Verena Themsen

Elfenzeit 2: Schattendrache


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Wänden führte. Zur Rechten beherrschte ein langer und hoher Empfangstisch aus dunklem Holz den Raum, während hinten eine rustikale Treppe und ein Aufzug zu sehen waren. Links gab eine offenstehende, ebenfalls rustikal gearbeitete Tür den Blick auf ein Restaurant mit Bar frei. Der Bereich mit den Tischen war unbeleuchtet, anscheinend wurden keine Essensgäste mehr erwartet. An der Bar saß ein turtelndes junges Pärchen mit einer Flasche Mezcal vor sich.

      Rian ging zielstrebig zur Rezeption und läutete die Glocke, während David unschlüssig im Raum stehenblieb, den Blick auf die Bar gerichtet. Grog schlenderte weiter zum Aufzug und setzte sich auf einen dort bereitstehenden Gepäckwagen.

      Durch eine Tür hinter dem Empfangstisch kam ein bebrillter Mann in mittlerem Alter mit offensichtlich gefärbtem dunklem Haar. Er trug einen dunkelgrünen Anzug, dessen aufgestickte Aufschrift Siegfriedsruh eine Hoteluniform vermuten ließ. Das goldene Schildchen an seinem Revers verriet, dass sein Name Harald Gottmann war.

      »Guten Abend, die Herrschaften«, begrüßte er sie in geschäftsmäßig-freundlichem Tonfall. »Was kann ich für Sie tun?«

      »Haben Sie noch zwei Doppelzimmer frei?«

      Der Rezeptionist musterte Rian kurz, und man konnte förmlich sehen, wie hinter seiner Stirn die Gleichung »Kleidung = Geld« ablief. Schließlich sah er auf einen Bildschirm, der unter der hohen Theke des Tisches verborgen stand, tippte ein wenig auf einer Tastatur herum, und lächelte dann.

      »Ja, wir hätten da noch etwas. Mit Blick auf den Dom sogar, wenn Sie möchten.«

      »Möchten wir.« Rian zog aus ihrer Umhängetasche den Geldbeutel, den sie sich besorgt hatte, nachdem Nadja die Zwillinge dazu überredet hatte, zumindest gelegentlich mit echtem Geld zu bezahlen. Sie öffnete das Fach für die Scheine und fragte: »Wie viel für eine Nacht?«

      Die Augen des Mannes wurden weit, als er Farbe und Menge der Scheine sah.

      »Ah … ich könnte Ihnen auch unsere Suite anbieten, die ist ganz ruhig im obersten Stockwerk gelegen …«

      »Hat sie zwei breite Betten?«

      »Zwei getrennte Schlafzimmer mit Doppelbetten, jedes mit separatem Bad, sowie einen geräumigen Wohnbereich. Es gibt außerdem einen großen Fernseher, Video- und DVD-Spieler, eine Minibar und eine kleine Kochzeile.«

      »Gut, dann nehmen wir die. Wie viel?«

      Der Mann nannte einen Preis, doch als Rian begann, die Scheine auf den Tisch zu zählen, hob er abwehrend die Hände.

      »Meine Dame, normalerweise wird hier erst bei der Abreise bezahlt. Wer weiß, vielleicht verführt Sie unsere schöne Stadt ja doch zu einem längeren Aufenthalt …« Er lächelte ein Werbelächeln, wie man es sonst nur von Plakaten kannte.

      Rian hob kurz die Augenbrauen und schob die Scheine dann wieder ein. »Schön ist die Stadt wohl, so weit ich das bisher sehen konnte. Aber wir hoffen, dass wir schnell finden, was wir suchen, und dann rufen uns andere Pflichten.«

      »Was suchen Sie denn, wenn ich fragen darf?«

      Die Elfe lächelte den Mann gewinnend an. »Wir suchen den Siegfriedsbrunnen. Können Sie uns sagen, wo wir den finden?«

      »Siegfriedsbrunnen? Sie meinen den beim Dom?«

      Rian wandte den Kopf und wechselte einen schnellen Blick mit ihrem Bruder, doch dieser hob nur die Schultern. Die Elfe sah wieder zurück zu dem Rezeptionisten. »Ja, vielleicht«, antwortete sie vorsichtig. »Warum fragen Sie?«

      »Na ja, es gibt in dieser Gegend Siegfriedsbrunnen wie Sand am Meer. Jedes dritte Dorf hat so einen.«

      Rian atmete einmal tief durch. Das eben Gehörte war für sie nicht leicht zu verdauen. »Jedes dritte Dorf? Wirklich? Und welcher davon ist der echte?«

      Der Mann sah sie fragend und etwas mitleidig an. »Der echte? Was meinen Sie damit? Der, an dem Siegfried angeblich getötet wurde?«

      Rian nickte nur stumm.

      »Ach so. Na, davon gibt es nur, na, so fünf bis zehn. Überall im Odenwald und sogar bis hinunter ins Kraichgau, glaube ich. Aber nageln Sie mich nicht fest, ich kenne nur den Brunnen hier, und der ist jedenfalls nicht der echte, denn der ist nicht mal hundert Jahre alt.«

      Rian seufzte. »Und wo können wir mehr darüber erfahren, wo der echte sein könnte? Oder der, der am ältesten ist?«

      »Am ehesten in der Touristeninformation am Markt, würde ich sagen. Da können Sie dann auch gleich unseren Wormser Siegfriedbrunnen bewundern, der steht nämlich auch dort. Und sie sollten unbedingt den Dom anschauen, das Schmuckstück unserer Stadt. Der ist ebenfalls nur wenige Meter weit weg davon.«

      Der Mann nahm etwas aus einem Fach und legte es auf den Tresen. »Das hier ist ein Stadtplan. Da finden Sie die Touristeninformation eingetragen, und auch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten unserer schönen Stadt. Legen Sie sich nicht zu sehr auf diesen Brunnen fest – Worms hat viel Schönes zu bieten. Dies ist eine der ältesten Städte Deutschlands und ist Ort vieler historisch bedeutender Ereignisse gewesen, von den sagenhaften mal ganz abgesehen. Und nicht umsonst wird es zudem als eines der romantischsten Städtchen Deutschlands bezeichnet. Hier lebt die Geschichte eben noch.«

      »Romantisch?« Rian lächelte wieder, und der Mann erwiderte das Lächeln unwillkürlich. »Ja, vielleicht sehe ich mich wirklich noch etwas mehr um. Also sagen wir zwei Nächte. Oder …« Sie sah erneut kurz zu ihrem Bruder, doch dieser studierte die Flaschenreihen im Regal der Bar, und Rian wandte sich wieder dem Rezeptionisten zu. »Nehmen wir drei.«

      »Gut. Wenn Sie mir Ihren Ausweis dalassen, fülle ich den Meldeschein für Sie aus. Es sind nur Sie und …« Sein Blick wanderte zu David.

      »Mein Bruder David. Ja, nur wir beide.« Rian zupfte ein Blatt von einer Pflanze neben dem Empfangstresen, schüttelte es kurz und reichte es dann dem Mann. »Hier mein Ausweis.«

      »Danke schön. Sie erhalten ihn morgen früh zurück.« Der Mann legte das Blatt neben seine Tastatur, kam dann hinter dem Empfangstisch hervor und suchte mit seinem Blick den Boden ab.

      »Kein Gepäck?« Er sah Rian fragend an.

      »Oh, ja …« Erst jetzt fiel der Elfe auf, dass sie die beiden in Paris gepackten Reisetaschen im Zug vergessen hatten. »Ähm … das Gepäck kommt nach. Hoffentlich.«

      »Ah. Auf dem Flug verloren gegangen?«

      »Ja. Genau so ist es.«

      »So etwas kommt leider häufig vor. Sollten Sie etwas brauchen – Kosmetikartikel oder ähnliches –, sagen Sie mir Bescheid, ich kümmere mich darum.«

      »Nein danke, alles was wir heute Abend brauchen, haben wir, und morgen werden wir uns einfach neue Sachen kaufen, falls das Gepäck nicht rechtzeitig ankommt.«

      »Gut.« Der Mann nickte und reichte Rian eine Schlüsselkarte und erklärte die Nutzung. »Ich wünsche eine gute Nacht.«

      »Danke. Ich denke, die werden wir haben.«

      Rian ließ den Stadtplan und die Schlüsselkarte in ihre Umhängetasche fallen und drehte sich zu David um. In diesem Moment kreischte die junge Frau an der Bar auf und ließ ihr Glas fallen. Blass deutete sie auf die Flasche auf der Theke.

      »Der … der Wurm … er hat sich bewegt! Er ist rumgeschwommen! Da, schau!«

      »Aber Mausi, das kann doch nicht sein, der ist tot!« Der junge Mann lachte auf.

      Der Mann vom Empfang murmelte eine Entschuldigung und hastete zur Bar, um die Scherben aufzusammeln.

      »Pirx, lass das!« zischte Rian dem Pixie zu.

      »Tut mir leid«, piepste er. »Manchmal geht es einfach mit mir durch …«

      »Tunichtgut«, brummte Grog leise und packte den Pixie mit geübtem Griff durch die Mütze hindurch an den Kopfstacheln, um ihn hinter David und Rian her zum Aufzug zu ziehen. »Man weiß manchmal wirklich nicht, was man mit dir anfangen soll.«

      Am