederschlaufe der Zwille und schickte dieses an sich harmlose Geschoß auf die Reise.

      Der Erfolg war frappierend.

      Die hartgebrannte Tonmurmel verformte sich auf dem Hinterkopf des Mannes und bröselte unter der Wucht des Aufschlags auseinander. Der nächtliche Besucher blieb für Bruchteile von Sekunden starr und steif stehen. Es war deutlich zu erkennen, daß er sich noch umwenden wollte, doch er schaffte es nicht mehr. Sehr stilvoll ging der Besucher dann zu Boden. Er war so rücksichtsvoll, dabei kaum unnötigen Lärm zu ma-chen. Josuah Parker war sich seiner Sache sicher.

      Er verließ seinen Platz und kümmerte sich um den Getroffenen. Er kniete nieder, sah sich dessen Gesicht an, entdeckte eine unmodische Brille, ein schmales Gesicht und neben der geöffneten Hand des Mannes eine schallgedämpfte Schußwaffe.

      Parker wußte, daß er dieses Gesicht schon mal gesehen hatte, doch er wußte nicht mehr genau, wo das gewesen war. Parker richtete sich auf und ging zurück