der Wirt, der sich dem Butler verpflichtet fühlte. Parker hatte diesen Mann, der übrigens ein vorzüglicher Koch war, vor vielen Monaten mal aus einer bösen Situation gerettet. Es han-delte sich um eine Sache mit der Mafia, die den Wirt fast das Leben gekostet hatte.
Parker ließ sich tief nach hinten ins Lokal führen und nahm in der Familiennische Platz. Er legte seine schwarze Melone und seinen altväterlich gebundenen Regenschirm sorgsam ab und entschied sich für einen Espresso.
»Verfügen Sie über mich«, bat Lorenzo Padeste, dessen Familie schon seit einigen Generationen in Lon-don lebte. Die lebhaften Gesten und Reden des Südländers hatte Padeste dennoch nicht vergessen.
»Aus Gründen, die ich nicht näher erläutern möchte, interessiere ich mich für Männer, die sich ganz offen-sichtlich auf Kidnapping spezialisiert haben«, sagte Parker rund heraus. Er wußte, daß er Padeste gegenüber offen reden konnte. Der Italiener verfügte über beste Informationen, die sich auf die Unterwelt von London bezogen. Was vielleicht damit zusammenhing, daß seine Pizzas erstklassig waren und sein Lokal von den Feinschmeckern der Unterwelt stark frequentiert wurde.
»Kidnapping?« Padeste schüttelte spontan den Kopf. »Das ist mir aber wirklich neu, Mister Parker. Wer befaßt sich schon damit?«
»Das eben möchte ich erfahren«, sagte Parker. »Wer käme dafür in Betracht, Mister Padeste? Ich möchte hoffen, daß Ihre Beziehungen immer noch sehr gut sind.«
»Ist denn irgend etwas passiert?« erkundigte sich Padeste neugierig.
»Meine Frage ist hypothetischer Natur«, wich Parker gemessen aus.
»Dann muß ich aber erst mal nachfragen. Darf ich mir die Freude machen und Ihnen noch einen weiteren Espresso servieren?«
Parker schüttelte den Kopf und blieb stocksteif sitzen, als habe er einen Ladestock verschluckt. Er wartete vornehm und gelassen auf die Rückkehr seines Gastgebers. Nach gut zehn Minuten erschien Padeste wieder am Familientisch. Er glühte vor Eifer.
»Fragen Sie mich nicht, Sir, wer mir den Tip gegeben hat und vergessen Sie bei der Madonna, daß ich Sie informiert habe«, schickte er voraus, »aber es scheint, daß Charles Hampton geplant hat, sich auf diese schreckliche Art zu bereichern.«
»Charles Hampton?« Parkers Antwort wirkte neugierig.
»Sie kennen den Gentleman?«
»Flüchtig«, erklärte der Butler. »Immerhin weiß ich, wo ich den besagten Herrn finden kann.«
»Hampton ist gefährlich«, warnte Padeste gestenreich.
»Hat sein Image sich geändert?« wollte Parker weiter wissen.
»Es hat stark gelitten«, berichtete Padeste. »Man wirft ihm vor, er habe einen Spielclub ausräumen lassen. Man stelle sich so etwas vor, Mister Parker. Er bestiehlt Freunde! Dieser Mann kann keine Moral haben.«
»Und so etwas läßt man sich gefallen?« wunderte sich Parker.
»Was soll man tun?« Padeste rang die Hände und zog ein verzweifeltes Gesicht. »Er ist noch zu mächtig, begreifen Sie? Werden Sie sich vielleicht mit ihm befassen?«
»Ich möchte es vermeiden, mich unnötig festzulegen«, erwiderte der Butler zurückhaltend. »Sollten Sie weitere Informationen hinsichtlich eines Kidnapping erhalten, so lassen Sie es mich wissen. Hier, meine Kar-te.«
Parker reichte dem Inhaber der Pizzeria seine neue Visitenkarte, die Padeste achtlos einstecken wollte. Doch im letzten Moment entdeckte er die neue Adresse und begriff sofort.
»Lady Simpson?« fragte er und dämpfte seine Stimme zu einem Flüstern, »ist sie etwa …?«
»Es hat den Anschein«, entgegnete der Butler gemessen und erhob sich. »Zu keinem Menschen ein Wort, wenn ich darum bitten darf.«
»Ich bin schweigsam wie ein Grab«, versicherte Padeste überzeugend. Dennoch wußte Parker sehr genau, wie schnell die sensationelle Nachricht von der Entführung der Lady in der Unterwelt die Runde machen würde.
Aus diesem Grund hatte er ja Padeste zielsicher aufgesucht.
*
»Mein kleines, dummes Herz«, sagte Agatha Simpson, als sie für die drei Kidnapper wieder zu sich kam. Sie sah sich gekonnt verwirrt um und richtete sich auf.
Mit großer Genugtuung nahm sie zur Kenntnis, daß der Albino noch sichtlich unter Magenschmerzen litt.
Er massierte sich die getroffene Partie und starrte Lady Simpson gereizt und böse an.
Der ehemalige Boxer half Mylady mit starken Armen auf die stämmigen Beine.
»Geht es wieder?« fragte der sportlich aussehende junge Mann, während er Kathy Porter nicht aus den Augen ließ. Sie hatte sich neben Mylady niedergekniet und war sichtbar besorgt. Dem jungen Mann waren dabei die mehr als erfreulichen Linien ihres Körpers nicht entgangen.
»Schluß mit dem Theater«, fauchte der Albino, der dem Braten wegen des verpaßten Magenhakens offen-sichtlich nicht traute. »Rein mit ihr in den Bunker!«
»Mylady ist sehr herzkrank«, sagte Kathy Porter anklagend.
»Sie wird’s schon überleben«, stellte der Albino fest und trat vorsichtshalber zur Seite, als der ehemalige Boxer die Lady zu dem Bunkereingang führte. Der Albino war an einem zweiten Magenhaken nicht interes-siert.
»Was wollen Sie denn von Mylady?« fragte Kathy Porter empört. »Sie werden diese Frau noch umbrin-gen.«
»Worauf sie sich verlassen kann, falls sie nämlich nicht zahlt«, antwortete der Albino gehässig.
»Verlangen Sie etwa ein Lösegeld für mich, Sie Lümmel?« erkundigte sich Agatha Simpson grimmig.
»Sie merken aber auch alles«, erwiderte der Albino, »und wenn die Scheinehen nicht pünktlich angeliefert werden, haben Sie keine Herzschmerzen mehr!«
»Sie Strolch«, stellte die Sechzigjährige sachkundig fest, um sich dann an den ehemaligen Boxer zu wen-den. »Bringen Sie mich nur ja schnell in dieses scheußliche Erdloch, ich möchte dieses Subjekt nicht mehr sehen!«
Das hörte der Albino gar nicht gern.
Schon an sich in Wut, tat er einen schnellen, unbedachten Schritt nach vorn und wollte Lady Agatha ins Gesicht schlagen. Doch es kam alles anders.
Die Detektivin parierte diesen Schlag sehr geschickt. Ihr Pompadour mit dem darin befindlichen »Glücks-bringer« wirbelte blitzschnell hoch und traf das Handgelenk des Mannes, den sie gerade als Subjekt bezeich-net hatte.
Dem Handgelenk bekam dieses Zusammentreffen mit dem »Glücksbringer« überhaupt nicht.
Der Albino heulte auf und vergaß die Ohrfeige.
Weinerlich und dabei undeutliche Weh- und Zischlaute ausstoßend, starrte er auf seine mißhandelte Hand.
Lady Agatha war in Fahrt.
Sie trat dem ehemaligen Boxer kräftig gegen das Knie, worauf der alte Kämpe aufjaulte wie ein Hund und das Gleichgewicht verlor. Er stolperte nach hinten weg und landete auf dem harten Zementboden. Dabei schlug er unglücklich mit dem Hinterkopf auf.
Er blieb benommen wie nach einem Niederschlag liegen und rollte dazu malerisch die Augen.
Kathy Porters Zusammenspiel mit Lady Agatha war einmalig.
Bevor der junge Mann knapp neben ihr überhaupt begriff, was los war, hatte er sich einen Handkanten-schlag eingefangen, der nicht von schlechten Eltern war.
Er litt sofort unter beachtlichem Luftmangel und faßte sich an den Hals. Doch der Mann erwies sich als zäher, als Kathy Porter inzwischen wußte.
Kathy beglückte den Mann mit einem zweiten Schlag, der den Oberarm traf, worauf der junge Mann nicht mehr sportlich wirkte. Ja, er machte sogar einen recht müden und abgeschlafften Eindruck. Seine Absicht, die Schußwaffe zu ziehen, vergaß er.
Lady